Manchester City:Guardiola verliert schon die Contenance

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Auf die Tribüne verbannt: Nach drei gelben Karten darf Pep Guardiola gegen Wolverhampton nicht auf die Trainerbank. (Foto: Michael Regan/Getty Images)

Erster Titel weg, zwei Niederlagen in Serie, der Trainer gelbgesperrt: Triple-Sieger ManCity erlebt einen holprigen Start in die Saison. Pep Guardiola wirkt nervös und unausgeglichen - und ärgert sich vor allem über die neue Erwartungshaltung.

Von Sven Haist, London

In dieser Saison hat Pep Guardiola beinahe so viele Ligaspiele von Manchester City verpasst, wie er am Spielfeldrand gecoacht hat. Nach sieben Premier-League-Spieltagen kommt er auf eine kuriose Statistik: Vier Matches hat er absolviert, drei versäumt. Zweimal fehlte Guardiola verletzt - er musste sich wegen Rückenbeschwerden überraschend operieren lassen -, und die dritte Partie entging ihm am Samstag bei Citys erster Saisonniederlage in der Premier League gegen die Wolverhampton Wanderers: wegen einer Gelbsperre.

In drei seiner vier Einsätze an der Seitenlinie hatte der Katalane zuvor eine Verwarnung erhalten, immerzu hatte er sich zu vehement über die Schiedsrichterleistung beklagt. Und weil die Premier League vor Saisonstart die Schwelle für Spielstrafen bei den Trainern von fünf auf drei gelbe Karten heruntergesetzt hatte, um die Referees vor dem Ärger der Coaches zu schützen, wurde Guardiola als zweiter Vertreter seiner Zunft - nach Fulhams Marco Silva (drei Gelbe in drei Spielen) - auf die Tribüne versetzt.

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Guardiolas Reaktion auf die Erziehungsmaßnahme war weitaus unterhaltsamer als die bis hierhin nüchternen Darbietungen seines Teams. So kokettierte der 52-Jährige, dass er schon zu seiner aktiven Zeit trotz seiner Schmächtigkeit der wohl am meisten sanktionierte Spieler war - weil er immer rede, wenn ihm eine Entscheidung missfalle. Als Fazit seines Tribünenbesuchs kündigte er zumindest an, sich in Zukunft mehr zurückzuhalten.

Dass der derzeit ungewohnt unausgeglichen wirkende Guardiola zuletzt immer wieder mal die Contenance verlor, schien sich auch auf seine Elf zu übertragen. Die historischen Triple-Sieger aus der Vorsaison verloren manchmal die Kontrolle, Schlüsselspieler Rodri zuletzt sogar die Beherrschung. Er ließ sich gegen Nottingham vor anderthalb Wochen zu einer Tätlichkeit hinreißen, die ihm eine Drei-Spiele-Sperre für die nationalen Wettbewerbe einbrachte. Es war sein erster Platzverweis überhaupt in rund 400 Profispielen. Guardiola zürnte, er habe seine Elf in der Halbzeitpause extra vor solchen Aktionen gewarnt. Er selbst könne sich eine Gelbe leisten, weil er nicht auf dem Platz stehe - aber nicht die Spieler. Diese sollten gefälligst "vorsichtig" sein.

Der Spanier Rodri ist aktuell der Schlüsselspieler des Teams

Ohne den Mittelfeldstrategen Rodri schied City prompt im League Cup in Newcastle aus und kassierte anschließend gegen Wolverhampton die nächste Pleite. Auch im Topspiel beim FC Arsenal am Sonntag ist Rodri nicht spielberechtigt. Immerhin steht der Spanier international für das Champions-League-Auswärtsmatch bei RB Leipzig am Mittwoch (21 Uhr, Dazn) zur Verfügung.

Doch das lange Zeit immerzu funktionierende City-Mittelfeld ordnet sich gerade neu. Gegen Wolverhampton stand kein einziger Zentrumsspieler aus der langjährigen Erfolgself auf dem Platz. Zunächst hatte City im Sommer Kapitän Ilkay Gündogan ablösefrei zum FC Barcelona ziehen lassen müssen. Dann verletzte sich Spielgestalter Kevin De Bruyne zu Saisonbeginn schwer am Oberschenkel. Er wird voraussichtlich noch eine Weile ausfallen. Zudem laborieren Offensivallrounder Bernardo Silva und der oft ins Mittelfeld aufrückende Verteidiger John Stones an kleineren Blessuren, beide sind auch für das Leipzig-Duell fraglich. So blieb bis zu seinem Ausraster einzig Rodri übrig. Der 27-Jährige ist momentan derjenige, auf den das Team sportlich am wenigsten verzichten kann.

Schon wieder Gelb: Die Premier League hat vor der Saison die Regeln verschärft. Verwarnungen werden nun schneller ausgesprochen - auch gegen Trainer. (Foto: Oli Scarff/AFP)

Als Verstärkungen verpflichtete City kürzlich zwei neue Spieler für diesen Mannschaftsteil: Mateo Kovacic (FC Chelsea) und Matheus Nunes (Wolverhampton). Dazu kamen Außenbahndribbler Jérémy Doku (Stade Rennes) und Verteidiger Josko Gvardiol aus Leipzig. Die Gesamteinkaufsumme betrug wieder einmal eine Viertelmilliarde Euro. Trotz der kurzen Eingewöhnungsphase werden die Zugänge schon jetzt dringend benötigt, viel früher, als das bei City eigentlich der Fall ist. Während sich Gvardiol als solider Linksverteidiger etabliert hat, mangelt es den anderen noch an Abstimmung mit den Kollegen.

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Dies liegt auch daran, dass sie mit ihren spezifischen Fähigkeiten die Spielweise der Mannschaft auf Geheiß des Trainers verändert haben. Statt ausgewiesenen Passspezialisten wie früher Gündogan setzt Guardiola in dieser Saison mehr auf Dribbler. Den neuen Stil verkörpern die meist hinter Angreifer Erling Haaland eingesetzten Phil Foden und Julián Álvarez sowie die Zugänge Kovacic, Nunes und Doku. Kürzlich drückte Guardiola seine Zufriedenheit mit der angepassten Vorgehensweise aus, gestand aber auch, dass er bei Ballverlusten durchaus manchmal denke: "Ah, der zusätzliche Pass (fehlt)."

Die Erwartungshaltung ist mit dem Triple nochmal gestiegen

Die Neuausrichtung der Mannschaft fällt indes mit einer kleinen Sinnsuche im Klub zusammen. Seitdem City von der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi 2008 alimentiert wurde, war der Klub auf den ersten Champions-League-Sieg getrimmt worden. Nach dem Erreichen dieses Ziels geht es nun darum, die historischen Erfolge mindestens zu wiederholen oder sogar noch zu steigern. Durch das League-Cup-Aus ist ein in England noch unerreichtes Pokal-Quartett in dieser Saison nicht mehr möglich. Auf die Frage danach echauffierte sich Guardiola, er wäre auch mit der Einstellung des Vorjahreserfolgs "zufrieden". Seine Erwartungen seien zwar hoch, aber auch nicht so vermessen, dass er drei Titel nicht mehr wertschätzen würde.

Die mangelnde Leichtigkeit kann sich Manchester City gegenwärtig leisten, weil die Abwehr ähnlich stabil steht wie am Ende der Vorsaison. City führt die Tabelle der Premier League nach Punkten und mit den wenigsten Gegentoren an. Dies sollte auch Guardiola der Beruhigung dienen. Denn bei acht gelben Karten droht ihm eine Zwei-Spiele-Sperre in England. Bei 16 Verwarnungen käme es zu einer persönlichen Anhörung.

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