NBA-Basketballer Antetokounmpo:Die größte Naturgewalt seit Shaq

Lesezeit: 3 Min.

Und rumms: Giannis Antetokounmpo beim Dunk gegen die Suns im NBA-Finale. (Foto: Jeff Hanisch/USA TODAY Sports)

Dass die Milwaukee Bucks in der Finalserie der NBA gegen Phoenix Suns weiter im Rennen sind, liegt vor allem an Giannis Antetokounmpo. Der Grieche stiftet mit seinem riesigen Körper solches Chaos, dass die Gegner frustriert sind.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Rituale sind wichtig für Profisportler, und es kann für sie einen gewaltigen Unterschied machen, ob die Zuschauer Buchstaben oder Zahlen brüllen. Giannis Antetokounmpo stand also mal wieder an der Freiwurflinie, er braucht für die Ausführung ungefähr so lange wie Tennisneurotiker Rafael Nadal vor dem Aufschlag. Gegnerische Fans zählen mittlerweile mit, und Statistiker haben errechnet, dass er in den Playoffs bei 168 Versuchen kein einziges Mal unter der 100-Meter-Weltrekordmarke von Usain Bolt geblieben ist; die liegt bei 9,58 Sekunden.

Am Sonntagabend hörte der Flügelspieler der Milwaukee Bucks zum ersten Mal in der Finalserie der Basketballliga NBA mal nicht "One, two, three ..." - die Anhänger der Phoenix Suns kamen ein Mal gar bis 15 -, sondern: "MVP, MVP"; also den Hinweis, dass sie ihren Star für den wertvollsten Spieler der Liga halten.

Meistens konnten die Suns nur zuschauen, wenn Giannis Antetokounmpo geflogen kam. (Foto: Jeff Hanisch/USA TODAY Sports)

Antetokounmpo traf 13 von 17 Versuchen, zum Vergleich: In den ersten beiden Spielen lag die Trefferquote bei 60 Prozent. Er schaffte 41 Punkte, 13 Rebounds und sechs Vorlagen, die Bucks überrollten die Suns beim 120:100 regelrecht und verkürzten in der Best of 7-Serie auf 1:2. Sie sind zurück in diesen Finals, in denen sie in den ersten beiden Partien chancenlos gewesen waren und Trainer Mike Budenholzer deshalb schon als Tölpel verspottet wurde.

In der ersten Partie übergaben seine Spieler beim Pick-and-Roll der Suns (ein Spieler sperrt den Weg für den ballführenden Kollegen und läuft sich danach frei), im zweiten Spiel probierten sie ebenso vergeblich eine Doppeldeckung der Suns-Spielmacher Chris Paul und Devin Booker. Rituale sind wichtig für Profisportler, und wenn jemand wie Paul, im 16. Profijahr noch immer einer der besten Ballverteiler, die Strategie des Gegners kennt, dann macht er damit, was Bolt mit dem 100-Meter-Rekord getan hat: Er pulverisiert sie.

Die Kernspieler der Suns wirken irritiert

Budenholzer wählte in der dritten Partie eine Taktik, die ihn vollends zum Trottel hätte werden lassen, wenn sie nicht funktioniert hätte. "Verteidigt völlig zufällig", riet er seinen Spielern, was im Basketball so unerhört ist, als würde Pep Guardiola beim Fußball elf Namen auf einen Zettel schreiben und seinen Spielern sagen, dass sie das mit der taktischen Aufstellung mal selber lösen sollen.

"Dem Zufall liegt eine Schönheit inne", sagte Budenholzer danach, und es war wirklich schön, was die Bucks defensiv aufs Parkett zauberten: Aufbauspieler Jrue Holiday verfolgte Booker (der schaffte gerade mal zehn Punkte) oder blockierte die Passwege für Paul (neun Assists, ein für ihn eher mauer Wert). Flügelspieler P.J. Tucker verteidigte kurz vor der Halbzeit plötzlich gegen Booker, dazu gesellte sich 2,09-Meter-Hüne Antetokounmpo, der da normalerweise gar nichts verloren hat. Dafür stand Holiday (1,91 Meter) unter dem Korb gegen den 20 Zentimeter größeren Deandre Ayton - der Passweg zu ihm war jedoch verstellt, weshalb dieses so genannte "Mismatch" nichts ausmachte.

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Es war Chaos, aber jene Sorte Chaos, die der Boxer Tyson Fury vor dem Sieg gegen Wladimir Klitschko so beschrieb: "Was alle klugen, gebildeten Menschen richtig hassen: Unvorhersehbarkeit." In der Tat wirkten Booker und Paul irgendwann völlig ratlos, Booker verbrachte den Großteil des letzten Viertels frustriert auf der Bank.

Milwaukees Grieche Antetokounmpo ist die personifizierte Unvorhersehbarkeit

Es lag freilich auch daran, dass, bei aller Begeisterung für den taktischen Geniestreich von Budenholzer, Antetokounmpo die personifizierte Unvorhersehbarkeit ist. Sie nennen ihn "Greek Freak", wegen seiner Herkunft und deshalb, weil es seit der Naturgewalt Shaquille O'Neal in der NBA keinen mehr gegeben hat, der die Leute so in Aufregung versetzt damit, was einer mit seinem Körper anstellen kann. Antetokounmpo ist nicht einfach nur groß und mittlerweile auch kräftig; er bewegt sich so, wie sich jemand mit diesen Maßen nicht bewegen sollte, und er wirft nun - wenn auch manchmal zu häufig - von jenseits der Drei-Punkte-Linie. Wie soll man so einen verteidigen?

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Die Antwort auf diese Frage ist nun die Aufgabe für Suns-Trainer Monty Williams, überhaupt wird diese Finalserie langsam zum Tüftelduell der Coaches. Antetokounmpo konzentrierte sich diesmal auf die Arbeit unter dem Korb (alle 14 erfolgreichen Würfe aus dem Spiel heraus schaffte er aus weniger als 1,50 Meter vom Ring entfernt), das sorgt für Räume draußen, die Holiday (50 Prozent von jenseits der Drei-Punkte-Linie statt 31 Prozent wie in den beiden Partien davor) konsequent nutzte.

Phoenix braucht schnell eine Antwort auf Milwaukees "Razzle Dazzle"

Monty Williams muss für die nächsten Partien entscheiden, ob er Antetokounmpo in Doppeldeckung nehmen lässt - oder dessen Punkte nun mal als gegeben hinnimmt und statt dessen versucht, die anderen Bucks-Spieler schlecht aussehen zu lassen.

In der Offensive braucht Williams eine Lösung für das Ramba-Zamba (in den USA sagen sie: Razzle-Dazzle) der Bucks-Defensive. Budenholzer hat nicht nur gesagt, dass er das schön findet, sondern auch, warum er diesen taktischen Kniff gar so toll findet: "Man weiß nicht nur nicht, was passieren wird - sondern auch nicht, wie es passieren wird. Dieser Zufall macht den Sport so schön." Na dann: Fortsetzung am Mittwochabend, wieder in Milwaukee - und das bedeutet für Antetokounmpo beim Freiwurf: wieder Buchstaben statt Zahlen. Rituale sind wichtig für Profisportler.

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