Neapels Stürmer Osimhen und Tiktok:Heiße Debatten am Vesuv

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Traf aus Trotz: Victor Osimhen erzielt das zwischenzeitliche 2:0 gegen Udinese Calcio. (Foto: Alessandro Garofalo/AP)

Napoli-Held und Angreifer Victor Osimhen wird nach einem ver­schos­senen Elf­meter von seinem Klub in den sozialen Netzwerken ver­höhnt - nicht zum ersten Mal.

Von Thomas Hürner

Geht man so mit seinen Helden um? Sind Klagen über das Fehlverhalten des Klubs angebracht, oder ist das schon Treuebruch? Es geht gerade heiß her am Fuße des Vesuv, die Diskussionstemperatur ist hoch. Man kann sagen: Es ist alles wie gehabt.

Bei der SSC Neapel, Italiens Meister der Vorsaison, gehört der Ausnahmezustand zum gewöhnlichen Erscheinungsbild. Und nun haben sie sich dort mal wieder selbst ein Politikum geschaffen, das niemand braucht. Schon gar nicht braucht den Ärger der Klub, der nun erlebt, wie wieder einmal landesweit rauf und runter diskutiert wird: Es geht um Victor Osimhen, den Torschützenkönig der Vorsaison, einen Stürmer mit Wucht und feinem Gespür, der in der Stadt eigentlich als unantastbare Identifikationsfigur gilt - nur die Social-Media-Abteilung seines Vereins sieht das offenbar anders.

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Auf dem Tiktok-Account der Azzurri wurde ein Video geteilt, das Szenen rund um einen Elfmeter zeigt, den der Nigerianer beim 0:0 am vergangenen Sonntag gegen Bologna verschossen hatte. Osimhen, 24, wurde später ausgewechselt und wütete gegen Napoli-Trainer Rudi Garcia, auch das sieht man. Das Video ist außerdem mit einer Fistelstimme ("Gib mir den Elf­meter, bitte") unterlegt, die gesamte Intonierung ist auf Häme ausgerichtet. Aus Sicht von Osimhen ist das offenbar lustig gemeinte Schnipselwerk allerdings kein Spaß. Erst ließ er über seinen Berater Roberto Calenda mitteilen, dass ihm durch das Video "schwerwiegender Schaden" zugefügt worden sei. Es verstärke jene Behandlung, die er im Netz ohnehin zu erleiden habe. Und Calenda hat sogar mit juristischen Schritten gedroht.

Osimhen selbst reagierte in den sozialen Netzwerken: Die meisten Beiträge im Napoli-Trikot hat er gelöscht, dem offiziellen Account des Vereins ist er entfolgt. Das war eher keine Übersprungshandlung, weil Osimhen bereits im August ein Beitrag gewidmet worden war, in dem das Kinderlied "I'm a Coconut" zu hören ist. Die Kokosnuss wird vor allem im englischsprachigen Raum rassistisch assoziiert.

Eine Vertragsverlängerung Osimhens in Neapel ist ins Stocken geraten

Die meisten Tifosi sprangen Osimhen nach dem neuesten Vorfall zur Seite. Sie stellten die nicht ganz unberechtigte Frage, wer eigentlich der Admin der klubeigenen Social-Media-Kanäle sei und was dieser mit den Beiträgen bezwecken wolle. Andere wiederum sahen in der scharfen Reaktion des Spielers und seines Beraters eine goldene Regel verletzt: Niemand ist größer als der Klub - auch keiner, der die SSC vor wenigen Wochen zum ersten Meistertitel seit Maradona geschossen hat. Möglich, dass da auch Ressentiments mitschwangen, das kommt schon mal vor in Italiens Süden.

Zur Verunsicherung im azurblauen Volk trägt bei, dass es bei der Vertragsverlängerung des Publikumslieblings zu haken scheint. Eigentlich hatte SSC-Präsident Aurelio De Laurentiis diese für so gut wie vollzogen erklärt, Osimhen sollte zum Bestverdiener der Serie A aufsteigen. Dazu muss man wissen, dass der mürrische Filmmogul De Laurentiis neulich einen Brief an den saudi-arabischen Klub Al Hilal geschrieben haben soll, in dem er dazu riet, die im Sommer eingereichte Offerte für Osimhen von 350 auf 500 Millionen Euro zu erhöhen. Dann könnte er einen Verkauf in Betracht ziehen.

Osimhen ließ sich von diesem Brimborium erst mal nicht weiter beirren. Er traf am Mittwochabend bei Napolis 4:1 gegen Udinese Calcio und ließ sich bereitwillig auswechseln. Die Accounts des Klubs blieben weitgehend still, vielleicht wurde der Admin zur Räson gerufen. Am Donnerstag dann meldete sich die SSC Neapel zu Wort. In einer Stellungnahme verwies sie darauf, dass der Tonfall in den sozialen Netzwerken lockerer und kreativer sei, es habe aber nie die Absicht bestanden, Osimhen "zu verspotten oder zu verhöhnen".

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