Gennaro Gattuso bei Olympique Marseille:Ein Knurrer für das Vélodrome

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Harter Hund in rustikaler Hafenstadt: Gennaro Gattuso versucht sich als Marseille-Coach. (Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Der alte Trainer von Olympique Marseille hat sich über die Aggression der Fans beschwert, nun soll Gennaro Gattuso die rebellierenden Anhänger befrieden. Das richtige Profil für die rustikale Hafenstadt könnte er mitbringen.

Von Stefan Galler

Nun soll es also der Knurrer richten: Ringhio, wie man Gennaro Gattuso in Italien ein bisschen spöttisch nennt, obwohl sein Spitzname eigentlich Rino ist. Der 45 Jahre alte ehemalige Fußballprofi ist neuer Trainer beim französischen Traditionsverein Olympique Marseille, bei dem es zuletzt - ganz traditionell - mal wieder ordentlich gekracht hat. Ein Treffen des Präsidiums um den Spanier Pablo Longoria mit Fanklubvertretern eskalierte, die Anhänger sollen die Klubbosse unter massiven Drohungen zum Rücktritt aufgefordert haben. Longoria legte sein Amt daraufhin vorübergehend nieder - doch Ende der vergangenen Woche meldete er sich zurück.

Dagegen blieb der spanische Trainer Marcelino bei seiner Entscheidung, OM schon drei Monate nach Amtsantritt wieder zu verlassen. Die Aggression der Fans mache es ihm unmöglich, den sportlichen Neuaufbau der Mannschaft fortzusetzen: "Die instabile Situation zeigt deutlich, dass das Projekt, für das wir rekrutiert wurden, nicht erfolgreich durchgeführt werden kann", schrieb der 58 Jahre alte Marcelino auf seinen sozialen Kanälen.

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Womöglich erfüllt Gattuso das Anforderungsprofil für einen Übungsleiter in der rustikalen Hafenstadt eher als der feinsinnige Marcelino. Der 73-malige Nationalspieler aus Kalabrien gilt seit seiner aktiven Karriere als harter Hund, jedoch auch als volksnah und bodenständig. Einst hatte er sich selbst als "brutto come i debiti" bezeichnet, hässlich wie Schulden. Wer so etwas über sich selbst sagt und auch anderen gegenüber unnachgiebig ist (in seiner aktiven Zeit legte sich Gattuso sogar mit Zlatan Ibrahomovic an), der könnte bei den Marseille-Ultras gut ankommen.

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Wobei die Meinungen bei den Anführern der Kurve laut der Sportzeitung L'Équipe geteilt sind. Während die einen Gattuso als "Mann mit Charakter" sehen, der den Klub mit seiner leidenschaftlichen Art aufrütteln werde, beurteilen ihn andere wegen bisher überschaubarer Meriten als Trainer (AC Mailand, SSC Neapel und FC Valencia) kritisch und fordern schnelle Erfolge, sonst sei das Stade Vélodrome nicht zu befrieden. Idealerweise sollte Olympique gleich diesen Samstag beim Süd-Derby in Monaco nach zuletzt vier sieglosen Pflichtspielen inklusive einer 0:4-Packung am Sonntag beim Erzrivalen PSG in die Erfolgsspur zurückkehren. Doch die vom Österreicher Adi Hütter trainierten Monegassen sind gut gestartet, haben zuletzt aber gegen Nizza (0:1) die erste Saisonpleite erlitten.

Neuer Mann auf der Kommandobrücke bei Lyon: Sommermärchen-Schreck Fabio Grosso. (Foto: Frédéric Chambert/Imago/PanoramiC)

Gattuso ist übrigens nicht der einzige italienische Weltmeister von 2006, der jetzt in der Ligue 1 als Trainer arbeitet: Erst vor ein paar Tagen hatte Olympique Lyon die Verpflichtung von Fabio Grosso, ebenfalls 45, als Nachfolger des während der Länderspielpause entlassenen Laurent Blanc bekanntgegeben. Jener Grosso, der damals das deutsche Sommermärchen 2006 in der Verlängerung des WM-Halbfinales in Dortmund mit einem Schlenzer von der rechten Seite abrupt beendete - Endstand damals: 0:2. Die Aufgabe Grossos, OL wieder auf Vordermann zu bringen, ist mindestens ebenso anspruchsvoll wie jene von Gattuso bei Marseille: Lyon ist nach sechs Spieltagen noch sieglos und liegt auf dem vorletzten Tabellenplatz.

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