Russland vs Ukraine:"Das ist das Land, mit dem wir uns im Krieg befinden"

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Das ukrainische Team läuft bei der Eröffnungsfeier ins Stadion ein. Während der Spiele herrschen Verhaltensvorschriften für die Sportlerinnen und Sportler. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ein politischer Konflikt erfasst die Spiele: Ukrainische Sportler sollen nicht mit russischen Athleten jubeln oder Interviews auf Russisch geben - auch Putins Auftritt bereitet Sorgen.

Von Johannes Aumüller

Auf den ersten Blick wirkten die Ereignisse im Zielraum des Ski-Freestyle-Areals wie eine Sequenz, die es bei großen Sportereignissen öfter zu sehen gibt. Der eine Athlet wartete schon, der andere kam nach seiner Darbietung hinzu, dann herzten sie sich innig - und später standen sie auf dem Siegerpodium, Arm in Arm, eine große Flagge um beide Sportler drapiert.

Das Besondere an dieser Szene bei den Winterspielen in Pyeongchang vor vier Jahren war nur: Der eine Athlet war der ukrainische Tagessieger Oleksandr Abramenko - und der andere der Bronzegewinner Ilja Burow aus Russland. Weil das Verhältnis zwischen den beiden Ländern schon damals ziemlich angespannt war, führte das zu entsprechend heftigen und ausführlichen Diskussionen. Drei Jahre später machten die Hochspringerinnen Maria Lassizkene und Jaroslawa Mahutschich ähnliche Erfahrungen, als sich bei den Sommerspielen von Tokio nach dem Gewinn von Gold und Bronze strahlend umarmten.

Olympia in Peking
:Uigurin entzündet das olympische Feuer

Diese Wahl sorgt für Aufsehen: Die Uigurin Dinigeer Yilamujiang wird bei der Eröffnungsfeier mit der besonderen Aufgabe betraut - dabei steht China wegen des Umgangs mit der muslimischen Minderheit stark in der Kritik.

Russlands Präsident Wladimir Putin (links) und sein chinesischer Kollege Xi Jinping. (Foto: Aleksey Druzhinin/Sputnik/Reuters)

Inzwischen hat sich der Konflikt zwischen den beiden Nachbarstaaten noch einmal zugespitzt. Die Angst vor einem neuerlichen Militärschlag Russlands gegen die Ukraine ist in diesen Tagen immens - und so wirkt das Thema auch in diese Olympischen Spiele von Peking hinein, die am Freitag eröffnet wurden.

Bilder wie 2018 in Pyeongchang oder 2021 in Tokio soll es nicht geben

Wenn es nach dem ukrainischen Sportminister Wadym Hutzajt geht, soll es solche Bilder wie beim Ski-Freestyle in Pyeongchang vor vier Jahren oder beim Hochsprung in Tokio 2021 in den nächsten beiden Wochen nicht geben. Und deswegen hat er den 45 Athleten seines Landes, die für die Spiele in Peking angemeldet sind, gleich noch ein paar spezielle Verhaltensweisen mit auf den Weg gegeben.

Man könne es nicht verbieten, aber man habe in einer "patriotischen Online-Versammlung" darauf hingewiesen, dass die Mitglieder der ukrainischen Delegation sich nicht bei russischen Sportlern aufhalten und sich auch nicht mit ihnen zusammen fotografieren lassen sollen, sagte Hutzajt in einem Interview. Sie sollten ihre Emotionen im Griff haben, und man habe ihnen erläutert, "wie man sich in Situationen verhält, in denen es zu Provokationen kommt". Er verstehe, dass es seit vielen Jahren Freundschaften zwischen Sportlern gibt, aber nun seien sie eben Konkurrenten. "Das ist das Land, mit dem wir uns im Krieg befinden". Zudem berichteten Medien von einer Anweisung, dass Athleten keine Interviews auf Russisch geben sollten.

Russische Funktionäre und Politiker reagierten darauf natürlich mit Empörung - und russische Medien wiederum präsentierten voller Stolz ukrainische Sportler, die ihnen doch etwas auf Russisch in die Mikrofone sagten. Dabei dürfte es im Zweifelsfall auch gar nicht so leicht werden mit der gewünschten Kontaktbeschränkung. Aus der Eishalle etwa wurden schon Aufnahmen herumgereicht, die zeigen, dass die Boxen der ukrainischen und der russischen Starter unmittelbar nebeneinanderliegen. Und in mancher Sportart ist es ja gar nicht so unwahrscheinlich, dass ukrainische und russische Athleten miteinander um eine Medaille kämpfen und sich dann auf dem Podest wiedersehen.

Schon zweimal hat Putin den olympischen Frieden gebrochen

Mehr noch als bei den Verhaltensvorschriften für die Athleten zeigt es sich auf dem großen politischen Parkett, wie der Konflikt auch die Olympischen Spiele durchdringt. Bei der Eröffnungsfeier am Freitag war Russlands Staatspräsident Wladimir Putin der prominenteste Gast auf der Ehrentribüne, und er war nicht nur nach China gereist, um bei der Auftaktzeremonie die russische Mannschaft zu beklatschen, die nach dem großen Staatsdopingskandal offiziell noch gesperrt ist für die großen internationalen Wettbewerbe. Stattdessen ging es ihm vor allem darum, das Bündnis mit China und dessen Staatschef Xi Jinping zu bekräftigen - und sich unter anderem dessen Unterstützung in der Ukraine-Krise zu sichern.

Zugleich war Putins Auftritt dort ein bemerkenswertes Symbol. Zu gerne verweist der Sport darauf, dass die Zeit der Olympischen Spiele doch die Zeit des Friedens unter den Völkern sei. Aber Russlands Staatspräsident hat schon zweimal gezeigt, wie wenig ihn dieser Grundsatz kümmert. 2008 eskalierten kurz vor der Eröffnungsfeier die Auseinandersetzungen zwischen Russland und Georgien - damals begann der Kaukasuskrieg. Sechs Jahre später, als Putin bei den Winterspielen in Sotschi selbst der Olympia-Gastgeber war, begann sein Militär in den letzten Tagen der Spiele mit der Annektierung der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim. Da wirkt es umso bezeichnender, dass Putin immer noch ein gerne gesehener Gast der olympischen Familie ist.

Nicht nur die olympische Welt beschäftigen die Ausläufer des Russland-Ukraine-Konfliktes dieser Tage. Bei Europas Fußball-Union (Uefa) gilt seit 2014 der Ansatz, dass russische und ukrainische Mannschaften in den Klub- und den Nationalwettbewerben nicht gegeneinander gelost werden können.

In Amsterdam steigt allerdings gerade die Europameisterschaft im Futsal, der bevorzugten Hallenfußball-Variante des organisierten Fußballs. Dort waren Russland und Ukraine in der Gruppenphase zwar wie gewohnt voneinander getrennt worden - dann gelang es beiden Mannschaften, sich fürs Halbfinale zu qualifizieren, in dem sie am Freitagabend aufeinandertrafen.

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