FC Arsenal:Wenn Guardiola töten würde

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ManCity-Angreifer Erling Haaland (blaues Trikot) im Zweikampf mit William Saliba. (Foto: Justin Setterfield/Getty Images)

Alle Mann zurück: Die Defensivkunst des FC Arsenal lässt nicht nur Manchester City im Spitzenspiel der Premier League verzweifeln. Sie ist zugleich eine Warnung an den FC Bayern fürs Champions-League-Viertelfinale.

Von Sven Haist, Manchester

Der FC Arsenal gehört zu den Lieblingsgegnern des FC Bayern in der Champions League. In allen K.o.-Duellen setzten sich die Münchner durch, auch in der Gruppenphase gab es meist Siege. Die vergangenen drei Vergleiche gewann der deutsche Rekordmeister sogar jeweils 5:1. Doch im anstehenden Viertelfinale (9./17. April) dürfte ein erneuter Sieg in dieser Höhe eher unwahrscheinlich sein. Denn der FC Arsenal ist inzwischen extrem defensivstark. In diesem Kalenderjahr kassierte der Klub in zwölf Spielen nur sieben Tore, in der Premier League hat er die beste Abwehr - und am Sonntag bestätigte er das im Spitzenspiel bei Manchester City eindrucksvoll, mit einem 0:0.

Arsenals Trainer Mikel Arteta schien dabei bereit zu sein, für ein Spiel ohne Gegentor sogar einen möglichen eigenen Erfolg zu opfern. Seine Equipe zog sich durchgehend an den eigenen Strafraum zurück und stoppte bei jeder Gelegenheit den Spielfluss. Am Ende hatte City 72 Prozent Ballbesitz - ein Wert, auf den selbst Manchester sonst fast nur gegen Abstiegskandidaten kommt. Zum ersten Mal nach 57 Heimspielen blieb das Team torlos.

Auf die Nachfrage, wie einer solchen hartnäckigen Verteidigung beizukommen sei, witzelte City-Trainer Pep Guardiola in der Pressekonferenz: "Irgendeinen töten!" Schon in der Hinrunde gelang City gegen Arsenal kein Tor, auch weil Arteta als ehemaliger Guardiola-Assistent kein anderes Team besser zu analysieren vermag als City. Er hat bei Arsenal zuletzt zwei Mittelfeld-Formationen etabliert, die je nach Spielstand zum Einsatz kommen. In der offensiven Option agieren Abräumer Declan Rice, Spielmacher Martin Ödegaard und Offensivallrounder Kai Havertz zusammen; in der defensiven rückt der DFB-Nationalspieler in den Sturm vor und Jorginho verstärkt für ihn das Zentrum. Gegen City wählte Arteta selbstverständlich letztere Variante. So wirkte das Match bisweilen wie Einbahnstraßenfußball, der für City ohne echte Torchance in eine Sackgasse führte.

Der Profiteur des 0:0 ist der FC Liverpool

An diesem stockenden Angriffsverkehr, der die verwöhnten City-Fans schon in der ersten Halbzeit ungeduldig werden ließ, hatte wohl nur Jürgen Klopp seinen Spaß. Der Trainer des FC Liverpool witzelte vorab, er würde am liebsten "beide Klubs verlieren" sehen - die ereignislose Nullnummer dürfte diesem Wunsch recht nahe gekommen sein. Durch die Punkteteilung der Rivalen ist Liverpool im Titel-Dreikampf der neue Spitzenreiter und kann aus eigener Kraft Meister werden - zum dann 20. Mal in der Vereinshistorie.

Den möglichen Verlust der Tabellenführung schien Arteta bei der Wahl der taktischen Ausrichtung eingepreist zu haben. Er gilt als feiner Taktiker, aber nicht als Idealist. Zwar bevorzugt er grundsätzlich einen auf Spielkontrolle durch Ballbesitz ausgerichteten Stil, er ist aber bereit, sich dem Gegner anzupassen. Arteta und sein Team gleichen einem Chamäleon, das die Herangehensweise von Spiel zu Spiel ändern kann.

Um die Widerstandsfähigkeit der Equipe zu erhöhen, die in der vergangenen Saison trotz langer Tabellenführung den Ligatitel knapp verpasst hatte, hat sich Arsenal im Sommer für rund eine Viertelmilliarde Euro verstärkt. Im Fokus: international aufstrebende und dennoch renommierte Profis wie Havertz oder Rice, der teuerste Einkauf der Klubgeschichte. Zum Zeitpunkt des Wechsels waren beide 24 Jahre alt, sie stehen beispielhaft für den gesamten Kader, in dem fast alle Profis zwischen 22 und 26 sind.

Die Abstimmung des Teams beim Attackieren des gegnerischen Spielaufbaus ist herausragend

Diese Altersstruktur ist die Grundlage für die Geschlossenheit der Mannschaft. Sie verfügt über viele Spitzenprofis, aber keinen Ausnahmekönner. Die meisten Spieler warten noch auf ihren ersten großen Titel und sind auch deswegen bereit, sich dem Teamgedanken weitgehend unterzuordnen. Diese Haltung fasste Havertz nach dem City-Spiel prägnant zusammen. Obwohl er als Stürmer bisweilen mehr in der Abwehr als im Angriff eingebunden war, habe er seine Rolle zu "1000 Prozent akzeptiert". Man müsse "für die Mannschaft ackern", betonte er. Die Abstimmung des Teams beim Attackieren des gegnerischen Spielaufbaus ist derzeit fast beispiellos in Europa.

Allerdings trifft Arteta im Duell mit den Bayern in Person von Thomas Tuchel auf einen Trainer, der wichtige Spiele häufig ähnlich flexibel und pragmatisch angeht wie er. Dies macht die Vorbereitung wesentlich komplizierter als gegen Mannschaften, deren Spielweise sich nur in Nuancen verändert. In den direkten Vergleichen mit City und Liverpool gewann der FC Arsenal jeweils das Heimspiel und erzielte auswärts ein Remis. Diese Ergebnisse würden gegen den FC Bayern zum Weiterkommen reichen.

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