Nationalelf: Löw und Bierhoff bleiben:Sie verlängern, sie verlängern nicht ... sie verlängern!

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Die Zukunft von Bundestrainer Löw und Manager Bierhoff ist nach einem langen Streit mit der DFB-Spitze endlich geklärt. Chronik einer langen Auseinandersetzung.

Johannes Aumüller

15. Dezember 2009: DFB-Präsident Theo Zwanziger und Joachim Löw führen ein Gespräch über die Zukunft des Bundestrainers. Löw hat sich mit dem erfolgreichen Auftreten bei der Europameisterschaft 2008 (Final-Teilnahme) und der souverän erreichten Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2010 (Gruppenerster ohne Niederlage) große Zustimmung erarbeitet. Was während dieses Gesprächs genau passiert - dazu kursieren zwischen den Beteiligten unterschiedliche Versionen.

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Joachim Löw und sein Team verlängern ihre Verträge mit dem DFB bis 2012 - und die ganze deutsche Fußball-Welt gratuliert.

16. Dezember: Die Bild-Zeitung verbreitet in ihrer Online-Ausgabe, dass die Vertragsverlängerung von Löw fix sei. DFB-Präsident Theo Zwanziger berichtet von einem Handschlag-Vertrag, den er mit Bundestrainer Joachim Löw abgeschlossen habe. Danach bleibe Löw unabhängig vom Ausgang der Weltmeisterschaft über zwei Jahre hinaus Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft.

17. Dezember: Eine Äußerung von Bundestrainer Löw relativiert die Meldungen des vorangegangen Tages. "Bis zur Unterzeichnung eines neuen Vertrages müssen noch einige Punkte besprochen und geklärt werden, die mir und meinem Team für die weitere Arbeit wichtig sind", sagte er in einem Beitrag für die Internetseite des DFB. "Es war mir wichtig, in einem Gespräch mit dem DFB-Präsidenten die Situation zu erörtern. Es war ein gutes und offenes Gespräch. Die grundsätzliche Bereitschaft, die Zusammenarbeit bis nach der EM 2012 fortzusetzen, besteht."

Januar 2010: Zwischen Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff auf der einen Seite sowie DFB-Sportdirektor Matthias Sammer auf der anderen Seite nimmt die Auseinandersetzung über ein schon immer problematisches Thema zu. Wer hat die Verantwortlichkeit für die U-21-Nationalmannschaft, den Unterbau der Nationalelf? In dieser Frage scheinen sich alle Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss im DFB zu konzentrieren.

4. Februar: Am Tag einer Sondersitzung des DFB-Präsidiums ist die Bild wieder mal gut informiert. Sie meldet, was der Vertragsverlängerung von Löw tatsächlich im Weg stünde: Die Forderung nach einer Bonuszahlung bei Unterschrift, angeblich in Höhe eines Jahresgehaltes pro Mann - und darüber hinaus die Festschreibung eines Vetorechtes für Bierhoff bei einer möglichen Neubesetzung des Bundestrainerpostens. "Überraschend neue Vorstellungen" nannte Zwanziger das, "die aus Sicht des Präsidiums zum Teil auch mit Blick auf die Satzung nicht zu akzeptieren sind."

Doch zum Teil entsprachen diese vermeintlichen Vorstellungen gar nicht den Tatsachen. Nach SZ-Informationen ging es zwar tatsächlich um eine Bonuszahlung bei Vertragsunterschrift, jedoch nicht pro Person und in Höhe eines Jahresgehaltes. Zur Verhandlung gestellt werden sollte lediglich ein Gesamtbetrag, den die Beteiligten dann untereinander aufgeteilt hätten. Dass Bierhoff ein Vetorecht für die Auswahl eines neuen Cheftrainers verlangte, war im Prinzip auch keine Neuigkeit. Schon in seiner damaligen Vereinbarung war ihm das Recht garantiert, bei der Suche nach einem neuen Mann beteiligt zu werden.

4. Februar: Das DFB-Präsidium kann sich in seiner Sondersitzung nicht über die Zukunft von Löw und Bierhoff einigen und beschließt, die Frage bis nach dem WM-Turnier in Südafrika zurückzustellen. Von "strukturellen Problemen und wirtschaftlichen Fragen", bei denen beide Parteien "zu weit auseinander" gelegen hätten, spricht Theo Zwanziger.

5. Februar: Joachim Löw moniert die Art und Weise, wie der DFB mit ihm und seinem Team umgegangen sei. "Von unserer Seite wurde ein verhandelbarer Vorschlag vorgelegt, uns dagegen wurde ein nicht verhandelbares Angebot zugestellt, über das ich innerhalb von 48 Stunden entscheiden sollte." Innerhalb von 48 Stunden, in denen auch noch Löws 50. Geburtstag lag. Zudem bezichtigt Löw Zwanziger, die Unwahrheit gesagt zu haben. "Ganz bewusst haben wir uns in den vergangenen Wochen nicht konkret zur Vertragssituation geäußert. Umso verwunderter sind wir über die plötzlich in der Öffentlichkeit diskutierten Vertragsdetails. Dadurch kamen viele Unwahrheiten in Umlauf. (...) Einen Handschlag-Vertrag hat es nicht gegeben."

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Oliver Bierhoff und Joachim Löw sind seit sechs Jahren zusammen für die Nationalelf tätig. Nach der Klinsmann-Ära setzten sie den Aufwärtstrend im deutschen Fußball fort. Im Juli verlängerten sie ihre Verträge bis 2012, jetzt wurde die Nationalelf zur "Mannschaft des Jahres 2010" gewählt.

6. Februar: Zwanziger versucht in einem SZ-Interview, die Wogen zu glätten. "Wir sind Freunde, keine Feinde", sagt er mit Blick auf Löw. Der DFB versucht nun offenbar, die sportliche Leitung zu entzweien. Gemäß dem Motto: hier der gute Jogi, dort der böse Bierhoff, wegen dessen übertriebener Forderungen das alles nun eskaliert ist. Die DFB-Delegation reist in einer tief zerstrittenen Stimmung zur Auslosung der EM-Qualifikationsgruppen nach Warschau.

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9. Februar: Um 13.59 Uhr treten Löw, Bierhoff, Zwanziger und DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach gemeinsam vor die Presse, um zumindest nach außen den gesamten Konflikt etwas zu deeskalieren. Alle schildern, wie es zu den absurden Situationen in der Vorwoche gekommen war, alle geben sich selbstkritisch, und Zwanziger gelobt: "Ich versuch's in Zukunft besser zu machen." Ein ziemlich schneller Burgfriede.

Februar bis Juni: Wer weiß, welche Episoden es in dem langen Hickhack um Löws Zukunft noch gegeben hätte, wenn nicht plötzlich eine andere Großbaustelle den DFB beschäftigt hätte. In der sogenannten Schiedsrichteraffäre um Manfred Amerell und Michael Kempter bezieht der DFB früh Stellung zugunsten Kempters, zu früh, wie sich später herausstellt. Das Krisenmanagement von DFB-Chef Zwanziger wird massiv kritisiert. Dass die ganze Angelegenheit in eine Schlammschlacht ausartet, ist auch sein Verschulden. In der Öffentlichkeit entsteht mehr und mehr das Bild eines DFB-Chefs, der dem Amt nicht gewachsen ist. Nur knapp und mangels geeigneter Gegenkandidaten kann sich Zwanziger im Amt halten.

Juni/Juli: Das Auftreten der deutschen Nationalmannschaft bei der WM beflügelt die Zustimmung für Bundestrainer Joachim Löw und sein Team - und setzt Zwanziger gehörig unter Druck. Immer mehr Fans und immer mehr Menschen aus dem Fußball-Business fordern eine Fortsetzung der Löw'schen Arbeit. Auch Zwanziger selbst betont stets, wie gerne er Löw halten werde. Doch der beruft sich nur noch auf das Verdikt des DFB-Präsidiums: verhandelt wird erst nach der WM.

13. Juli: Kurz nach der WM meldet die Bild, die Vertragsverlängerung sei nun fix. Doch wie schon so oft in den vergangenen Wochen kontert Löw mit dem Hinweis, dass noch nichts entschieden sei, dass er und sein Team sich erst einmal zusammensetzen und sich Zeit lassen wollen. Dabei ist der Rahmenplan aber eng gesteckt: Am 11. August beginnt mit einem Testländerspiel gegen Dänemark die Vorbereitung für die EM-Qualifikation, auf der Präsidiumssitzung am 30. Juli soll alles geklärt sein.

18. Juli: Auf dem Verbandstag des Fußballverbandes Rheinland und in einem Gespräch mit der Rhein-Zeitung gibt sich Zwanziger amtsmüde und spricht von einer "Sehnsucht nach Privatem". Er setzt sich auch noch einmal gegen die Kritik der vergangenen Wochen und Monate zur Wehr und verteidigt sein Handeln. Zum Beispiel betont er noch einmal: "Den Handschlag hat es gegeben." Zwanziger gerät immer stärker in die Defensive.

20. Juli: Löw, Bierhoff sowie die beiden Ko-Trainer Hans-Dieter Flick und Andreas Köpke verlängern ihre Verträge um zwei Jahre. Offenbar war der Druck auf Zwanziger so groß, dass er nun rasch eine Einigung erzielen wollte. Die Zuständigkeit für die U 21 verbleibt offiziell bei Matthias Sammer, allerdings hat Löw ein praktisch unbegrenztes Zugriffsrecht, wie die SZ erfuhr: Das heißt, er kann entscheiden, wann er welchen U-21-Spieler benötigt. Zwanziger lässt seine Zukunft weiter offen.

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