Deutsche Biathleten:Nah dran ist auch vorbei

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Benedikt Doll im Duell mit Norwegens Vetle Sjaastad Christiansen. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Die deutschen Männer beenden die Olympischen Spiele wie schon in Vancouver 2010 ohne Medaille. Benedikt Doll verpasst im Massenstart die letzte Chance - und muss feststellen, dass Kleinigkeiten im Biathlon sehr wichtig sind.

Von Saskia Aleythe, Zhangjiakou

Das Leben als Olympionike endete auf ziemlich passende Weise. Benedikt Doll hatte vor diesen Winterspielen in China beschlossen, dass er nur noch einmal um olympische Medaillen kämpfen will; dass es in nicht allzu ferner Zukunft noch viel mehr als Sport geben soll in seinem Leben. Mit fast 32 Jahren will er nicht nochmal vier Jahre ackern für zwei Wochen Showdown. Am Freitagabend in Zhangjiakou, da fuhr er auf die Ziellinie am Ende des Massenstarts zu, auf den Tribünen klatschten geladene Chinesen. Im Sichtfeld vor ihm: Norweger, die sich umarmten - wie so oft. Doll setzte die letzten Skating-Schritte, rammte die Stöcke nochmal in den Schnee, auf den Monitoren sein Name, Rang acht daneben. Doll war nicht allzu weit weg von den Medaillen - wie so oft.

Nicht weit weg ist aber immer weit weg genug bei Olympia, und so müssen die deutschen Männer jetzt damit leben: Dass die Vergleiche zu 2010 gezogen werden, zu den Spielen in Vancouver - schon damals war man leer ausgegangen. "Es waren Kleinigkeiten, die die Medaille verhindert haben", sagte Doll nun zum Abschneiden in Fernost, "es war nicht so, dass wir meilenweit weg waren." Natürlich: der eine Schuss, nur Millimeter vorbei, das kommt im Biathlon schnell als Kleinigkeit daher. Allerdings: Genau darum geht es ja auch. Zwischen gut und schlecht gemacht liegen beim Herzchirurgen ja auch nur ein paar Millimeter.

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Das Grobe macht keine Olympiasieger und die Feinmechaniker sind gerade die Sportler der anderen Nationen. Das merkte Doll auch selber nochmal in diesem Massenstart. Es war so eisig wie nie bei minus 17 Grad, es waren böige Verhältnisse, das war alles andere als ein Wohlfühlrennen zum Abschluss in Zhangjiakou. Doch Doll biss sich durch, bis zum letzten Stehendschießen ging es für ihn noch um Bronze. Dann stand er auf der Matte, riskierte viel - und schoss vier Strafrunden. Die körperliche Belastung sei hoch gewesen, "dann kam noch ein richtig starker Wind rein, das hat es fast unmöglich gemacht", sagte er später.

Allerdings, da war ja noch einer neben ihm. "Klar, muss man sagen: Der Christiansen hinter mir hat es hingekriegt", analysiert Doll dann auch. Zwei Matten neben ihm stand Norwegens Vetle Sjaastad Christiansen, der mit denselben Bedingungen zu kämpfen hatte - und er bewältigte sie mit fünf Treffern. "Chapeau, das war alles andere als einfach zu schießen", sagte Doll anerkennend.

Doll war am nächsten dran an einer Medaille

Bundestrainer Mark Kirchner haderte noch mehr mit Dolls erstem Stehendschießen, da war er ja noch weiter vorne dabei. "Es waren gute Bedingungen, und er schießt den vierten und fünften dann daneben. Das hat er beim dritten Schießen verdaddelt", sagte Kirchner. Johannes Thingnes Bö schaffte den vierten Olympiasieg vor dem Schweden Martin Ponsiluoma. Johannes Kühn (10.), Roman Rees (14.) und Philipp Nawrath (23.) waren weiter weg. Doll hatte kurz vor diesen Spielen noch den Massenstart in Antholz gewonnen, es war nach einem Sprint-Erfolg von Kühn in Hochfilzen allerdings der einzige deutsche Sieg in diesem Winter.

Tatsächlich war Doll dann auch am nächsten dran gewesen an einer Medaille in China, vor allem im Einzel fiel der eine entscheidende Fehler zu viel. Dass es in der Staffel mit Erik Lesser, Rees und Nawrath trotz guter Ausgangslage nur ein vierter Platz geworden war, wurmte die Beteiligten auch am Freitag immer noch. "Dass wir die nicht geschafft haben, das tut auf jeden Fall sehr weh", sagte Doll, "aber man lernt in den Jahren mit dem Leistungssport, dass das dazugehört, dass es am Ende ein Spiel ist". So dramatisch wie bei einer Herz-Operation geht es dann eben doch nicht zu.

Die deutschen Frauen reisen mit einmal Gold und einmal Bronze zufrieden nach Hause

Bei den deutschen Biathlon-Frauen war das Abschneiden im Massenstart recht ähnlich, Gold ging an Justine Braisaz-Bouchet aus Frankreich, Silber an Tiril Eckhoff aus Norwegen, dahinter holte ihre Landsfrau Marte Olsbu Röiseland Bronze - fünf Medaillen bei Olympia hat vor ihr noch keine Biathletin geschafft. Franziska Preuß landete auf Rang acht, wie bei Denise Herrmann (13.), Vanessa Hinz (15.) und Vanessa Voigt (18.) prägte das Gefühl der eroberten Staffel-Medaille noch die Stimmung. "Mit dem Teamergebnis können wir zufrieden sein", sagte Herrmann, "wir haben allen gezeigt, was wir draufhaben."

Auf Denise Herrmann ist in Peking Verlass - doch die Olympiasiegerin ist mit 33 Jahren im letzten Abschnitt ihrer Karriere. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Dass sie nun mit Gold aus dem Einzel und Bronze heimkehren kann, hätte sie nach einer durchwachsenen Saison selber kaum gedacht. Für Preuß, die es nach überstandener Verletzung und Corona-Infektion nur knapp zu Olympia geschafft hatte, fanden diese Spiele noch "ein versöhnliches Ende", sie wäre unter anderen Voraussetzungen auch eine Kandidatin für Medaillen in den Einzelrennen gewesen. "Mit der goldenen und der bronzenen können wir schon zufrieden nach Hause reisen", sagte Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer.

Von den sieben Plaketten, die es 2018 für das gesamte deutsche Team gegeben hatte, ist man nun weit entfernt, aber es sind ja auch andere Zeiten: Ohne Laura Dahlmeier, Arnd Peiffer und Simon Schempp, die allesamt solo erfolgreich waren damals und mittlerweile zurückgetreten sind. Benedikt Doll konnte in Südkorea Bronze in Verfolgung und Staffel gewinnen, er hat also schon was zum Trösten zu Hause hängen. Und es ist auch nicht so, dass es nur Olympia für ihn gäbe. "Für mich ist so eine Weltcup-Saison auch wichtig, für mich ist eine WM auch wichtig", sagte er noch. In einem Jahr geht es in Oberhof um die nächsten Titel, "das hat genauso einen tollen Glanz wie jetzt die Olympischen Spiele", sagte Doll. Auf die Kleinigkeiten - das kann man jetzt schon sagen - wird es aber auch dann wieder ankommen.

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