Dallas Mavericks in der NBA:Den großen Deal erschnüffelt

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Mark Cuban wirkt nicht wie der typische Klubbesitzer, der in der Loge über die Dinge waltet: Der bisherige Besitzer der Dallas Mavericks ist mehr Fan als Funktionär. (Foto: Tony Gutierrez/AP)

Es ist ein einzigartiger Vorgang: Milliardär Mark Cuban verkauft den Großteil seines Besitzes am Basketballklub Dallas Mavericks - bleibt aber Chef des sportlichen Bereichs. Hinter dieser Rochade steckt ein Geflecht aus Politik, Entertainment und Sportvermarktung.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Vielleicht hat Mark Cuban auch einfach nur gesehen, dass es jetzt genug ist. Dass die kapitalistische Spirale im Profisport überdreht ist und es so nicht weitergehen kann. Vielleicht ist es aber auch ganz anders, Cuban hat sich - bis auf ein kurzes Statement, nun doch nicht als US-Präsident zu kandidieren - noch immer nicht ausführlich dazu geäußert, warum er ausgerechnet jetzt den Großteil seiner Anteile an der Basketball-Franchise Dallas Mavericks verkaufen will. Am Mittwoch haben die anderen Eigentümer der Profiliga NBA dem Verkauf zugestimmt; es kamen neue Details dieses Deals heraus, der einzigartig ist im US-Sport und zu der Frage führt: Wie geht es weiter mit den Mavs und der NBA?

Der Verein nimmt in den Herzen deutscher Sportfans eine besondere Rolle ein. Der Würzburger Dirk Nowitzki hat von 1998 bis 2019 dort gespielt und 2011 den Titel gewonnen. Wer Nowitzki toll fand - also so ziemlich jeder mit einem kleinen Basketballherzen -, war Mavericks-Fan. Das war auch wegen Cuban so einfach, der die Franchise 1999 für 285 Millionen Dollar gekauft hatte.

Sportlich der größte Moment der Mavs: Dirk Nowitzki stemmt 2011 die NBA-Trophäe in die Luft - sein Kumpel Mark Cuban jubelt neben ihm. (Foto: Larry W. Smith/dpa)

Vereinsbesitzer waren bis dahin in Logen zu finden, Cuban saß hinter der Ersatzbank. Er tobte und trollte, legte sich mit Schiedsrichtern an, jubelte mit den Spielern und sagte zu Liga-Angelegenheiten stets und ohne Filter zwischen Hirn und Mund seine Meinung. Er war: ein Fan, der genug Geld hatte, eine Franchise zu kaufen und so zu führen, wie es ein Fan für richtig hielt. Viele Neuerungen gerade im technischen Bereich des Spiels (wie zum Beispiel der effiziente Videobeweis in der NBA) gehen auf seine Initiativen zurück.

Cuban ist eine Koryphäe in drei Bereichen: Profisport. Entertainment. Und: Timing. Cuban gilt als Meister darin, zu erschnüffeln, wann man investieren und wann man seine Anteile abgeben muss. Also, noch einmal: Warum verkauft er jetzt?

Ein Blick in die Details hilft. Die werfen nicht nur ein Licht auf die Mavericks, sondern auf Profisport in den USA allgemein. Sie offenbaren, wie überdreht alles ist und wie die Geschwindigkeit der Spirale nicht langsamer werden dürfte. Tatsächlich handelt Cuban auch diesmal wie ein Fan; und zwar wie einer, der sich nicht um Dinge kümmern will, die im Profisport nichts mit Sport zu tun haben.

Der Deal ist ungewöhnlich, ja einzigartig. Cuban gehörten bislang drei Viertel der Anteile, der Rest einer Handvoll Minderheitseigner. Nach dem Verkauf, durch den die Mavericks mit 3,5 Milliarden Dollar bewertet werden, hält er knapp ein Viertel der Anteile. Knapp drei Viertel gehören den Familien Adelson und Dumont vom Casino-Hotel-Imperium Sands Corporation. Patrick Dumont wird als sogenannter "Governor" für die Mavs in Liga-Angelegenheiten abstimmen, die NBA ist letztlich ein Zusammenschluss der Vereinseigner - und Cuban wird als "Alternate Governor" über den sportlichen Bereich in der Franchise walten. Und zwar, so ist aus dem engen Umfeld der Mavericks zu hören, "bis in alle Ewigkeit". So etwas gibt es bei keiner anderen Franchise im US-Sport.

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Von Jürgen Schmieder

Dallas trennt also den sportlichen und den geschäftlichen Bereich, und es ist schon mal interessant, dass bei einem Klub im US-Sport der sportliche Bereich nur ein Viertel des Gesamtwerts ausmacht. In der New York Times war dazu zu lesen: "Der Verkauf liefert einen Blick auf das Geschäft mit dem Sport, das sich derzeit rasend schnell verändert. Als Cuban die Mavericks kaufte, waren Sportvereine größtenteils genau das: Sportvereine. Heute sind sie Teil viel größerer Konglomerate: Mieter von Entertainment-Komplexen, Content-Lieferant für Medien, Zentrum der Wettindustrie."

In den USA herrscht ohne Sentimentalität Gewissheit: Profisport ist Entertainment, und Entertainment ist ein Geschäft - wie in Hollywood, wo sie Kunst produzieren, aber knallhart wie Ware verkaufen. Sie tun nicht mal so, als wäre Geldverdienen notwendiger Bestandteil zur Finanzierung des Spiels. Nein, es ist völlig klar: Es geht nur darum, Geld zu verdienen. Sport ist das Produkt. Man muss das nicht mögen, aber anerkennen: Es ist ehrlich - und es hat Konsequenzen, die eben auch das Sportliche betreffen.

Es ging im Profisport mal darum, die Besten in einer bestimmten Disziplin zu ermitteln. Wenn möglichst viele Leute diesen Wettkampf interessant und spannend genug fanden, schauten sie zu und identifizierten sich mit den Athleten und Athletinnen. Sie kauften Fanartikel, Klamotten oder TV-Abos, so wurde ein Geschäft aus dem Sport. Heutzutage ist es so: Am Anfang steht das Business, und die Vermarkter müssen dafür sorgen, dass die Suche nach den vermeintlich Besten so interessant ist, dass möglichst viele Leute zuschauen und dann zu Kunden werden. Klingt wie ein winziger Unterschied, ist aber gewaltig.

Kurzer Blick ins interne Papier eines US-TV-Senders zu seinen Sport-Übertragungen, das der SZ vorliegt: Ein Kritiker bewertet die Leistung des Kommentators; es geht um Wortwahl, Sprachwitz, Kompetenz. Es geht aber auch darum, wie formidabel es dem Kommentator gelungen sei, ein höchst einseitiges Spiel zu einem möglicherweise legendären Ereignis hochzujazzen; stets unterstützt von den Kollegen aus der Statistik-Abteilung mit Einblendungen, dass es einem Team zuletzt vor 57 Jahren gelungen sei, einen Rückstand wie diesen aufzuholen. Es war nichts anderes als die permanente Aufforderung an die Zuschauer, genau dafür wird der Kommentator beinahe euphorisch gelobt vom Kritiker: dranbleiben bis zum Ende des Spiels und damit auch bis zum Versenden aller Reklamefilme in den Werbepausen.

Auch jene Beobachter sind Teil der Vermarktung, die über Sport berichten sollen

Zweite Einblendung nach den Statistiken: wie viel Geld man bekäme, würde man jetzt live auf ein Comeback wetten - mit dem Hinweis des Kommentators, dass der Verein, der gerade hinten liegt, vor der Partie favorisiert gewesen und eigentlich das bessere Team sei. Das bedeutet: Aufgabe des Kommentators ist nicht nur, das Geschehen auf dem Spielfeld einzuordnen und Zuschauer mit nützlichen Informationen zu versorgen, sondern diese Zuschauer vor den Bildschirmen zu halten und vielleicht gar zum Wetten zu animieren. Im Wissen, dass wetteifrige Leute im Vergleich zu Nichtwettern eher bis zum Ende dranbleiben. Höhere TV-Quoten bedeuten höhere Einnahmen, für alle. Aktuell nimmt die NBA an US-TV-Rechten 2,65 Milliarden Dollar pro Saison ein. Dieser Vertrag läuft 2025 aus, die Summe, die für die Zeit danach kolportiert wird: acht Milliarden Dollar pro Jahr.

Heißt: Alle haben ein Interesse daran, dass der Laden läuft - also sind auch jene Beobachter Teil der Vermarktung, die über Sport berichten sollen.

Dazu kommen die Auslandsrechte, und man kann sagen, dass Cuban auch da den richtigen Riecher hatte. Er hatte Nowitzki, und am Ende von dessen Karriere holte er den nächsten Europäer: den Slowenen Luka Doncic. Etwa ein Viertel aller NBA-Profis sind Ausländer, seit 2018 wurden nur Nichtamerikaner zum wertvollsten Spieler einer Saison gewählt: Giannis Antetokounmpo (Griechenland, 2019/20), Nikola Jokic (Serbien, 2021/22) und Joel Embiid (Kamerun, 2023). Es ist wie beim Brettspiel "Risiko": noch ein Land, noch ein Territorium. Mehr, immer mehr.

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Vielleicht ist Hochjazzen das richtige Wort dafür, und es gibt weitere Symptome, etwa dieses neue Mini-Turnier inmitten der regulären NBA-Saison. Vereinfacht ausgedrückt hatte man sich an den Pokalwettbewerben im europäischen Sport orientiert, aber weil die Liga - auch wegen des Tarifvertrags - nicht mehr Spiele ansetzen kann, wurden Partien der regulären Saison zu "In-Season-Spielen" aufgeblasen; das Finale in Las Vegas gewannen die Los Angeles Lakers gegen die Indiana Pacers. Das Turnier ist sportlich völlig irrelevant. Was es gab: 500 000 Dollar für die Spieler des Siegers, eine Trophäe (die Lakers hängen tatsächlich ein Banner unters Hallendach), individuelle Auszeichnungen (LeBron James wurde MVP) und natürlich spezielle "City Edition"-Trikots, die Fans kaufen sollten, für 119 Dollar pro Stück.

Genau so muss man den Verkauf der Mavericks bewerten und die Zukunft einschätzen: Selbst der Milliardär Cuban braucht Hilfe, damit seine Mavs in diesem überdrehten US-Sport konkurrenzfähig bleiben. Der Verein teilt sich derzeit eine Halle mit der Eishockey-Franchise Dallas Stars. Cuban aber möchte: ein eigenes Stadion mit Hotel und Casino. Wie gut, dass die Käuferfamilien genau darauf spezialisiert ist, siehe firmeneigene Hotel-Casino-Komplexe in Las Vegas, Singapur und Macao. Und wie gut, dass Miriam Adelson nicht nur eine der reichsten Personen der Welt ist - ihr Vermögen wird auf 33 Milliarden Dollar geschätzt -, sondern auch eine politisch einflussreiche. Sie und ihr verstorbener Ehemann Sheldon sollen bislang insgesamt 500 Millionen Dollar gespendet haben, fast ausschließlich an Republikaner; Greg Abbott, Gouverneur von Texas, ist ein enger Freund der Adelsons. Was es für ein florierendes Casino-Hotel in Dallas braucht: Legalisierung von Sportwetten - da passt es, dass der Gouverneur bereits ankündigte, Sportwetten nur für "eine Form von Entertainment" zu halten, er selbst werde einen Gesetzesentwurf nicht per Veto überstimmen.

Wie es also mit den Mavericks weitergeht nach diesem Deal? Mark Cuban hat perfekte Partner gefunden, die Franchise finanziell und politisch für die Zukunft im überdrehten US-Sport aufzustellen. Er selbst darf dadurch sein, was er immer sein wollte und weswegen er beliebt und auch erfolgreich ist als NBA-Klubeigentümer: ein Fan, der genug Geld hat, eine Franchise so zu führen, wie es ein Fan für richtig hält. Für die Anhänger der Mavs ist das eine gute Nachricht.

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