Großer Preis von Ungarn:Verstappen fährt mit sich um die Wette

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Schon schön hier: Max Verstappen hätte in Ungarn zumindest Zeit gehabt, die Fauna am Hungaroring zu bestaunen. (Foto: Francois Nel/Getty Images)

Zwölfter Red-Bull-Sieg in Serie, elfter in diesem Jahr: Max Verstappen kreiselt auch in Ungarn einsam an der Spitze - auch weil der erfahrene Lewis Hamilton am Start patzt.

Von Elmar Brümmer

Zehn Minuten vor Ende des Großen Preises von Ungarn fragt der Renningenieur von Max Verstappen vorsichtig nach: "Alles in Ordnung bei dir?" Kann ja nicht schaden, mal nachzuhaken, wenn ein Rennfahrer den ganzen Nachmittag lang einsam allen davongefahren ist. Am Ende trennt den Formel-1-Weltmeister vom zweitplatzierten Lando Norris im McLaren über eine halbe Minute. Zwölfter Red-Bull-Sieg in Serie, elfter in diesem Jahr, das ist Rekord. Für Verstappen ist es der siebte Erfolg hintereinander.

Längst ist der Niederländer daran gewöhnt, mit sich selbst um die Wette zu fahren, aber für die Erfolge in Serie hat auch er nur ein Wort: "Unglaublich!" Dritter am Sonntag wird sein Teamkollege Sergio Perez. Den Mexikaner als Verfolger in der WM-Tabelle zu bezeichnen, fällt allerdings einigermaßen schwer, er liegt schon 110 Punkte zurück.

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Warum entlässt Red Bull im Farmteam Alpha Tauri schon nach zehn Rennen Nyck de Vries und übergibt das Cockpit dem erfahrenen Daniel Ricciardo? Für den an der Seite von Max Verstappen schwächelnde Sergio Perez ist die Rochade eine Warnung.

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Der Traum von Lewis Hamilton, als erster Fahrer in dieser Saison einen Sieg von Red Bull Racing zu verhindern, erlischt synchron zu den Lichtern der Startampel auf dem Hungaroring. Mehr als anderthalb Jahre lang hat der Mercedes-Pilot auf eine Pole-Position warten müssen, genoss von Samstag auf Sonntag das so lange vermisste Gefühl: "Es hat sich angefühlt wie meine erste Pole überhaupt." Dabei war es die 104. seiner Karriere, und er hat sie spontan der Mercedes-Tausendschaft gewidmet, die den gestrauchelten Silberpfeil über lange Monate hinweg technisch wieder fit gemacht hatte.

Doch ausgerechnet diesmal verpennt Hamilton den Start. Zu nervös in der ungewohnt gewordenen Situation? Das Seite-an-Seite-Duell bis zur ersten Kurve mit Max Verstappen ist von Anfang an verloren, wenig später entschuldigt sich der Rekordweltmeister über Funk bei seinem Team: "Sorry, Jungs." Zurück kommt Trost: "Mach dir nichts draus, das wird ein langes, heißes Rennen." In dem es für Mercedes darum geht, wenigstens aufs Podium zu kommen. Denn neben Verstappen wird Hamilton auch von McLaren-Rookie Oscar Piastri geschluckt und kurz darauf auch von dessen Teamkollegen Norris. Endlich das Vertrauen ins Auto gefunden, und dann mit zu großem Selbstvertrauen alles wieder verdorben - am Ende wird Hamilton bloß Vierter, anderthalb Sekunden fehlen zum Podest.

Siebzig Runden bei 30 Grad Luft- und 50 Grad Asphalttemperatur, das schlaucht den Menschen und brutzelt die Gummis. Reifenflüsterer sind deshalb gefragt auf dem Hungaroring, der als Langeweile-Grand-Prix gilt, trotzdem bis 2032 im Formel-1-Kalender bleiben wird - Umbaumaßnahmen sind versprochen. Bis dahin zeigen Verstappen und sein RB19 weiter Vornewegfahrten wie am Sonntag, obwohl der Niederländer mit dem neuen Unterboden und dem veränderten Heckflügel zunächst gehadert hatte. Aber wer so einsam an der Spitze kreiselt, hat auch Zeit, sich auf neue Verhältnisse einzustellen. Am Fortbestand der Überlegenheit von Red Bull Racing gibt es ohnehin wenig Zweifel. "Wir müssen realistisch bleiben", hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff vor dem Rennen gewarnt und gehofft, "ein bisschen Spaß" zu haben. Den bereitet ihm am Sonntag am ehesten George Russell, der es von Platz 18 auf sechs schafft.

Hamilton verzweifelt, als die Konkurrenz aufholt

Verstappens Alleingänge eröffnen immer die Chance für die Kameraleute, sich ausgiebiger um den Rest des Feldes zu kümmern. McLaren scheint die Überraschung des Sommers zu sein, die Papaya-Autos sind wieder die zweite Kraft. Das runderneuerte Fahrzeugkonzept mit veränderter Hinterachse scheint zu funktionieren. Für Aston Martin, den Aufsteiger zu Saisonbeginn, geht es hingegen in Richtung hinteres Mittelfeld. Bei Ferrari häufen sich wie so oft die Diskussionen mit den Fahrern über die richtige Strategie im Rennen und auch die Pannen - erst ist der Trinkschlauch zum Helm zu kurz, dann geht der erste Boxenstopp in die Hosen. Daniel Ricciardo indes hatte sich bei seinem Comeback nach mehr als einem halben Jahr Testfahrerdasein in der Qualifikation achtbar aus der Affäre gezogen und mit Rang 13 das Qualifikationsduell gegen Yuki Tsunoda im anderen Alpha Tauri gewonnen. Im Rennen verteidigt der Australier diesen 13. Platz, einen Rang vor dem Emmericher Nico Hülkenberg im Haas-Ferrari. Ein ordentlicher Einstand.

Ricciardos Auftauchen scheint auch Sergio Perez, die ungeliebte Nummer zwei bei Red Bull Racing, aufgeweckt zu haben. Der Mexikaner hatte erneut einen katastrophalen Auftakt ins Wochenende, aber mit Ricciardos Ambitionen auf eine Beförderung in ein Top-Team ist der alte Kampfgeist zurück. Unaufhörlich klettert Perez vom enttäuschenden Startplatz neun nach oben, auch sein Rennwagen ist für das lange Rennen, nicht für eine schnelle Qualifikationsrunde abgestimmt. Vor ihm liegt schon zur Rennmitte der verzweifelte Hamilton, der seinen Ingenieur genervt fragt: "Wie kann es sein, dass uns die McLaren so davonfahren? Wo verliere ich die Zeit?" Antwort: Motor, Hitze, Geraden. Red Bull hingegen feuert Perez mit Funksprüchen an: "Fahr' die Lücke zu. Das Podium ist drin."

Der letzte Boxenstoppreigen nach zwei Dritteln der Distanz bringt die Entscheidung in den Privatduellen. Hamilton soll schneller fahren, fordert der Kommandostand, um vielleicht doch noch einen Podiumsplatz zu holen. Der Fahrer muss fast lachen: "Schneller geht es einfach nicht." Perez und Piastri sind vorbei, als sich der Brite zum letzten Mal frische Pneus holt. Ins Schwitzen oder gar in Ekstase geraten die Zuschauer selbst bei voller Konzentration nicht. Beide Alpine-Rennwagen früh ausgeschieden, beide Alfa Romeo ein Schatten ihrer Qualifikationsleistung, beide Williams ordentlich, aber chancenlos.

Als nur noch elf Runden zu fahren sind, orientiert sich der TV-Regisseur wieder nach vorn: Sergio Perez liegt nur noch drei Sekunden hinter Norris. Die Demütigung der Konkurrenz durch einen Red-Bull-Doppelerfolg aber bleibt allen erspart. Für diesmal.

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