Müller-Wohlfahrt und FC Bayern:Das Kabinengeheimnis

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Arjen Robben will sich weiter von Müller-Wohlfahrt behandeln lassen. (Foto: imago sportfotodienst)
  • Erstmals äußert sich Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zum Aus von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und sagt, er habe mit dem Arzt telefoniert.
  • Das sei ein gutes Gespräch gewesen, eine Rückkehr des Doktors schließt er nicht aus.
  • Viele Spieler des FC Bayern wollen sich trotz der Kündigung weiter von Müller-Wohlfahrt behandeln lassen.
  • Arjen Robben lobt den ehemaligen Mannschaftsarzt ausdrücklich.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Im April 1977 kam ein neuer Arzt zum FC Bayern, sein erster Patient war ein 21-jähriger, talentierter Fußballstürmer, der nach dieser ersten Behandlung die letzten sieben Ligaspiele der Saison von der ersten bis zur letzten Minute mitspielte; erst später, in den achtziger Jahren, in Italien, sollte der Stürmer häufiger verletzt ausfallen. Der neue Arzt war Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, sein erster Patient war - auch wenn das jetzt das Arztgeheimnis verletzt und Interna aus der Kabine verrät: Karl-Heinz Rummenigge. Erzählt hat das am Dienstag so zumindest Rummenigge selbst.

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Die Zeit von Müller-Wohlfahrt beim FC Bayern hätte nach dieser Erzählung am Anfang und am Ende Karl-Heinz Rummenigge als einen wichtigen Darsteller gehabt. Aber dann klang am Dienstag auf einmal wieder alles ganz anders.

Ein Arzt- und ein Telefongeheimnis

Nach dem 6:1 im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Porto, fünf Abende also nach Müller-Wohlfahrts Kündigung und sechs Abende nach einem Konflikt in der Kabine, sprach Rummenigge erstmals zu den Vorfällen. Der Vorstandsboss des FC Bayern sagte: "Es gibt ein Arztgeheimnis, es gibt aber auch ein Kabinengeheimnis. Ich möchte das alles gerne in der Kabine belassen."

Elegante Sätze waren das. Zumindest, um überhaupt nichts zu den Vorfällen zu sagen. Rummenigge hat damit eine Frage ganz bewusst in der Kabine gelassen: Ob es stimmt, dass er, Rummenigge, in eben jener Kabine in Porto dem Ärzteteam um Müller-Wohlfahrt die Schuld an der 1:3-Niederlage im Hinspiel gegeben hatte. Und ob er somit Müller-Wohlfahrts Kündigung letztlich verursacht hat.

"Ein wichtiger Bestandteil der Bayern-Familie"

Der Vorstandsboss redete am Dienstag nur einmal über die Vergangenheit: Als er erzählte, dass er am Montag mit Müller-Wohlfahrt telefoniert habe - und weil Karl-Heinz Rummenigge der erste Spieler gewesen sei, "der bei ihm auf der Pritsche gelegen ist", könnten alle "davon ausgehen, dass wir ein gutes Gespräch hatten". Worum es dabei ging? Verriet Rummenigge nicht. Telefongeheimnis.

Nachdem er fünf Tage lang öffentlich geschwiegen hatte, schwärmte er nun auffällig für Müller-Wohlfahrt. Dieser habe "Großartiges für uns geleistet", jeder könne "davon ausgehen, dass wir eine hohe Wertschätzung für diesen Mann haben, sowohl fachlich als auch menschlich". Er werde "auch immer ein wichtiger Bestandteil der Familie des FC Bayern bleiben".

Auf die Nachfrage, ob es möglicherweise eine Rückkehr des Doktors gebe, hat Rummenigge zwar ausweichend geantwortet ("Er hat diese Entscheidung gefällt, und dabei sollten wir es jetzt erst einmal belassen"), zugleich waren seine Worte der klare Versuch, nach der Kontrolle über eine Entwicklung zu schnappen, die nicht mehr aufzuhalten ist.

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Mehrere Spieler hatten am Wochenende betont, dass Müller-Wohlfahrt ihr Arzt bleiben wird; David Alaba, Holger Badstuber, Franck Ribéry und Arjen Robben waren in seiner Praxis am Alten Hof in der Münchner Innenstadt. Robben, der zurzeit aufgrund eines Bauchmuskelrisses ausfällt, sagte am Dienstagabend dann auch bereitwillig in jede Fernsehkamera, dass der Doktor für ihn auch weiterhin Großartiges leisten wird. "Jeder Spieler hat eine persönliche Beziehung zu ihm. Er ist eine Vertrauensperson. Er ist der Beste und er bleibt der beste Arzt. Das habe ich ihm auch gesagt", sagte Robben bei Sky. Es folgten die entscheidenden Sätze: "Er wird mich weiter behandeln. Ich vertraue ihm zu hundert Prozent."

Die Spieler halten ihrem Arzt die Treue

Nachdem sich die Spieler des FC Bayern - darunter auch die deutschen Nationalspieler, deren Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt weiterhin bleibt - mit dem Arzt solidarisiert hatten, kamen Rummenigges warme Worte am Dienstag daher wie ein Friedensangebot: Sie werden ihre Spieler nicht in einen Loyalitätskonflikt zwingen, indem sie ihnen den Zugang zu einem in der internationalen Sportszene gefragten Arzt verbieten, der nur wenige Kilometer entfernt in der Münchner Innenstadt arbeitet.

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Zugleich waren Rummenigges Schwärmereien ein Schritt, der für Müller-Wohlfahrt eine Rückkehr möglich lässt, ohne an Autorität zu verlieren. Der 72-Jährige wird dann vielleicht nicht mehr den Titel des Mannschaftsarztes tragen, aber er könnte wieder ein offizieller Teil des medizinischen Systems in der Familie des FC Bayern werden, mit dem er über all die von ihm betreuten Spieler inoffiziell ohnehin verbunden bleiben wird.

Den entscheidenden Schritt wird aber Müller-Wohlfahrt gehen müssen, allein er kann entscheiden, ob ein Telefonat und Rummenigges öffentliches Lob ausreichen für eine Versöhnung. Und allein an ihm wird es wohl liegen, ob die tatsächlichen Vorfälle von Porto noch genauer erzählt werden. Auch wenn das natürlich gegen mehrere Geheimnisgebote verstoßen würde.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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