Robert Lewandowski:Transfermeldung um 2:05 Uhr

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Er sagt Servus, nun aber wirklich: Robert Lewandowski, hier bei seinem letzten Heimspiel im Mai. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Saga ist vorbei: Robert Lewandowski darf zum FC Barcelona. Der FC Bayern bekommt dafür mutmaßlich 50 Millionen Euro - und muss zwei Fragen beantworten: Galt nicht, dass er bleibt, und damit "basta!"? Und wer ersetzt einen 41-Tore-Stürmer?

Von Sebastian Fischer

Die großen Momente muss natürlich ein Großer erklären, deshalb steht am Samstagmorgen in aller Frühe Uli Köhler vor der Garageneinfahrt an der Säbener Straße und spricht in sein Sky-Mikrofon. Köhler trägt zwar nicht mehr die hellblaue Sonnenbrille, die ihn jahrelang als bekanntesten unter den rasenden Münchner Fußballreportern auswies und durch die er viele bedeutende Profis des FC Bayern kommen und gehen sah, er trägt jetzt ein modisches Gestell aus Horn. Aber er ist auch mit 71 Jahren noch der blendend aussehende Mann an Ort und Stelle.

Am Samstagmorgen ist Köhler im Einsatz, um den Abschied von Robert Lewandowski zu kommentieren, den Abschied vom zweimaligen Weltfußballer, vom 41-Tore-Stürmer, der den Gerd-Müller-Saison-Rekord brach. Doch die Größe des Moments, nun ja, die will nicht so richtig aufkommen.

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Neben Köhler stehen sechs Fans. Ein Junge trägt ein Sadio-Mané-Trikot. Ein anderer schaut derart verhalten begeistert, als hätte Köhler ihn gebeten, mit ins Bild zu rücken. Auch wenn sich später ein paar Menschen dazugesellen: So sieht nun also das Ambiente aus, in dem einer der erfolgreichsten Stürmer der Bundesligageschichte das Land verlässt.

Die Einigung des FC Bayern mit dem FC Barcelona über den Transfer, angeblich für 45 Millionen Euro Ablöse plus fünf Millionen mögliche Bonuszahlungen, erfolgte in der Nacht auf Samstag. Die Nachrichtenagenturen verschickten ihre Meldungen um 2:03 Uhr und 2:05 Uhr. Ganz so, als hätten langsam wirklich alle die Geduld verloren.

"Meine Geschichte beim FC Bayern ist vorbei", das ist der Satz des Transfersommers

Lewandowski, im August 34 Jahre alt, hat in acht Jahren für den FC Bayern in 375 Spielen 344 Treffer erzielt, eine wahnsinnige Bilanz. Er hat einmal fünf Tore in neun Minuten gegen Wolfsburg geschossen, was zu einem der schönsten Fotos des unnachahmlichen Pep Guardiola als Bayern-Trainer führte: Staunend, mit offenem Mund, beide Handflächen auf die Glatze gelegt. Lewandowski hat sich in seiner späten Phase sogar zu einem aus Pragmatismus mannschaftsdienlichen Spieler gewandelt, so wurde er zum Weltfußballer.

Was ihn allerdings auch stets charakterisierte, war eine gewisse Kälte, sture Professionalität. Die fast zwei Monate Transfertheater zum Schluss trieben das auf die Spitze. Selbst jene, die den Fußball im Jahr 2022 noch mit purer Begeisterung verfolgen, müssen Lewandowski-Meldungen zuletzt nur noch genervt haben. "Meine Geschichte beim FC Bayern ist vorbei", das ist der prägnanteste von vielen Sätzen während der Bundesliga-Sommerpause, die entweder er selbst oder sein Berater Pini Zahavi sagten, um einen Transfer ein Jahr vor Vertragsende zu forcieren.

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Unter der Woche erschien Lewandowski zwar wie erwartet zum Training, aber die Bild-Zeitung durfte täglich in begeisterter Echauffiertheit die Minuten zählen, um die er sich beim Treffpunkt vor den Übungseinheiten verspätete. Am Samstagvormittag kickte er zwar demonstrativ noch einmal mit den alten Kollegen. Aber die Einigung mit Barcelona erfolgte auch deshalb in der Nacht, um Lewandowski die große Kader-Vorstellung in der Allianz Arena vor weit mehr als sechs Fans zu ersparen. Dort bestätigte dann Herbert Hainer die Formalien: "Wir haben eine mündliche Zusage", sagte der Bayern-Präsident. "Es ist gut für beide Seiten, dass wir jetzt Klarheit haben." Anstatt mit den Bayern, wird Lewandowski in der kommenden Woche schon mit dem FC Barcelona zu Marketingzwecken durch die USA touren.

Nun, da der Transfer feststeht, bleiben trotzdem ein paar Fragen offen. Zunächst mal jene, die nicht den FC Bayern betreffen: Klar, Lewandowski ist der amtierende Weltfußballer, aber kann das gut gehen, wenn ein schier grenzenlos verschuldeter Klub wie der FC Barcelona einen 34-Jährigen mutmaßlich mit einem Dreijahresvertrag ausstattet? Als einen von vielen millionenschweren Zugängen, allen Sparauflagen zum Trotz?

Und passt Lewandowski eigentlich zu einem modern denkenden Trainer wie Xavi Hernández, wenn er sich mit einem modern denkenden Trainer wie Julian Nagelsmann in der taktischen Definition eines Mittelstürmers so uneinig war? Aber das muss der FC Barcelona natürlich alles selbst wissen.

Fast zeitgleich mit Lewandowskis Abschied verlängert Serge Gnabry seinen Vertrag

Was den FC Bayern betrifft, muss Vorstandschef Oliver Kahn nun zum ersten Mal in seiner jungen CEO-Karriere erklären, warum eine Aussage von ihm eine ausgesprochen geringe Halbwertszeit hatte. "Basta", das hatte er bei der Meisterfeier vom Rathausbalkon gerufen, wie in: Basta, Lewandowski bleibt! In einem ersten Interview mit der Bild -Zeitung sagt Kahn dazu, die Lage hätte sich durch den Transfer von Sadio Mané und durch die angebotene Summe aus Barcelona eben grundlegend geändert. Aber wie findet das jetzt eigentlich der Ehrenpräsident Uli Hoeneß, dass Lewandowski und sein Berater Zahavi, von Hoeneß "Piranha" genannt, nun ihren Willen durchgesetzt bekommen haben?

Den Bayern könnte zugutekommen, dass dieser Transfersommer beim deutschen Rekordmeister gemeinhin als großer Erfolg gewertet und Sportvorstand Hasan Salihamidzic gerade mit Anerkennung überhäuft wird. Nach Mané, Noussair Mazraoui und Ryan Gravenberch soll in Innenverteidiger Matthijs de Ligt noch ein europäischer Topspieler nach München kommen, um den Weggang von Niklas Süle zu kompensieren. In Mathys Tel steht außerdem ein 17-jähriges Stürmertalent aus Rennes auf der Wunschliste, sowie womöglich noch Konrad Laimer von RB Leipzig. Und dann ist da ja auch noch die zweite Nachricht vom Wochenende: Nationalspieler Serge Gnabry hat seinen Vertrag bis 2026 verlängert und wird den FC Bayern nicht verlassen. Auch das wurde bei der Team-Präsentation offiziell verkündet.

Das führt zur letzten Frage: Wie wird der FC Bayern ohne Robert Lewandowski spielen? Variabel und flexibel, das hört man jetzt immer häufiger, vorerst wohl ohne neuen prominenten Mittelstürmer also. Mal mit Mané, mal mit Gnabry, mal womöglich mit Thomas Müller in der Spitze, vielleicht mit mehr Spielzeit für den aufregend talentierten Jamal Musiala.

Und immerhin, bei all der Langeweile an der Spitze der Bundesliga, wäre das doch mal etwas Neues: Einen FC Bayern ohne Stamm-Mittelstürmer, das hat selbst Uli Köhler noch nicht gesehen.

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