Fußball-WM:Der Bundestrainer läuft Gefahr, als Lame Löw zu enden

  • Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Russland arbeitet der DFB das schlechteste Abschneiden seiner Geschichte auf.
  • Ein Abstieg bei der Nations League im Herbst könnte schon das Ende für Joachim Löw als Bundestrainer bedeuten.
  • Viel deutet darauf hin, dass Löw sein Team vor dem ersten Spiel im September gegen Weltmeister Frankreich noch einmal verknappt.

Von Moritz Kielbassa, Christof Kneer und Philipp Selldorf

Deutschland hatte sich an diese Bilder längst gewöhnt: Jogi Löw mit Boxershort und Sonnenbrille, Löw mit Sonnenbrille und Boxershort. Wie Angelas Merkels Urlaubsbilder mit Wanderstock aus Südtirol, so gehörten Löws Urlaubsbilder aus Sardinien stets zur Sommerlektüre der Deutschen. In Zeitungen mit großen Buchstaben gab es dazu kurze Bildzeilen wie "unser cooler Bundesjogi", manchmal war er auch nicht cool, sondern lässig.

Und diesen Sommer plötzlich das: ein immer noch lässiger Jogi, der immer noch sein beachtlich enges T-Shirt von der WM trägt - aber im Hintergrund, sehr deutlich: kein Meer. Stattdessen: ein Parkplatz in Frankfurt, daneben Dienstautos. Löw mit Handy und Aktentasche, ohne Sonnenbrille, und im Begleittext ein Zitat des DFB-Pressesprechers: "Mitten in der Arbeit" sei Löw samt Trainerstab und Manager Oliver Bierhoff, es sei "nicht das erste und nicht das letzte Treffen". Aber was genau wird analysiert, was geht vor im Bundestrainerkopf nach dem WM-K.o?

Die Macht der Bilder

Es geht der Nationalmannschaft nicht gut, wenn es solche Bilder braucht. Die Fans sind vom Glauben abgefallen bei der WM in Russland, sie konnten die Mannschaft nach dem Vorrunden-Aus nicht mehr sehen, selbst diesen netten Bundesjogi wollen die Menschen laut Umfragen mehrheitlich nicht mehr. Das Gefühl der Zuschauer war: zu bequem der ganze Laden, luxusverwahrlost. Deshalb muss der DFB seinen Jogi jetzt als harten Arbeiter inszenieren, wenn auch immer noch im lässigen Outfit.

Was derlei Offensiven anbetrifft, sind sie beim DFB ohnehin in der Bringschuld: Präsident Reinhard Grindel hat den Verband vor der WM ohne Not in die Defensive gebracht, indem er dem eh bis 2020 gebundenen Coach einen neuen Vertrag bis 2022 aufdrängte. Ein populistischer Akt, der den Verband bereits teuer zu stehen kam, weil somit das naheliegendste Instrument nach der verpatzten WM nicht benutzt werden konnte: Den Trainer konnte man schwer entlassen, ohne unglaubwürdig zu werden - und eine hohe Abfindung zu zahlen. So versucht der Verband nun demonstrativ Stärke zu zeigen: Die DFB-Spitze hatte Löw bereits auf dem Heimflug aus Moskau erklärt, dass er diesmal zügig seine Zukunft klären muss - und nicht erst ein paar Wochen abtauchen kann in einem sardischen Schneckenhaus oder einer Düne auf Sylt, wie nach der bitter beendeten EM 2012. Und dass es diesmal dringend Arbeits- statt Urlaubsbilder braucht.

Trainer-Dino im Abstiegskampf

Tatsächlich weist ein Blick auf Löws Terminkalender auf ungeahnte Dramatik hin: Am 6. September empfängt die DFB-Elf in München Frankreich, und die Fallhöhe der Veranstaltung ergibt sich nicht nur daraus, dass hier der entthronte gegen den frisch gekürten Weltmeister spielen wird. Die Tücke steckt im Format: Die neu gegründete Nations League, in der Branche bislang belächelt oder ignoriert, setzt Löw sofort unter Erfolgs- und Lieferdruck. Der neue Uefa-Wettbewerb wird mit 55 Teilnehmern in vier Ligen ausgespielt, die Deutschen wurden in der höchsten Division in einen Dreierpool mit Frankreich und Holland gelost. Und wer nach Hin- und Rückspielen Letzter ist, steigt ab in die Division B - angesichts der beiden Gegner ein nicht komplett abwegiges Szenario.

"Abstieg", das ist ein großes, schweres Wort, es klingt eher nach HSV als nach Nationalelf. Es klingt so groß und schwer wie "WM-Vorrunden-Aus" - und beim DFB sind sie der Meinung, dass zwei Misserfolge dieser Art innerhalb so kurzer Zeit des Schlechten zu viel wären. Ein Abstieg in die Division B würde Löw im November wohl doch den Job kosten, in diesem Fall sei Löw "nicht mehr zu halten", hört man aus unterschiedlichen Verbandsquellen - zu belastet wäre der Ex-Weltmeistertrainer, um mit ihm als Lame Löw in die Qualifikation zur EM 2020 zu ziehen. Löw kennt diesen Notfallplan, er weiß, dass er im Herbst nicht weiter patzen darf - was dazu führen dürfte, dass er mit gestrafftem Körper und Geist die nächsten Wochen angeht.

Denn Trotz als Motor hat sich bei Löw bewährt: Als er nach dem vercoachten Halbfinale der EM 2012 heftig in der Kritik stand, fühlte er sich so provoziert, dass er bei der WM 2014 in Brasilien seine klarste, pragmatischste und bisher beste Trainerleistung abgerufen hat - Titel inklusive.

"Tief greifende Maßnahmen"

Löw weiß: Ein "Weiter so" geht nicht. Aber wie und wo muss renoviert werden? Punkt eins: den Staff verschlanken! Beim Scouting stellte sich in Russland heraus: Zu viele Späher verderben den Matchplan! Als Auftaktgegner Mexiko auf Defensive und Konter setzte und nicht, wie von Löws Spionen erwartet, auf frühes Pressen, fanden weder der Trainer noch seine Spieler taktische Antworten. Generell, sagen Insider, sei Löw genervt, wenn ihm, wie in Russland, von zu vielen Leuten kakofonisch zu viel eingeflüstert werde: "Das mag der Jogi gar nicht!" Dass sein Schweizer Vertrauter Urs Siegenthaler, der Guru unter den DFB-Scouts, weiter mitmischen darf, ist zum Beispiel eher unwahrscheinlich. Auch im Trainerstab sind Veränderungen nicht ausgeschlossen.

Bierhoff hingegen bleibt für Löw der wichtigste Partner, das hat der Trainer beim ersten Analyse-Treffen mit der DFB-Spitze klar bekundet. Die Wahl des WM-Quartiers Watutinki, das der Strandpromenadenfan Löw in jedem Katalog überblättert hätte, hat das Verhältnis des Duos nicht nachhaltig belastet. Als denkbar gilt, dass der nun auch für Großprojekte wie den neuen Campus in Frankfurt zuständige DFB-Direktor Bierhoff sich für die Arbeit im A-Team noch einen Sportfachmann an die Seite holt. Löws früherer Weltmeister-Assistent Hansi Flick wäre frei und für vieles offen, der DFB favorisiert diese Personalie aber offenbar nicht, weil Flicks Abschied als Sportdirektor des Verbandes nicht allerherzlichst ablief. Aber generell belässt das DFB-Präsidium die Hoheit über Personalentscheidungen der A-Elf bei Löw und Bierhoff. Wen sie wollen, den würden sie kriegen - auch Flick, den sich Löw auch als Rückkehrer für den Trainerstab vorstellen könnte.

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