NHL-Playoffs:Die Tür steht offen für Draisaitl und die Oilers

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"Wir sind schon auch eine unangenehme Truppe": Gegen Los Angeles war Leon Draisaitl (re. gegen Kings-Torwart Joonas Korpisalo) Topscorer der Oilers - aber seine Mitspieler schossen die entscheidenden Treffer für die nächste Runde. (Foto: Gary A. Vasquez/USA TODAY Network/Imago)

Nach dem Erfolg gegen die LA Kings müssen die Edmonton Oilers um Leon Draisaitl in den NHL-Playoffs gegen das nächste unangenehme Team ran: die Vegas Golden Knights. Aber anders als zwei Top-Favoriten haben sie die erste Nervenprobe bestanden.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Das Lied, das die Edmonton Oilers nach dem Erfolg über die Los Angeles Kings in der ersten Playoff-Runde in ihrer Kabine spielten, in ordentlicher Lautstärke: "Hotel California" von den Eagles. Es enthält diese unvergessliche Textzeile, der zufolge man schon auschecken könne aus diesem Hotel und damit auch aus dem Bundesstaat am Pazifik, dass man diesen Ort aber nie werde verlassen können. Es hätte kein besseres Lied gespielt werden können für diese Feier, bei der Getränke gereicht wurden, die zwar Bier heißen, in Wahrheit aber verdünntes Wasser sind.

Die Stimmung war weniger Party als viel mehr erleichtertes Anstoßen und Abklatschen; man war wirklich versucht, nach all den Steinen zu suchen, die den Oilers-Spielern von den Herzen geplumpst sein mussten. Sie hatten immense Angst gehabt, dass sie, das zurzeit zweifellos formstärkste Team der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL tatsächlich an diesem giftigen, galligen Gegner scheitern und die Saison im Hotel California beenden könnten, gefangen in einem ewigen, sich nie erfüllenden Traum - wo sie doch angesichts famoser Leistungen zuletzt daran glauben, dass sie zum ersten Mal nach 33 Jahren Meister werden können. Die Oilers bestanden diesen schwierigen Test, der Hobbypsychologen genügend Indizien dafür lieferte, dass sie nun endlich genug gefestigt sind für den großen Triumph.

Eishockey-Profi Leon Draisaitl
:Konstant unter den Besten

Die Edmonton Oilers sind das formstärkste Team in der NHL, der deutsche Angreifer Leon Draisaitl sogar noch besser als sein Mannschaftskollege Connor McDavid. Was noch fehlt zur Vollendung: der Stanley Cup. Eine Begegnung in Los Angeles.

Von Jürgen Schmieder

0:3 hatten sie zurückgelegen im vierten Spiel, in der Best-of-seven-Serie hatte es da 2:1 für die Kings geheißen. Die Oilers kamen zurück, wegen ihrer Stars Connor McDavid und Leon Draisaitl, die in den sechs Spielen gemeinsam zehn Treffer erzielten und elf weitere vorbereiteten. Sie wurden nicht nervös, als LA die sechste Partie kurz vor dem Ende ausgeglichen hatte, weil der Schläger von Torwart Stuart Skinner gebrochen war - und die Helden der letzten beiden Siege waren nicht McDavid oder Draisaitl, sondern Akteure, über die es nach den ersten Spielen geheißen hatte, dass sie bitte auch ihren Beitrag leisten mögen: Evander Kane, Kailer Yamamoto, Zack Hyman, Ryan Nugent-Hopkins.

"Gelassen, selbstsicher, ULTRA-diszipliniert": So wollte ihr Trainer die Oilers sehen, und so haben sie gespielt

"Es ist sehr interessant, was da passiert in den Playoffs, es ist in fast jeder Serie zu beobachten", sagte Draisaitl in der Kabine, er verzichtete aufs verdünnte Wasser aus Dosen: "Man weiß, dass es auf und ab gehen wird, dass man ruhig bleiben sollte. Man bereitet sich darauf vor. Trotzdem ist es dann in diesem Moment unfassbar schwer, das zu meistern. Die Zuschauer sind da, es wird laut, du denkst über alles nach. Und plötzlich ist kaum noch Zeit auf der Uhr." Man dürfe nie zu fröhlich oder zu niedergeschlagen sein; dazu passten die drei Begriffe, die Oilers-Trainer Jay Woodcroft an die Tafel gekritzelt hatte: "Gelassen, selbstsicher, ULTRA-diszipliniert." So sind sie aufgetreten in der ersten Runde, deshalb sind sie weiter, während die Titelfavoriten Boston Bruins und Colorado Avalanche bereits ausgeschieden sind - und die Tür für die Oilers weit geöffnet haben.

"Wer die Stimmungsschwankungen geradlinig meistert, wird erfolgreich sein", sagte Draisaitl und nannte noch zwei Lehren aus der ersten Runde: "Mit drei Spielern gewinnst du nichts. Aber wir haben gezeigt, dass wir einige Jungs haben, die wichtige Tore schießen können. Und, das wussten wir aber schon seit Saisonbeginn: Wir schießen viele Tore, wir sind eine schnelle Truppe. Wenn wir unser Spiel finden, dann sind wir schwer zu stoppen."

Sie haben ihr Spiel gefunden in der Serie gegen LA, und deshalb bekam die Textzeile aus "Hotel California" noch eine andere Bedeutung für die Oilers: Sie hatten ausgecheckt aus dieser ersten Playoff-Runde - aber sie blieben erst einmal in Kalifornien, übernachteten in LA und trainierten in der Halle der Kings. Warum heimfliegen nach Kanada, wenn der nächste Gegner gerade mal 40 Flugminuten weg ist?

Es geht nun von Mittwoch an gegen die Vegas Golden Knights, die nach Playoff-Enttäuschungen der vergangenen Jahre ebenfalls ganz fest daran glauben, dass sie bereit sind für den Titel. Die 4:1-Serie gegen die Winnipeg Jets war nicht mehr als Einspielen, doch ist genau das gefährlich, wie jeder NHL-Profi gebetsmühlenartig erklärt: Man kann nur psychologische Elemente mitnehmen, spielerisch und taktisch beginnt es bei null. Und dann geht es bis zu sieben Mal gegen ein Team, das man irgendwann in- und auswendig kennt.

Die Knights sind das Gegenteil der Oilers: Sie warten ab, sie lauern und dann schlagen sie zu

Das taktisch Interessante diesmal: Die Golden Knights sind quasi das Gegenteil der Oilers. Die Oilers sind technisch hochbegabt, und äußerst schnell; immer auf der Suche nach dem nächsten Tor. Die Knights dagegen sind berüchtigt dafür, Angriffe stoisch abzuwehren und geduldig auf Chancen zu warten - und sie eiskalt zu nutzen. Es dürfte ein Leckerbissen für alle jene werden, die sich für die taktischen Aspekte dieser Sportart begeistern: wie sich diese Serie entwickeln wird, wie die Trainer reagieren werden (gegen LA ließ Woodcroft Draisaitl und McDavid oft gemeinsam aufs Eis; gegen Vegas dürften sie in den ersten Partien außer in Überzahl wieder getrennt sein); wer mit welchem Spiel- und Serienstand besser zurechtkommen wird.

"Sehr tiefe Truppe, sehr viele gute Spieler - sehr laute Arena", sagte Draisaitl, der aber gar nicht mal so viel Lust hatte, die Stärken des nächsten Gegners zu preisen, sondern lieber sagte: "Wir sind schon auch eine unangenehme Truppe."

Die Oilers werden in den kommenden Tagen zwischen Las Vegas und Edmonton pendeln, die Spiele eins und zwei sowie die möglichen Partien fünf und sieben finden in der Arena direkt neben dem Strip statt. Sollten die Oilers diese Serie wieder auswärts gewinnen, dürfte es wieder sehr laut werden in der Umkleidekabine. Vielleicht gibt es dann mal besseres Bier, und freilich auch einen anderen Song. "Viva Las Vegas" von Elvis zum Beispiel.

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