Deutsches Biathlon-Team:Eine Flaute mit Ansage

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Erst mal durchatmen: Die Biathlon-Wettbewerbe muss auch Benedikt Doll erst einmal verdauen. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Zwei Medaillen sind das neue Normal im deutschen Biathlon - das liegt nicht nur an der enteilten Weltspitze, sondern auch an Mängeln im eigenen System. 

Kommentar von Saskia Aleythe, Zhangjiakou

Die deutsche Biathlon-Szene war ein bisschen in Aufruhr vor diesen Olympischen Spielen, das darf man jetzt noch mal beleuchten: Es ging um die Frage, welche Frauen mitdürfen nach Peking, es ging um den fünften Platz im Team. Sollte ihn Anna Weidel, 25, bekommen - oder Franziska Hildebrandt, 34? Keine von beiden hatte die Norm voll erfüllt. Einen Tag vor der angesetzten Entscheidung durch den Deutschen Skiverband preschte der Deutsche Olympische Sportbund voran und berief Weidel ins Team. Es gab Unmut im Lager der Biathleten.

Und dann? Anna Weidel kam zu keinem Einsatz in China, musste dazu noch die halben Spiele in Isolation verbringen, Olympia-Premiere im Hotelzimmer. Der gesamte Vorgang zeigte aber eins: Wie schwer es in Deutschland gerade ist, überhaupt fünf Biathletinnen zu finden, die gut genug für Olympia sind.

Zwei Medaillen nehmen nun aber ausgerechnet die Frauen von diesen Spielen mit heim. Waren sie es nicht, die im Laufe der Saison so arg zu kämpfen hatten? Einen dritten Platz von Denise Herrmann konnte man im Weltcup vorher bejubeln - sonst nichts. Dass in Peking nun eine Gold-Medaille im Einzel herausgesprungen ist? Das übertraf schon das Erwartbare. Und Herrmanns Schlussrunde in der Staffel war mitentscheidend dafür, dass im Zielraum Bronze gefeiert werden konnte. Für die deutschen Männer hingegen gab es am Ende gar nichts zu bejubeln, trotz der drei Podestplätze unter der Saison. Bei ihnen schlug das Pendel in die andere Richtung aus. Nur zwei Medaillen für Deutschlands Biathlon-Abteilung sind eine ungewohnte Flaute - aber auch das neue Normal.

Auf Denise Herrmann ist in Peking Verlass - doch die Olympiasiegerin ist mit 33 Jahren im letzten Abschnitt ihrer Karriere. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

In Arnd Peiffer ist den Deutschen im vergangenen Jahr der letzte Olympiasieger im Team abhandengekommen, auch Herrmann und die Medaillengewinner früherer Jahre wie Benedikt Doll und Erik Lesser steuern in großen Schritten dem Karriereende entgegen. Der DSV braucht sie dringend noch für die Heim-WM in Oberhof in einem Jahr, er hat sich fixiert auf die über 30-Jährigen. Hinter ihnen versucht eine Reihe von Athleten, sich unter den Besten zu etablieren, doch die Schwankungen sind mitunter riesig. In einem Alter, in dem andere schon Weltcup-Siege feiern, führt man den Nachwuchs in Deutschland erst an die erste Liga heran.

Wie die Zusammenarbeit besser klappt, kann man bei anderen Nationen beobachten

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Athletinnen wie Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier hätte jeder Trainer zu Siegerinnen formen können, sagte Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer vor diesen Spielen. So jung so erfolgreich zu sein, das hat ihnen auch international niemand nachgemacht. Und doch fallen strukturelle Probleme im deutschen System auf. Dahlmeier und Neuner gingen im Training ihre eigenen Wege - abseits von den Stützpunkten in Oberhof und Ruhpolding. Franziska Preuß wurde im vergangenen Jahr Weltcup-Dritte, nachdem sie zu ihrem Jugendtrainer Tobias Reiter zurückgekehrt war. Vanessa Voigt, 24, die beinahe Bronze im Einzel gewann, fehlte in Oberhof die Konkurrenz, um läuferisch voranzukommen, seit vergangenem Jahr trainiert sie zeitweise auch in Ruhpolding.

Es scheinen vor allem individuelle Entscheidungen den Ausschlag zu geben, wer sich Richtung Weltspitze entwickelt. Roman Rees feierte zwei Top-Ten-Plätze in Zhangjiakou, Philipp Nawrath präsentierte schnelle Beine; auch im IBU-Cup, der zweiten Liga des Biathlons, sieht es bei den Männern nicht hoffnungslos aus. Aber das ändert ja nichts: Ein einheitliches System, Talente zu bündeln, zu fordern und zu fördern, ist im deutschen Biathlon nur schwer zu erkennen.

Bernd Eisenbichler, der Sportliche Leiter, hatte nach der vergangenen WM angedeutet, dass die Zusammenarbeit zwischen den Kadern ausbaufähig ist. Man müsse "mehr Systematik reinbringen, die Trainingsausrichtung besser anpassen und vernetzen. Wir müssen diesen Wissenstransfer schaffen", sagte er. Wie das geht, kann man bei anderen Nationen beobachten, man muss sich nicht mal mit den Überfliegern aus Norwegen messen. 2015 holte Wolfgang Pichler die schwedischen Talente (Männer wie Frauen) am Standort in Östersund zusammen, verabschiedete die Arrivierten - 2018 klappte es gleich mit vier Olympia-Medaillen, exakt so viele wie jetzt auch in China. Fünf Tage die Woche sieht man sich im Training, auch die Franzosen verbringen 250 Tage im Jahr zusammen. Der Zusammenhalt ist groß, das wirkt sich dann auch aus. "Es gibt dir den Raum, zusammen zu gewinnen und zu verlieren", sagte Mona Brorsson nach dem Olympia-Gold mit der schwedischen Staffel.

Das deutsche Problem beginnt schon im Nachwuchs, und Corona hat es mit Sicherheit verschärft. "Es ist ein Trugschluss, dass alle anklopfen und Biathlon machen wollen", sagte Eisenbichler vor einem Jahr. Olympia wäre nun die beste Werbung gewesen. Für die Heim-WM in einem Jahr bedeutet die Ausbeute nichts Gutes.

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