Krisentreffen der Fifa:Blatters große Aufklärer-Show

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Mehr Transparenz, neue Verhaltensregeln, weniger Mauschelei: Auf der Fifa-Exekutivsitzung an diesem Freitag muss Sepp Blatter, Chef des Weltfußballverbandes, seinen Reformwillen beweisen. Die Kernfrage ist: Steht am Ende der Verhandlungen ein unabhängiges Gremium, das über fragwürdige Machenschaften der Funktionäre wacht?

Thomas Kistner, Zürich

Sylvia Schenk, die Sportbeauftragte von Transparency International, ist "hoch gespannt, was Blatter präsentieren wird - und was nicht". Sepp Blatter, Chef des Weltfußballverbandes Fifa, will bei der Exekutivsitzung am Freitag mit der Korruption im eigenen Haus aufräumen und neue Compliance-Regeln vorstellen. Wieder einmal; das Wörtchen Transparenz zieht sich so zäh durch seine Amtszeit wie die Korruption auf höchster Ebene, für deren Vertuschungen er oft selbst gesorgt hat.

Viele Worte - doch folgen auch Taten? Fifa-Boss Joseph S. Blatter verspricht Veränderungen im Verband. (Foto: dpa)

Und ständig gibt es neue Fälle. Soeben wurde Blatters Stellvertreter Julio Grondona in Argentinien als korrupt vorgeführt, ein Sender strahlte ein Video aus, in dem "Don Julio" Wissen über illegale Geldtransfers offenbart. Die Spuren führen in die Schweiz. Ein Anwalt legte im Fernsehen Bankauszüge über insgesamt rund 38 Millionen Franken vor, die einer Firma gehören sollen, für die Grondona und seine Familie zeichnungsberechtigt seien.

Grondona weist alle Vorwürfe ebenso zurück wie Fifa-Vorstandskollege Ricardo Teixeira, gegen den Geldwäsche-Ermittlungen in Brasilien laufen. Und jetzt wird Blatter auch selbst noch heftig attackiert: Sein einstiger Intimus Jack Warner, einflussreicher Fußball-Funktionär aus Trinidad und Tobago, sagt öffentlich, er habe für Blatter bei zwei Präsidentschaftskampagnen Stimmen gekauft - 1998 und 2002.

Neue Propaganda-Herolde

Dagegen wirkt die jüngste Reinigungs-Rochade der Fifa blauäugig. In Zürich geht es um die Umsetzung von Leitfäden, die Transparency International und andere erstellt haben. Zugleich rattert im Hintergrund die Propagandamaschine. Blatter hat einem Stab seiner bisher persönlichen Presse-Herolde zu Monatsbeginn die Leitung der Fifa-Kommunikation übergeben.

Prompt wurde die unliebsame britische Presse umgarnt, es gab einen Runden Tisch - und plötzlich zwei Stories mit Knalleffekt: Erst publizierte der Daily Telegraph ein Video vom Korruptionstreffen der karibischen Fußball-Union CFU im Mai, das dokumentiert, wie Jack Warner eine anrüchige 40.000-Dollar-Gabe seines Kollegen Mohamed Bin Hammam für jeden Vertreter der 25 Verbände erläutert. Bin Hammam stand damals noch im Präsidentschaftswahlkampf gegen Blatter. Der Mann aus Katar wurde anschließend als Fußball-Funktionär lebenslang gesperrt, Warner trat zurück.

Fifa-Wahl: Pressestimmen
:"Irgendwas riecht faulig bei der Fifa"

Nach der umstrittenen Wiederwahl von Sepp Blatter als Fifa-Präsident zieht die internationale Presse nicht nur über den Machtapparat des Weltverbands her. Auch Deutschland und England müssen für ihre Rolle viel Kritik einstecken.

Die Pressestimmen in Bildern.

Dann berichtete die BBC über Blatters Plan, ein Korruptions-Dokument der Schweizer Justiz freizugeben, in dem korrupte Fifa-Funktionäre benannt werden. Bisher hatte die Fifa diese Veröffentlichung mit aller Kraft verhindert. Im Licht der neuen Reinheit aber wirkt so ein Widerstand entlarvend - und auf Dauer dürfte er juristisch ohnehin kaum zu halten sein. Anderseits könnte am Freitag auch eintreten, was Insider argwöhnen: Blatter werde vortragen, er habe um die Offenlegung des Papiers gekämpft, doch die Exekutive sei dagegen.

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Die Pressestimmen in Bildern.

Learjets und Geschenke

Gewiss wird allerlei von dem implementiert, was die fleißigen Compliance-Leute raten. Die Kernfrage ist aber: Steht am Ende ein unabhängiges Gremium, das über die Fifa wacht? Eine erste Amtshandlung müsste ja sein, Blatter selbst vorzuladen und mit vielen Fragen zu konfrontieren. Etwa mit der, was er auf seinen oft in arabischen Learjets absolvierten Wahlkampfreisen 1998 und 2002 mit seinen betuchten Helfern Mohamed Bin Hammam und Warner trieb.

Korruptionsgerüchte gingen stets durch die Welt; 1998 flatterten in der Nacht vor der Wahl Kuverts durchs Hotel der Afrika-Delegierten. Warner will diese Wahlkampf-"Feldzüge" nun publik machen und einen "Tsunami" entfesseln: "All die Geschenke, die Blatter verteilte, um seine zwei Wahlen abzusichern, werden euch den Magen umdrehen", sagt er.

Dann ist da noch die juristisch nicht beendete Karibik-Affäre: Bin Hammam will beim CFU-Kongress im Mai nur getan haben, was er früher auch für Blatter tat. Tatsächlich hatte sein Helfer Warner schon Tage vorher Blatter über das Karibik-Treffen und beabsichtigte Zahlungen informiert. Ließ Blatter seinen Herausforderer also in eine Falle laufen - weil er außer verbalem Protest nichts unternahm, um die avisierten Zahlungen zu verhindern?

All das wären Themen für echte Fifa-Controller - wenn man glauben mag, dass für solche Platz ist in dem System, das Blatter, 75, über 30 Jahre als Präsident und oberster Hauptamtlicher erblühen ließ.

© SZ vom 21.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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