NFL in Deutschland:Vorsicht vor Football, Fußball!

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Jakob Johnson ist einer der wenigen deutschen Profis in der NFL - mit den New England Patriots könnte er bald in seinem Heimatland spielen. (Foto: Rich von Biberstein/Icon SMI/Imago)

Die NFL kommt nach Deutschland, weil das Interesse hierzulande immer weiter wächst. Ein großer Vorteil der Sportart: Sie steht zum Kommerz - und die Fans scheinen das zu tolerieren.

Kommentar von Tim Brack

Wenn der Zirkus in die Stadt kommt, freuen sich die Kinder. Der lokale Rummel, der mit der neuen Konkurrenz in Wettstreit treten muss, freut sich aber nicht. Der Zirkus, das ist in dem Fall die US-amerikanische Footballliga NFL, die ihre Zelte in der kommenden Saison voraussichtlich in München und in der darauffolgenden in Frankfurt aufschlagen wird. Football-Fans sind begeistert.

Der lokale Rummel - das ist hierzulande noch immer der Fußball - sollte den Besuch dagegen genau beobachten. Um seine Vormachtstellung muss der liebste Sport der Deutschen zwar nicht fürchten, dafür ist er zu tief in der Gesellschaft verwurzelt, das Interesse immer noch sehr groß. Doch das Ansehen des Fußballs in der Sportnation scheint in der jüngeren Vergangenheit gesunken zu sein. Funktionäre fürchten eine Entfremdung der Fans durch die Pandemie. Die Einschaltquoten im Fernsehen scheinen relativ gesehen zwar stabil zu sein, absolut gesehen schauen aber laut Messung weniger Menschen die Fußball-Übertragungen von ARD, ZDF und Sky. Der Streamingdienst Dazn veröffentlicht keine Zahlen.

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Profitiert haben davon aber weniger die heimischen Teamsportarten Handball, Basketball, Eishockey oder Volleyball, sondern das Importprodukt Football. Gerade auf das jüngere Fernsehpublikum wirkt die NFL anziehend. Seit 2013 sind die Zuschauerzahlen der Super-Bowl-Übertragung im Schnitt gestiegen. Damals lag der Wert bei unter einer Million. Als im vergangenen Jahr die wichtigste Football-Trophäe ausgespielt wurde, schauten laut Messung schon 2,11 Millionen Zuschauer zu - die Anzahl dürfte in der Realität deutlich höher gewesen sein. Denn Superbowlschauen ist längt ein Gruppen-Event, für das Menschen gerne die Nacht durchmachen. Aber nicht nur der Jahres-Höhepunkt findet Beachtung, auch Partien der Playoffs und der regulären Saison haben sich nach und nach vom Spartensender ins Hauptprogramm geschlichen. Ein großer Vorteil gegenüber dem Fußball: vieles läuft im Free-TV.

Im Football gehört Kommerz dazu, während der Fokus aufs Geschäft im Fußball zur steigenden Entfremdung führt

Die Beliebtheit des Footballs verwundert in mancher Hinsicht. Schließlich verkörpert die NFL schamlos den Kommerz. Die Fans scheint das nicht zu stören. Im Fußball dagegen führt eine Fokussierung aufs Geschäft eher zur steigenden Entfremdung.

Hier hat der Football einen Vorteil: Kommerz ist tief in seiner DNA verankert, eine Vereinskultur wie im Fußball gibt es nicht, die Franchises werden wie Filialen geführt und wechseln auch mal die Stadt. Das Gehalt von Footballspielern ist der Öffentlichkeit bis auf den Cent genau bekannt.

Die Entscheidung der NFL nach Deutschland zu kommen und bis mindestens 2025 jeweils ein Hauptrundenspiel hier auszutragen, muss also auch als knallharter wirtschaftlicher Entschluss betrachtet werden. Es soll nicht nur der Sport nähergebracht, sondern vor allem das Geld mitgenommen werden. Ob man das verwerflich findet, muss jeder für sich entscheiden. Man stelle sich aber den Aufschrei vor, wenn die Bundesliga ähnliche Expansionspläne vorantreiben würde - da muss das Ziel nicht einmal Saudi-Arabien heißen.

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