Giannis Antetokounmpo in der NBA:228 Millionen Dollar für fünf Jahre

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Er kann sogar fliegen: Es gibt nur eine Schwäche, die man Giannis Antetokounmpo anlasten könnte - er hat noch keinen Titel. (Foto: Morry Gash/AP)

Giannis Antetokounmpo unterschreibt den höchstdotierten Vertrag in der Geschichte der NBA - weil der lange Schlaks ein Generalist unterm Korb ist.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Dieser Greek Freak genannte Basketballspieler hat nicht wirklich jene grandiosen athletischen Fähigkeiten, die sein Spitzname andeutet, verglichen mit anderen Freaks der NBA ist er ziemlich normal. So ein Satz klingt Ende 2020 zunächst einmal völlig verrückt, denn Giannis Antetokounmpo hat soeben den höchstdotierten Vertrag der NBA-Geschichte unterschrieben. Aber die Einschätzung stand da wirklich in der Bewertung des damals 18 Jahre alten Griechen, kurz vor der Talentbörse im Jahr 2013. Ein anderer Satz: "Er hat Probleme abseits des Balles in der Defensive." Oder: "Ein großes Problem ist Konstanz."

14 Teams hatten damals auf Antetokounmpo verzichtet und stattdessen zum Beispiel Anthony Bennett gewählt, der dann nur vier NBA-Partien von Beginn absolvierte und derzeit arbeitslos ist. Die Milwaukee Bucks griffen zu, und dieser Vertrag für Antetokounmpo (228,2 Millionen Dollar für fünf Spielzeiten) ist auch deshalb so interessant, weil er viel verrät über die NBA, die Beurteilung von jungen Spielern und auch mögliche Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf eine Liga, die am 22. Dezember die neue Saison eröffnen wird. Der Greek Freak will zum dritten Mal in Folge zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt werden und den ersten Titel seiner Karriere gewinnen.

Es ist wichtig, dass die Bucks ihn damals ausgewählt hatten, denn laut Tarifmodell der NBA durften nur sie ihm jetzt diesen Vertrag anbieten. Hätte Antetokounmpo bis zur Sommerpause gewartet, hätte er von jedem anderen Klub maximal 145 Millionen Dollar für vier Spielzeit bekommen dürfen (ein Unterschied von 9,39 Millionen pro Spielzeit). Die NBA will so dafür sorgen, dass die besten Spieler - bei allem Respekt vor dem US-Bundesstaat Wisconsin - möglichst nicht in attraktivere Märkte wechseln, wie es Anthony Davis (Los Angeles Lakers), Kawhi Leonard (Los Angeles Clippers) oder Kevin Durant (Brooklyn Nets) taten.

Antetokounmpo, 26, hat immer wieder betont, dass er einen Titel nicht über einen Vereinswechsel erreichen wolle. Seine Vorbilder seien Dirk Nowitzki (Dallas Mavericks) oder Tim Duncan (San Antonio Spurs), die ihre kompletten Karrieren bei nur einem Verein verbracht haben und dort erfolgreich waren. "Das ist meine Heimat, das ist meine Stadt", schrieb Antetokounmpo nach der Unterschrift bei Twitter. Man muss nicht besonders viel auf solche Floskeln geben - in diesem Fall aber doch, weil Gehalt und sportliche Perspektive nur zwei Aspekte von vielen für NBA-Profis sind.

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Es gibt Gründe wie Steuerrecht. In Kalifornien beträgt der bundesstaatliche Spitzensteuersatz 12,3 Prozent, in Wisconsin 7,65 Prozent und in Texas null Prozent, was bei diesen Gehältern einen ordentlichen Unterschied macht. Und es gibt wichtige Details für eine Karriere: LeBron James zum Beispiel will in Los Angeles ein Medienimperium aufbauen, auch deshalb wechselte er zu den Lakers; Miami-Heat-Manager Pat Riley lockt mit der Lebensqualität in Florida (und null Prozent Steuern). Es ist mittlerweile selten, dass ein derart herausragender Spieler wie Antetokounmpo in einer Stadt wie Milwaukee bleibt.

Er hätte mit seinem Entschluss warten können, sein Vertrag lief ja noch eine Saison, und die kommende Spielzeit ist eine voller Unsicherheiten, auch finanziell. Die Gehaltsobergrenze und damit auch die sogenannten Supermax Contracts, Verträge wie Antetokounmpo gerade einen unterschrieben hat, sind an die Einnahmen der Liga gekoppelt. Die werden aufgrund der Coronavirus-Pandemie und den kaum zu prognostizierenden Zuschauer-Einnahmen nicht so hoch sein, die Obergrenze liegt bei 109,14 Millionen Dollar pro Verein. Es heißt, dass Antetokounmpo mehr als 25 Millionen Dollar mehr hätte bekommen können, wenn er gewartet hätte.

Er wollte jedoch seinem Verein Planungssicherheit geben. "Lasst uns das Ding holen und dafür sorgen, dass diese Jahre zählen", schrieb er auf Twitter weiter. Das lässt sich natürlich auch eine Botschaft an Manager Jon Horst lesen. Es ist kein Geheimnis, dass sich die anfangs erwähnten Sätze bei der Bewertung des jungen Antetokounmpo als falsch herausstellten, so wie es kein Geheimnis ist, dass sich auch viele der Einschätzungen von damals bewahrheitet haben.

Antetokounmpo will dem Klub Milwaukee Bucks treu bleiben: Sein Vorbild ist Nowitzki

Antetokounmpo wurde zunächst angepriesen als Mysterium, weil er ein Schlacks war, der sich nur in der zweiten griechischen Liga gemessen hatte - so wie Dirk Nowitzki einst in der zweiten deutschen Liga bei Würzburg gespielt hatte. Antetokounmpo wuchs seit der ersten Beurteilung noch einmal acht Zentimeter auf mittlerweile 2,11 Meter, er trainierte sich auf 110 Kilogramm, ohne an Beweglichkeit einzubüßen; schon 2017 wurde er zu dem Spieler gewählt, der sich am besten entwickelt hatte. Der Spitzname Greek Freak ist eine treffende Beschreibung, weil es so einen wie ihn tatsächlich nicht noch einmal gibt in der NBA.

Er ist nun Flügelspieler mit dem Ballgefühl eines Spielmachers und der Wucht eines Centers. Er ist mittlerweile einer der besten Verteidiger abseits des Balles, weshalb die Bucks ihn häufig als Raumbeschützer unter dem Korb platzieren. In der vergangenen Saison war er der Erste seit Hakeem Olajuwon (Houston Rockets, 1994), der nicht nur zum MVP, sondern auch zum besten Verteidiger gewählt wurde. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass es keine Position für ihn gibt, und dass er damit die Richtung verkörpert, in die sich die NBA entwickelt: keine starren und vorhersehbaren Aufgaben für Spieler mehr. Gefragt sind Generalisten, die sich anpassen können - umso besser, wenn einer ohnehin einer der besten Akteure der Welt ist. Wen stellt man so einem an die Seite?

Die Bucks sind in der Vorsaison im Viertelfinale an Miami Heat gescheitert, auch deshalb, weil Antetokounmpo wegen einer Knöchelverletzung fast die Hälfte der Serie verpasste. Es gibt in Flügelspieler Khris Middleton einen zweiten Star im Team, und Manager Jon Horst hat nun All-Star-Spielmacher Jrue Holiday aus New Orleans geholt und mit den Zugängen Torrey Craig, Bobby Portis, D.J. Augustin und Bryn Forbes die Ersatzbank gestärkt.

Müsste man nun eine Schwäche von Antetokounmpo aufführen, dann wäre es diese: Er hat noch keinen Titel. "Ich spiele nicht, um Zweiter oder Fünfter zu werden - nur die Meisterschaft zählt", sagt er, und auch das ist keine Floskel, es geht mittlerweile um die Familienehre. Giannis hat drei Brüder: Alex spielt in der spanischen Liga, Thanasis ist sein Teamkollege bei den Bucks. Und Kostas hat nicht nur zwei Mal nacheinander die griechische Liga gewonnen, sondern wurde im Oktober mit den Los Angeles Lakers auch Meister in der NBA.

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