Eishockey-Profi Leon Draisaitl:Begehrter 200-Fuß-Mann

Lesezeit: 4 min

Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers traf auch diesmal wieder gegen die Los Angeles Kings - doch wie lange bleibt der Deutsche noch in Kanada? (Foto: Codie McLachlan/Getty Images via AFP)

Das Abschneiden der Edmonton Oilers in den NHL-Playoffs dürfte entscheidend zur Klärung beitragen, ob der Deutsche Leon Draisaitl auch künftig dort seine Tore macht - es gibt bereits Gerüchte, wohin er gerne wechseln würde, sollte er Kanada verlassen wollen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

8,4 Sekunden waren noch zu spielen, die Edmonton Oilers führten mit 1:0 bei den Los Angeles Kings - ein ungewöhnlicher Zwischenstand, die Edmonton Oilers sind eher als Toreschießer und Torekassierer bekannt, insgesamt 27 Treffer hatten die Zuschauer in den ersten drei Partien bestaunen dürfen. Es gab Bully im Spieldrittel der Oilers, Leon Draisaitl eroberte den Puck gegen Anze Kopitar, einen erfahrenen und ausgebufften Bully-Duellanten. Über Umwege kam die Scheibe dennoch in Besitz von Kings-Torjäger Adrian Kempe. Der zog ab; Draisaitl jedoch stand goldrichtig, blockte den Schuss und schupfte den Puck außer Gefahr.

"Toreverhinderer" stand bislang nicht als Qualität auf der Visitenkarte von Draisaitl. Er ist bekannt dafür, der erste Spieler seit Jaromir Jagr zu sein, der fünf NHL-Spielzeiten mit mindestens 40 Toren und 100 Scorerpunkten (Treffer und Vorlagen zusammen) geschafft hat - in dieser Saison waren es 41 und 106, was für seine Verhältnisse, es kann kein größeres Kompliment geben, durchschnittlich klingt.

"Toreverhinderer Draisaitl", das klang vor Beginn der Playoffs so unwahrscheinlich wie ein 1:0-Sieg der Oilers bei einer Schussbilanz von 13:33. Was wahrscheinlich war: der Einzug der Oilers in die zweite Playoff-Runde, und den schafften sie am Mittwochabend in eigener Halle: 4:3 stand es am Ende, Draisaitl erzielte die Treffer zum 2:2 und 3:2, er drehte diese Partie also mit den Fähigkeiten, für die er schon seit Jahren berühmt ist.

"Ich bin defensiv viel besser geworden."

Natürlich geht es in den kommenden Wochen um den Stanley Cup, den die Oilers zum ersten Mal seit 34 Jahren gewinnen wollen. Aufgrund des Reglements der NHL dürfte das Abschneiden des Teams in diesen Playoffs darüber entscheiden, ob Draisaitl über die Sommerpause hinweg in Edmonton bleiben wird. Sein Vertrag läuft zwar bis 2025, das bedeutet jedoch, dass die Oilers nur nach dieser oder während der kommenden Saison einen adäquaten Gegenwert bei einem Tauschgeschäft kriegen könnten. Diese Ausscheidungsrunde soll Klub und Spieler Hinweise liefern, ob das noch was wird mit Draisaitl und dem Stanley Cup in Edmonton.

Weltmeisterschaft in Tschechien
:Spielplan der Eishockey-WM 2024: Alle Spiele, Termine und Ergebnisse

Die Eishockey-WM in Tschechien hat begonnen, Deutschland geht als Vizeweltmeister in das Turnier. Alle Spiele und Termine sowie der WM-Kader in unserem Spielplan.

Von Marko Zotschew

Der einstige Oilers-Profi Georges Laraque will aus dem Umfeld des Managements erfahren haben: "Sie rechnen damit, dass er bei frühem Scheitern einen Wechsel zu den Boston Bruins einem Verbleib vorziehen würde." Draisaitl selbst hält sich zurück: "Ich kenne meine Vertragssituation, ich bin mit meinem Agenten in Kontakt. Mehr kann ich nicht sagen."

Seit Beginn seiner Profikarriere vor zehn Jahren spielt der gebürtige Kölner bei dem kanadischen Traditionsverein. Seit fünf Jahren gehören die Oilers zu den besten NHL-Teams - und seit fünf Jahren versichern sie jedes Jahr, dass sie jetzt mehr seien als nur das kongeniale Angreifer-Duo Draisaitl und Connor McDavid, der in der regulären Saison 32 Tore und 100 Assists schaffte und in fünf Playoff-Partien bislang elf Scorer-Punkte (Draisaitl kommt auf zehn). Dass sie nun gefestigter seien, besser verteidigen würden und ihr Torwart sie diesmal nicht im Stich lassen wird. Jedes Jahr hieß es am Ende aber auch: in den Playoffs gescheitert, stets vor der Finalserie.

Man könnte nun all die Floskeln herunterbeten, warum es heuer endlich klappen könnte - wie es Draisaitl vor Playoff-Beginn tat. Er wäre töricht, etwas anderes zu sagen. Man könnte aber auch einen anderen Satz von ihm nehmen, diesen hier: "Ich bin defensiv viel besser geworden."

Der wahre Grund nämlich, und das führt zurück zu diesen Momenten am Ende der vierten Partie gegen die Los Angeles Kings, warum die Oilers tatsächlich was reißen könnten: die Komplettierung von Draisaitl zum sogenannten "200-Foot-Player". Also einer, der das Spiel überall auf der Eisfläche prägen kann.

Seit Draisaitl Mittelstürmer der zweiten Reihe ist, kommen seine Stärken noch besser zur Geltung

Draisaitl versichert seit Jahren glaubhaft, dass ihm individuelle Statistiken nichts bedeuten. Auf ein paar jedoch dürfte er dieses Jahr doch stolz sein, weil sie nichts mit Toren und Zuspielen zu tun haben: Er hat seine Gewinnquote bei Bullys von 50,5 Prozent vor sechs Jahren auf 56,9 gesteigert, in den Playoffs sind es sogar mehr als 60 Prozent. Meiste stibitzte Pucks gegen LA: Draisaitl. Meiste geblockte Schüsse: Draisaitl. "Das System hat mir geholfen", sagt er darüber, dass ihn der neue Trainer Kris Knoblauch, erst seit November im Amt, nicht gemeinsam mit McDavid als Flügelspieler aufs Eis schickt, sondern als Center und damit als Dreh- und Angelpunkt der zweiten Sturmreihe.

Was das bedeutet, zeigten die Oilers in der Serie gegen die Kings: 20 ihrer 23 Playoff-Treffer erzielten sie mit Draisaitl und/oder McDavid auf dem Eis. Man könnte also sagen: Das Wechseln der Angriffsreihen ist eher Nachladen, für die Gegner besteht permanent höchste Gefahr, ein Gegentor zu kassieren.

Wer sich mit Draisaitl unterhält, bemerkt, wie er sich freut, dass er nicht aufs Toreschießen und -vorbereiten reduziert wird. Sondern wenn auffällt, wie er Tore verhindert, Bullys gewinnt, den Puck beschützt, Gegenspieler verfolgt, das Spielgerät zuverlässig klärt, sich kaum Puckverluste leistet. Kurz: auf jedem Quadratmeter der Spielfläche mit Aktionen, die nicht in Statistiken auftauchen, für den Erfolg seines Teams verantwortlich ist.

"Ich habe da einen großen Schritt gemacht", sagt Draisaitl, der damit freilich umso wertvoller wird als die acht Millionen Dollar pro Jahr, die er derzeit bekommt. Kurz vor Beginn der nächsten Saison wird er seinen 29. Geburtstag feiern, von 1. Juli an könnte er in Edmonton langfristig verlängern - so sich die Oilers einen zweiten Spieler mit zweistelligem Millionengehalt (McDavid kriegt 12,5) leisten wollen und Draisaitl glaubt, dass es in Edmonton klappen wird mit dem Titel. Jeder Sieg ist ein Argument für einen Verbleib, der Gegner in der zweiten Runde wird zwischen Nashville und Vancouver ermittelt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Eishockey-Profi Leon Draisaitl
:Konstant unter den Besten

Die Edmonton Oilers sind das formstärkste Team in der NHL, der deutsche Angreifer Leon Draisaitl sogar noch besser als sein Mannschaftskollege Connor McDavid. Was noch fehlt zur Vollendung: der Stanley Cup. Eine Begegnung in Los Angeles.

Von Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: