Mario Götze glänzt gegen Brasilien:Junge, geh mal aus dir raus!

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Mario Götze! Mario Götze! Mario Götze! Nach dem 3:2 gegen Brasilien muss der erst 19-jährige Dortmunder den öffentlichen Jubelsturm über seine Leistung ertragen. Damit geht er irritierend gelassen um - und bewirbt sich ebenso wie André Schürrle nachhaltig um einen Stammplatz im DFB-Team. Dies könnte sich letztlich zu Lasten eines langjährigen Leistungsträgers auswirken.

Stuttgart

Für einen kurzen Moment vergaß Mario Götze dann doch seine jugendliche Abgeklärtheit. Gerade hatte er Brasiliens Torwart Julio César formschön umkurvt und mit einem überlegten Schuss zum 2:0 für Deutschland vollendet, als er die Hände vor's Gesicht schlug. Kein einstudierter Jubel, kein strahlendes Lächeln für die Kamera, es war soweit: Mario Götze musste sich kurz sammeln. Ein Tor gegen Brasilien, im ersten Länderspiel von Beginn an - das war dann doch ein wenig zu viel.

Neue Kräfte: Mario Götze (re.) und André Schürrle (Mitte) könnten in der Nationalelf eine große Zukunft haben. (Foto: dapd)

Später dann, bei der Pressekonferenz, war schon wieder alles anders. Da wollte man Götze zurufen: Freu' dich mal richtig! Junge, geh' mal aus dir raus! Doch Götze war schon wieder im Profi-Modus. Er lächelte besonnen und sagte berufsnüchterne Sätze wie: "Ich habe heute jeden Moment genossen." Oder auch: "Die Mannschaft hat gut gespielt und mir auch sehr geholfen." Ein Wort zur eigenen Leistung? "Ich wusste, dass ich von Anfang an spielen darf. Diese Chance wollte ich unbedingt nutzen."

Wie verflucht abgeklärt kann man mit 19 Jahren sein? Dabei hätte Mario Götze aus Memmingen im Allgäu gute Gründe gehabt, kurz auszuflippen. Er hatte vehement dazu beigetragen, dass Deutschland den fünffachen Weltmeister nach 18 Jahren endlich wieder besiegen konnte. Götze verordnete dem deutschen Spiel eine neue Schnelligkeit und kurze Ballkontakte, gar eine auffällig südländische Note - anders etwa als die Kollegen Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger, die in München wohl doch ein wenig zu lange unter Louis van Gaal trainiert haben und das bedachte, kontrollierte Spiel bevorzugen.

Gegen Brasilien war Götze an jeder Chance beteiligt und stieg in seinem ersten Länderspiel von Beginn an zur prägenden Figur auf: Er gab den Pass, der zu Schweinsteigers Elfmeter führte, schoss das 2:0 selbst, leitete auch das dritte Tor durch Schürrle klug ein. Und das mit 19 Jahren. Eindrucksvoller geht es kaum.

Nun wäre es leicht, Götzes Leistung als temporäre Erscheinung abzutun. Als Wunderwerk eines halben Kindes, das sicherlich bald auch schlechtere Tage erlebt. Allein es fällt schwer, daran zu glauben: Götze geht in seine zweite Profisaison. In der ersten wurde er mit Borussia Dortmund Deutscher Meister, in der zweiten scheint er noch stärker zu sein. Gegen Götzes offensive Eleganz fiel am Mittwochabend selbst ein Spieler wie Thomas Müller ab, der in den vergangenen beiden Jahren für fast alles stand, was im deutschen Angriff mit Dynamik und Schnelligkeit zu tun hatte.

Selbst Bundestrainer Löw, der die Euphorie um seine Nachwuchsleute ansonsten gern dämpft, kam um gewaltiges Lob nicht herum. "Mario hat außergewöhnliche Orientierungsmöglichkeiten", sagte Löw über Götzes Mittelfeldspiel: "Er findet immer Lösungen. Es sind die einfachen Dinge, die ihn so stark machen."

Einzelkritik der Nationalelf
:Führungsspieler mit feinen Füßchen

Mario Götze spielt beim 3:2 gegen die Seleção brasilianischer als manch Brasilianer, Manuel Neuer wird überraschend herabgestuft, obwohl er chancenlos ist und Bastian Schweinsteiger agiert als geheimniskrämerischer Leitwolf, der dem Gegner erst auf dem Platz seine Künste vorführt. Die deutsche Elf in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Stuttgart

Auch vom Gästetrainer aus Brasilien gab es eindeutig anerkennende Worte. "Deutschland hat Topniveau, das ermöglicht ihnen, junge Spieler einzubauen'", sagte Mano Menezes neidisch. Und er erklärte speziell zu Götze: "Er hat sehr, sehr hohe Qualität. Er hat die Zukunft vor sich."

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Mario Götze spielt beim 3:2 gegen die Seleção brasilianischer als manch Brasilianer, Manuel Neuer wird überraschend herabgestuft, obwohl er chancenlos ist und Bastian Schweinsteiger agiert als geheimniskrämerischer Leitwolf, der dem Gegner erst auf dem Platz seine Künste vorführt. Die deutsche Elf in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Stuttgart

Nicht nur offensiv überzeugte Götze, vor allem auch defensiv. Typisch dortmunderisch begann er sein Pressing schon am Strafraum der Brasilianer; gerade von Mesut Özil, den Götze an diesem Abend gewissermaßen vertrat, hatte man dies in den vergangenen Jahren höchst selten gesehen. "Mario hat seine Sache gut gemacht, man weiß ja, welche Fähigkeiten er hat", lobte auch Schweinsteiger. Götze selbst sagte nur: "Vor dem Spiel war ich aufgeregt. Im Spiel dann nicht mehr." So einfach ist das bei ihm.

Die gute Leistung eines anderen Deutschen ging dabei fast ein wenig unter: die von André Schürrle. Der Neu-Leverkusener wurde zwar erst zur Halbzeit eingewechselt, versprühte jedoch binnen Minuten mehr Spielfreude als Lukas Podolski zuvor in einer ganzen Halbzeit. Schürrle wechselte mit Müller ständig die Positionen; die Brasilianer kamen kaum hinterher. Als Schürrle nach 81 Minuten mal wieder über rechts kam, versenkte er einen Schweinsteiger-Pass brachial zum 3:1.

Für Löw sind die Leistungen von Götze und Schürrle ein eindeutiges Zeichen, dass er auf beide auch gegen große Gegner setzen kann. Die Diskussion, ob sich vor allem Götze nicht nachhaltig um den Stammplatz von Mesut Özil beworben hat, moderierte Löw jedoch gleich wieder ab. "Es sind Variationsmöglichkeiten, das finde ich gut", sagte Löw über seine luxuriöse Situation. Es sei schließlich "durchaus denkbar, dass beide zusammen spielen". Dies wäre die Variante wie gegen Brasilien: Mit Schweinsteiger als einzigem Sechser, davor mit fünf offensiveren Kräften.

Klar ist aber auch: Die Plätze in Löws offensiver Formation sind begrenzt. Sucht der Bundestrainer Gestaltungsmöglichkeiten für Götze oder Schürrle, muss dies auf Kosten arrivierter Größen gehen. Mesut Özil und Thomas Müller haben einen großen Bonus, dazu braucht Löw Spielertypen wie Kroos oder Khedira, die sich je nach Spielsituation auch verstärkt um Abwehrarbeit kümmern können.

Streichkandidat Nummer eins wäre demnach wohl Lukas Podolski.

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