Für Joachim Löw war die neueste Nachricht vom Transfermarkt womöglich nicht nur erfreulich. Wenn es eines Tages auch für den Bundestrainer wieder erlaubt sein wird, sich Spiele auf der Tribüne anzusehen, dann gibt es nun einen Grund weniger, sein Lieblingsstadion nahe seiner Heimat zu besuchen: Luca Waldschmidt, dreimaliger Nationalspieler, wird nicht mehr für den SC Freiburg auflaufen. Allerdings darf man davon ausgehen, dass der Stürmer sich mit seinem Wechsel zu Benfica Lissabon nicht aus Löws Blickfeld entfernen wollte. Vielmehr geht es ihm darum, noch sichtbarer zu sein. Die Frage ist nun, ob der Plan aufgeht.
Auf einer derart opulenten, nur für ihn bereiteten Bühne wie bei seiner offiziellen Vorstellung am Freitag stand der 24-Jährige jedenfalls bislang noch nicht. "Bem-vindo/Herzlich Willkommen Waldschmidt", stand auf der Wand hinter ihm. Auf einem Bild war er schon mal vorsorglich ins Trikot des 37-maligen portugiesischen Meisters retuschiert worden, der für ihn 15 Millionen Euro Ablöse bezahlt. Waldschmidt wird die Nummer zehn tragen, sein Vertrag gilt für fünf Jahre und beinhaltet eine Ausstiegsklausel für die festgeschriebene Ablösesumme von sage und schreibe 88 Millionen Euro - alle Zahlen nach eigenen Angaben des börsennotierten Klubs.
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Es ist rund ein Jahr her, da musste Waldschmidt überhaupt erst mal erklären, wie aus ihm, dem Talent, mit für die schnelllebige Branche untypischer Verspätung ein erfolgreicher Profi geworden war. Nachdem er jede Nachwuchsauswahl des DFB durchlaufen hatte, haben einige Fans seinen Namen vielleicht trotzdem zum ersten Mal erst während der U21-EM 2019 in Italien gehört. Waldschmidt beendete das Turnier als Torschützenkönig und mit dem von der Gazzetta dello Sport verliehenen Spitznamen "il bomber", der seine Spielweise als kreativer, ins Mittelfeld zurückfallender Stürmer zwar nur unzureichend beschrieb, aber als Lob gemeint war. Vom Interesse von Topteams war die Rede.
"Wir sehen es als Auszeichnung unserer Arbeit an, wenn Spieler diese Entwicklung bei uns nehmen", heißt es aus Freiburg
Doch Waldschmidts Erklärung, wie es dazu kam, hatte viel mit dem beschaulichen Freiburg zu tun, wohin er vom Hamburger SV 2018 gewechselt war, wo ihm Trainer Christian Streich vertraute und wo er 2018/2019 seine erste konstante Bundesligasaison mit 30 Spielen und neun Toren absolvierte. Und so blieb er im vergangenen Sommer im Breisgau. Nun ließ er sich zum Abschied mit den Worten zitieren: "Ich habe mir die Entscheidung zu gehen wirklich nicht leicht gemacht, weil ich weiß, was ich am SC Freiburg hatte." Und Freiburgs Sportdirektor Klemens Hartenbach sagte: "Wir sehen es als Auszeichnung unserer Arbeit an, wenn Spieler diese Entwicklung bei uns nehmen. Gleichzeitig schwingt natürlich Wehmut mit, weil uns der Abschied sowohl sportlich als auch persönlich sehr schwer fällt." Neben dem Weggang von Waldschmidt steht wohl auch noch der finanziell ähnlich lukrative Abschied von Verteidiger Robin Koch an, ebenfalls Nationalspieler. Schon weg ist Torwart Alexander Schwolow, der ein Angebot von Hertha BSC angenommen und Freiburg eine Ablöse von acht Millionen Euro eingebracht hat.
Waldschmidt debütierte im Oktober 2019 für die A-Nationalelf, spielte trotz einer Knieverletzung und Formschwankungen noch mal eine ordentliche Saison, schoss sieben Tore. Deshalb sah er nun den Zeitpunkt für den Wechsel gekommen zu einem Klub, der in der Champions League spielt, der für Offensivfußball steht, auch für die Entwicklung von Spielern. Der Transfer des Portugiesen João Félix zu Atlético Madrid für ebenfalls vertraglich fixierte 126 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2019 ist das prominenteste Beispiel. In Julian Weigl spielt schon ein Deutscher in Lissabon, mit Waldschmidt wurden nun der Belgier Jan Vertonghen von Tottenham Hotspur und Everton von Grêmio Porto Alegre als weitere Zugänge vorgestellt. Letzterer, ein brasilianischer Flügelspieler, besitzt eine Ausstiegsklausel für ein Angebot in Höhe von 150 Millionen Euro.
Andererseits gilt die portugiesische Liga zumindest in Deutschland nicht als eine der absoluten Top-Ligen. Der Kader von Benfica ist mit derzeit 40 Spielern riesig, das Umfeld wohl der größtmögliche Unterschied zu Freiburg. Ohne die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wäre womöglich auch noch ein Angebot aus der Bundesliga als Alternative aufgekommen. Den "nächsten Schritt", wie es im Fußball gerne heißt, nannte Waldschmidt seinen Transfer auf der Bühne vor den Journalisten in Lissabon. Der herkömmliche nächste Karriere-Schritt ist es aber nicht unbedingt.
Doch es ist, natürlich neben einem finanziell lukrativen Vertrag, wohl auch das Neue, das Waldschmidt reizt; das Gefühl, Teil von großem Fußball zu sein. Bei seiner Präsentation saß Rui Costa in der ersten Reihe, der frühere portugiesische Nationalspieler, der nun Sportlicher Leiter ist. Er soll sich besonders um Waldschmidt bemüht haben. Er, Rui Costa, trug bei Benfica einst auch die Zehn.