Nationalelf:Die Zahlen sind auf Bierhoffs Seite

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Oliver Bierhoff kontert auf einer Pressekonferenz die Kritik aus München und Dortmund. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Die Chefs des FC Bayern und von Borussia Dortmund attackieren die Nationalmannschaft scharf: Deren Marketing-Strategie müsse sich ändern. Doch Manager Bierhoff hat gute Gegenargumente.

Von Martin Schneider, München

Oliver Bierhoff, der für gewöhnlich über kaum etwas lieber spricht als über Vermarktung, sagte plötzlich, dass ohne Vermarktung alles besser wäre. "Ich könnte mir mein Leben sehr viel leichter machen, wenn wir gar keine Vermarktung hätten", sagte Bierhoff während er im schwarzen Polo-Hemd vor einer bunten Sponsoren-Wand saß. Vor ihm standen vier Flaschen, zwei mit Zuckerbrause gefüllt, zwei mit alkoholfreiem Bier und Bierhoff malte sich weiter diese werbefreie Utopie aus: "Ich hätte keine Diskussion mit Spielern, mit Beratern, mit den Vereinen, mit den Sponsoren. Ich hätte viel Krach nicht." Aber natürlich musste danach eine Form des 'Aber' kommen. Bierhoff: "Wir machen das ja nicht aus Spaß."

Es war am Freitag mal wieder so weit, dass Oliver Bierhoff sich rechtfertigen musste. Seit 2004 ist er Manager der Nationalmannschaft und seitdem er diesen neu geschaffenen Posten besetzt, muss er erklären, was er eigentlich macht und was das eigentlich soll. Soweit also nichts Ungewöhnliches. Gerade fragen aber zwei relativ mächtige Personen des deutschen Fußballs, was diese ganze Werbung bei der Nationalmannschaft eigentlich soll und ob das so weitergeht. Und bei Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke kommt für Bierhoff erschwerend hinzu, dass die beiden sich nicht so oft einig sind.

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Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, sagte vor ein paar Wochen in der Bild am Sonntag: "Unser größter Konkurrent im Sponsoring ist nicht Borussia Dortmund - sondern die deutsche Nationalmannschaft!" Und die mache auch noch für die falschen Autos Werbung: "Wir haben einen wichtigen Vertrag mit unserem Gesellschafter Audi. Während der EM wurde aber beim DFB die gesamte Klaviatur von Mercedes Benz hoch und runter gespielt - mit unseren Spielern! Das kann und wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Wir werden die Verbände im Zweifel an die Rechtslage und ihre Verantwortung erinnern."

"Das funktioniert so nicht, und das werden wir dem DFB auch klarmachen"

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, sieht das genauso: "Das kann nicht sein. Das funktioniert so nicht, und das werden wir dem DFB auch klarmachen. Diesen Wildwuchs müssen wir beschneiden." Watzke sagte in seinem Interview-Marathon vor der Saison, man wolle keine Drohszenarien erstellen - um dann zugleich ein Drohszenario zu erstellen und zu betonen, dass die Vereine alle Hebel in der Hand hätten. Gegen diese Allianz aus den beiden größten deutschen Klubs musste Oliver Bierhoff nun wieder anreden. Er hatte sich zwei Argumente zurechtgelegt.

Es ärgere ihn, sagte er, dass der Eindruck entstünde, der DFB würde nur nehmen, das stimme so nicht. Durch die Nationalmannschaft würden Spieler populärer werden, populärere Spieler hätten einen höheren Marktwert und von einem höheren Marktwert profitieren die Vereine. So geht seine Rechnung. "Bei allem Respekt jetzt vor Borussia Dortmund, aber wenn sie nach China gehen und dort eine Promotion-Tour machen, dann kommen die Fans und schauen Mats Hummels oder Marco Reus an, sicherlich, weil sie bei der Nationalmannschaft ein großes Turnier spielen und nicht weil sie gegen Mainz 05 spielen." Das klang patzig und war auch durchaus so gemeint, auch wenn Mats Hummels natürlich nicht mit nach China fuhr, weil er jetzt bei Bayern spielt - und Marco Reus noch nie ein großes Turnier durchgespielt hat.

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Aber sein Argument wurde trotz ungünstiger Beispiele klar. Das aktuellste Beispiel: Serge Gnabry. Den kannten vor dem Olympischen Turnier nur Insider, nach zwei, drei guten Auftritten wechselte er nun als Königstransfer von der Ersatzbank des FC Arsenal zu Werder Bremen. Ob André Schürrle über seine Karriere die erstaunliche Transfersumme von über 90 Millionen Euro ohne den Zusatz "Nationalspieler" angehäuft hätte? Fraglich.

Am meisten gibt der DFB für Verwaltung und Talentförderung aus

Bierhoffs zweiter Punkt: Wir müssen Geld verdienen, um es wieder in die Basis zu stecken. "Auch das kommt den Vereinen wieder zugute. Nicht jeder Klub hat seine Spieler mit fünf Jahren im eigenen Klub. Viele werden erst mit zwölf, dreizehn, fünfzehn Jahren von Vereinen, die von uns unterstützt werden, verpflichtet."

Ein kurzer Blick in den Finanzbericht des DFB: 2015 erwirtschaftete die A-Nationalmannschaft 38,7 Millionen Euro Gewinn und war damit die ergiebigste Einnahmequelle des Verbandes. Die größten Ausgabeposten im Haushalt des DFB sind nach den Kosten für Verwaltung die Talentförderung (13,9 Millionen Euro) und die Ausgaben für die Junioren-Nationalmannschaften (ca. 9,1 Millionen Euro).

Die Zahlen sind eigentlich immer auf Bierhoffs Seite. "Wir haben während des EM-Turniers natürlich eine Marktforschung gemacht", ist ein typischer Bierhoff-Satz. Ergebnis: Alle Sympathie-Werte sind gestiegen und wo sie nicht gestiegen sind, sind sie gleichbleibend hoch. Erst seit Kurzem gibt es eine Zahl, die nicht auf seiner Seite ist: die Zuschauerzahl.

Für das Freundschaftsspiel Deutschland gegen Finnland lief der Vorverkauf schleppend. Erst die Aufforderungen von Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw sowie der Fakt, dass es das Abschiedsspiel von Bastian Schweinsteiger werden sollte, lockten dann doch noch 30 000 ins Stadion nach Gladbach, ausverkauft war das Spiel trotzdem nicht. Bei vielen Testspielen vor der EM sah das ähnlich aus.

Klub-Fans schreckt der "Fanclub Nationalmannschaft" ab

Eine Kombination aus hohen Kartenpreisen und Unwichtigkeit des Spiels schreckt die Leute offenbar ab. Außerdem sind die Spiele der Nationalmannschaft unter Bierhoff eher zu einer Art Familien-Ausflugsziel geworden. In der Bundesliga bestimmen allein gewachsene Fan-Gruppen die Kulisse auf den Rängen, bei der Nationalmannschaft gibt es ein gesponsertes Konstrukt namens "Fanclub Nationalmannschaft". Klub-Fans schreckt das ab, die Stimmung ist bei Länderspielen schon lange eher leise, beim Freundschaftsspiel in Berlin hörte man 90 Minuten lang nur die Engländer singen.

Oliver Bierhoff sagt dazu: "Wenn das Stadion nicht ausverkauft war, dann ist sicherlich ein Grund, dass wir in den letzten zwei Jahren bei Freundschaftsspielen das nicht immer so gezeigt haben, wie es eigentlich sein soll." Aber das sei jetzt natürlich eine wichtige Aufgabe, die man schaffen müsse.

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