Länderspiel: Ungarn - Deutschland:Drei Tore, keine Antworten

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Im vorletzten WM-Test legt die deutsche Mannschaft mit Schwung los, doch dann folgt viel Leerlauf. Das 3:0 bringt dem Bundestrainer kaum Erkenntnisse. Alle drei Tore erzielen Angreifer.

David Bernreuther

Hätte man vorschnell und ein wenig einfältig geurteilt, dann wäre man nach 20 Minuten des Tests gegen Ungarn wohl zu folgendem Urteil gekommen: Die deutsche Nationalmannschaft ist trotz aller Verletzungssorgen in wunderbarer Form für die in zwei Wochen beginnende Weltmeisterschaft. Doch der frühen Führung durch Lukas Podolskis Elfmeter und einem erfrischenden Angriffswirbel folgte erstens jede Menge Leerlauf. Und zweitens ging es gegen eine Mannschaft, die keinesfalls das Niveau der deutschen WM-Gegner hat.

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Podolski, Gomez und Cacau treffen - und Torwart Neuer kann froh sein, dass er nicht einschläft. Das Testspiel gegen Ungarn in Bildern.

Zwar erhöhten die eingewechselten Mario Gomez und Cacau das Ergebnis in der zweiten Halbzeit auf ein klares 3:0 - das Spiel dürfte Bundestrainer Joachim Löw kaum neue Erkenntnisse beschert haben, welche beiden Spieler er bis Dienstag aus seinem Aufgebot für die WM in Südafrika streichen soll. Dafür war der Gegner zu harmlos, die deutsche Elf zu wenig gefordert.

Immerhin gab es keine Blamage wie vor ziemlich genau sechs Jahren, als Deutschland zuletzt gegen Ungarn gespielt hatte. Es war der letzte Test vor der EM 2004 - und dieser dürfte der Mannschaft um den damaligen Teamchef Rudi Völler in ebenso düsterer Erinnerung sein wie das unrühmliche Vorrundenaus bei der folgenden Endrunde in Portugal. Deutschland verlor in Kaiserslautern mit 0:2 gegen die von Lothar Matthäus betreuten Ungarn. Es war der wohl größte Triumph in Matthäus' Trainerlaufbahn, für Deutschland war es eine Blamage.

Vier Spieler aus dem Kader für die WM in Südafrika standen damals auf dem Platz: Miroslav Klose stürmte 45 Minuten lang erfolglos. Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski wurden in der zweiten Halbzeit eingewechselt und kamen zu ihrem Länderspieldebüt. Philipp Lahm ging als Linksverteidiger über die volle Distanz, für ihn war es das sechste Länderspiel - und die erste Niederlage im Nationaltrikot.

Während Lahm und Schweinsteiger geschont wurden, standen Podolski und Klose in der Startelf. Bayern-Bankdrücker Klose, für den die Saison zwar lange, aber mangels Einsätzen nicht so kräftezehrend war, führte die DFB-Elf als Spielführer auf den Rasen des Ferenc-Puskás-Stadions. Im 4-2-3-1-System war er die zentrale Sturmspitze, dennoch war er an keiner der sechs Torchancen beteiligt, die sich die deutsche Mannschaft in der Anfangsphase herausspielte. Hinter ihm, neben ihm, vor ihm, um ihn herum wirbelte die offensive Dreierreihe aus Piotr Trochowski, Mesut Özil und Podolski die ungarische Defensive durcheinander. Podolski schoss nach nicht einmal drei Minuten so scharf aufs Tor, dass Gabor Kiraly, der ungarische Torwart vom TSV 1860 München, den Ball mit einer starken Parade über die Latte lenken musste.

Als der anschließende Eckball gerade über die Köpfe der Spieler hinweg durch den Strafraum segelte, entschied der dänische Schiedsrichter Claus Bo Larsen ein wenig übereifrig auf Elfmeter. Sandor Torghelle hatte Per Mertesacker umklammert, und der deutsche Abwehrchef plumpste auf den Boden. Podolski nutzte die Gelegenheit, um der Fußballnation zu beweisen, dass er nach ein paar Tagen im Kreis der DFB-Auswahl schon wieder mächtig Selbstvertrauen hat: Er versenkte den Ball rechts oben zum 1:0 (4.).

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Nach der frühen Führung rollte Angriff um Angriff auf das Tor der Ungarn zu. Schnelle Kombinationen in die Spitze, als Höhepunkt ein doppelter Doppelpass zwischen Trochowski und Özil, führten zu Torchancen fast im Minutentakt. Doch im Duell mit Kiraly scheiterte Özil dreimal. Nach 20 ließ der Esprit der deutschen Offensive spürbar nach, das Spiel verflachte.

Lukas Podolski (rechts) gab in der dritten Minute den ersten Schuss aufs Tor der Ungarn ab - und traf kurz darauf per Elfmeter. (Foto: ap)

Die anfangs dynamischen Vorstöße des Ballack-Vertreters Sami Khedira wurden seltener. Sein Nebenmann Toni Kroos führte seine Rolle als Absicherer, Aufbauspieler und Mann für die Standards solide aus. Die Innenverteidiger Mertesacker und Geburtstagskind Arne Friedrich waren genauso wenig gefordert wie Heiko Westermann links und Jérôme Boateng rechts in der Viererkette. Und als die deutsche Defensive in der 25. Minute von einem langen Ball überspielt wurde, demonstrierte Manuel Neuer, dass seine moderne Interpretation des Torwartspiels durchaus von Vorteil sein kann: Er stürmte heraus und grätschte den Ball vor Torghelle ins Aus.

Erst kurz vor der Pause kam Deutschland wieder zu einer guten Torchance, doch Klose vergab gegen den stark aufgelegten Kiraly. Zur Halbzeit begann Löw mit munterem Auswechseln: Dennis Aogo und Cacau bekamen die Chance, sich für die Reise nach Südafrika zum empfehlen - zwei Tage bevor der Bundestrainer noch zwei Akteure aus seinem WM-Aufgebot streichen muss. Im Lauf der zweiten Hälfte wurden auch noch Marcell Jansen, Marko Marin, Mario Gomez und Debütant Holger Badstuber eingewechselt.

Das Spiel blieb weiterhin recht fad, bis Tempodribbler Marin die Ereignislosigkeit in der 69. Minute durchbrach. Er eroberte an der Mittellinie den Ball, nahm Fahrt auf und passte im richtigen Moment zu Gomez. Der legte sich den Ball genau so weit vor, dass er ihn kurz vor dem herauslaufenden Kiraly zum 2:0 ins Tor spitzeln konnte. Nur drei Minuten später erschien Cacau wie aus dem Nichts alleine vor dem Tor: Er umdribbelte Kiraly und schob zum 3:0 ein.

Doch nach dem Treffer verfiel die deutsche Mannschaft wieder in den vorherigen Trott. Vom Elan der Anfangsphase war 70 Minuten lang so gut wie nichts mehr zu sehen. Immerhin, das muss man nach den Ausfällen von Michael Ballack und Cristian Träsch positiv hervorheben, hat sich kein Spieler verletzt. Nur Khedira wurde wegen muskulärer Probleme zur Halbzeit vorsichtshalber ausgewechselt - es soll aber nicht so schlimm sein.

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