Niederlage in Gladbach:FC Bayern muss sportliche Debatten fürchten

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Ungewohnte Emotionen: die Bayern-Profis Thomas Müller und Robert Lewandowski (rechts) nach der Niederlage in Gladbach (Foto: dpa)
  • Das 1:3 in Mönchengladbach weckt beim FC Bayern schmerzhafte Erinnerungen.
  • Bis zu den entscheidenden Spielen im Frühjahr müssen die Bayern wieder lernen, mit einem ungünstigen Spielverlauf umzugehen.
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Von Christof Kneer

Es wäre "schon cool" und "mehr als lässig", mal eine ganze Saison ungeschlagen zu bleiben, hat der Münchner Thomas Müller kürzlich gesagt. Er hat dann allerdings noch angefügt, dass es "kein Weltuntergang wäre", wenn dieses Ziel verfehlt würde, und aus heutiger Sicht darf man froh um diese kleine Ergänzung sein. Wäre ja blöd, wenn die Welt jetzt untergehen müsste, nur weil der FC Bayern gerade eine Halbzeit hinter sich hat, die er sich wohl selbst nicht zugetraut hat.

Nein, sie seien keinesfalls unschlagbar, das haben die Bayern zuletzt nach jedem Spiel gesagt, das 4:0 endete. Zugegebenermaßen endeten nicht alle Spiele so, es gab auch welche, die 5:0 ausgingen. Wenn die Bayern so demütig daherredeten, dann klangen sie wie die Sonne, die sagt, sie hoffe und gehe auch davon aus, dass sie auch morgen wieder im Osten aufgehe, aber ganz sicher könne sie sich nicht sein.

Es ist das Erfolgsgeheimnis der Bayern, dass solche Sätze allenfalls eine gewisse Restkoketterie enthalten; im Grunde sind sie ernst gemeint. Pep Guardiola hat es geschafft, dass seine Profis auch gegen Stuttgart und Bremen Haltung bewahren, dass sie konzentriert bleiben, dass sie nicht mal ein kleines bisschen schlampen. Insofern schien es zwar kein Weltuntergang, aber doch mindestens ein Weltwunder zu sein, was sich in Mönchengladbach zwischen Minute 54 und 68 ereignete. Der FC Bayern kassierte in schneller Folge ein erstes, ein zweites und ein drittes Tor, bewahrte keine Haltung, blieb nicht konzentriert, schlampte gar ein bisschen. "Die Niederlage zeigt, dass die Mannschaft von diesem Planeten ist und menschlich agiert", sagte Matthias Sammer nach dem 1:3 - der ersten Vorrunden-Niederlage in der Ära Guardiola.

Ursprünglich haben die Bayern diesen Sammer mal verpflichtet, damit er nach solchen Menschlichkeitsanfällen vor die Kameras tritt und öffentlichkeitswirksam übel nimmt. Das war schon deshalb eine gute Idee, weil dem Land dadurch das tolle Attribut "lätschern" geschenkt wurde. Mit diesem Wort hat Sammer die Spieler mal zurechtgewiesen, aber das ist so lange her, dass man sich kaum mehr erinnern kann. Im Team hat sich inzwischen ein spektakuläres Pflichtbewusstsein ausgebildet, und so kommt Sammer nach einem 1:3 in Gladbach nicht mehr, um zu mahnen, um aufzurütteln oder um neue Adjektive zu erfinden. Er kommt jetzt, um zu beruhigen.

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Die Meisterschaft wird diese Erkenntnis aber kaum beeinflussen. Schon eher die Champions League.

Kommentar von René Hofmann

Der FC Bayern ist kein FC Hollywood mehr, Freunde des Krawalls können nicht mehr darauf hoffen, dass eine Niederlage automatisch zu folkloristischen Übersprungshandlungen führt - zumal die Liga anders über den Siegerplan des Gladbacher Trainers Schubert sprechen würde, wenn die Bayern in der imposanten ersten Halbzeit ihre Torchancen ins Ziel gebracht hätten. Die Bayern müssen intern keine Debatte über mangelnden Einstellung fürchten. Dennoch werden ihnen die 14 Minuten in der zweiten Hälfte zu denken geben - aus streng sportlichen Gründen.

"Nach dem 1:0 haben wir unsere Kontrolle verloren", sagte Guardiola, "wir müssen aus diesem Spiel lernen, dass wir nie unsere Kontrolle, unsere Basis verlieren dürfen." Er hat das beiläufig dahin gesagt, aber es ist das dramatischste Urteil, das dieser Trainer sprechen kann. In Guardiolas Weltbild ist Fußball ohne Kontrolle gar kein Fußball. Wer ohne Kontrolle spielt, kann auch gleich den Ball weglassen.

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Kontrollverlust: Das ist das große Thema der sonst so atemberaubend souveränen Guardiola-Bayern, das Wort weckt schmerzhafte Erinnerungen an die Halbfinals der letzten beiden Champions-League-Spielzeiten. Im Frühjahr 2014 hat sich Guardiola nach einer fatalen Spielerbefragung zu einer Aufstellung überreden lassen, von der er nicht überzeugt war; die Folge war, dass die Bayern das Mittelfeld - unkontrolliert - preisgaben, was Real Madrid genüsslich ausnützte.

Und in diesem Frühjahr haben sich ersatzgeschwächte Münchner rechtschaffen ins Spiel in Barcelona hineingearbeitet, aber dann haben sie in schneller Folge - unkontrolliert - ein erstes, ein zweites und ein drittes Tor kassiert. Auch die Gladbacher haben der Welt jetzt noch mal gezeigt, dass man die Bayern erwischen kann - zum Beispiel mit stabilem Zentrum und schnellem Flügelspiel. Wenn den Bayern durch Ausfälle sowohl die Flügellösungen (Robben, Costa, Alaba) als auch die Klein-Klein-Lösungen (Thiago, Götze) fehlen, wird es plötzlich möglich, sie zu Fehlerketten zu zwingen - wie bei den drei Toren, als die Bayern in unterschiedlichen Spielfeldregionen stets zu spät kamen.

In Gladbach war auch zu erkennen, warum Guardiola Philipp Lahm eigentlich im Mittelfeld sieht; Guardiola würde den Kapitän lieber mit leiser Präzision das Zentrum kontrollieren lassen, als ihn rechts hinten jenen Tempowellen auszusetzen, die einem 32-Jährigen nicht gefallen. Aber er hat keinen anderen Rechtsverteidiger, dem er auf diesem Niveau vertraut - zumal er Rafinha zurzeit links benötigt. Man sei "Rückstände nicht mehr gewohnt", sagte Lahm später, und so hat dieses 1:3 den Bayern immerhin ermöglicht, schon mal einen Blick in den April zu werfen. Wenn die großen Gegner kommen, werden die Bayern dank des Gladbach-Erlebnisses womöglich besser vorbereitet sein auf Spiele, die nicht 4:0 ausgehen.

Es ist erkennbar der Plan der Münchner, die Gladbach-Niederlage in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Sicherheitshalber hat Klubchef Karl-Heinz Rummenigge auf einer internen Weihnachtsfeier am Sonntag schon mal mit einem neuen Triple- Gewinn kokettiert. ,"Ich spüre das: Wir haben eine Chance, in diesem Jahr alles zu packen. Wir haben eine Chance! Aber wir haben nur eine Chance, wenn wir noch mal alles dem FC Bayern unterordnen." Bald ist Weihnachten. Und dann kommt auch schon der April.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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