Belastung im Fußball:Klopps Hit ist aktueller denn je

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Drei Spiele, kein Sieg: Jürgen Klopp und der FC Liverpool sind auch noch schlecht in die Saison gestartet. (Foto: Salvio Calabrese/Imago)

Der Trainer des FC Liverpool kritisiert erneut den übervollen Terminkalender. Gerade in dieser Saison ist das ein berechtigtes Anliegen - doch auch er und seine Spieler profitieren auf ihren Bankkonten.

Kommentar von Felix Haselsteiner

Es war ein altbekannter Sound, den man dieser Tage aus Liverpool vernehmen konnte. Auch John, Paul, George und Ringo haben ihre Hits immer wieder gespielt, genauso macht das Jürgen Klopp. Und eines seiner beliebtesten Stücke trägt den Titel "Too many games" und handelt von Überbelastung.

Seit Jahren liefert sich Klopp auf Pressekonferenzen ein erbostes Fernduell mit Uefa, Fifa, FA, Premier League und grundsätzlich jedem Fußballverband und -funktionär, der in der Erweiterung des Fußballkalenders eine Möglichkeit sieht, dem Sport und seinen Protagonisten etwas Gutes zu tun. Anlass für besonders deutliche Formulierungen bietet ihm in diesem Jahr die Winter-WM in Katar, die Klopp "sauer" werden lässt: "Es braucht ein Treffen, bei dem sich alle ( Verbände, Anm.) an einen Tisch setzen, und das einzige Thema sollten die Spieler sein." Die nämlich seien die Leidtragenden, es verhalte sich wie mit dem Weltklima: "Wir wissen alle, dass wir etwas verändern müssen, aber niemand ist bereit zu fragen, was."

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Klopps Aussagen treffen einen wichtigen Punkt im internationalen Fußballgeschäft, der diesen Herbst bestimmen wird. Sein Hit ist in gewisser Weise aktueller denn je. Ein Blick in den Terminkalender genügt, um den Wahnsinn des ausklingenden Jahres 2022 zu verstehen, mit dem sich etwa der FC Liverpool auseinandersetzen muss. Ab dem Start der Champions League am 6. September finden englische Wochen ohne Pause statt, am 12. November dann der 16. Spieltag in der Premier League. Acht Tage später beginnt in Katar die Weltmeisterschaft - und nur acht Tage nach dem WM-Finale wartet der traditionelle und daher überaus lukrative Boxing-Day-Spieltag am 26. Dezember (gefolgt von zwei weiteren Spieltagen über Neujahr). Die Winterpause der Bundesliga bis weit in den Januar hinein wirkt dagegen fast schon wie eine übertriebene Reha-Maßnahme.

Es wäre für alle Beteiligten gesünder, wenn der Fußballkalender sich entspannen statt weiter anspannen würde

Es ist zweifelsohne eine komplette Überfrachtung des Kalenders, die den Spielern bevorsteht - nur ist die Frage, ob genau die daran nicht ebenfalls ein strategisches Interesse haben. Klopp sagte selbstkritisch, auch er sei als Trainer ein Teil des Systems, das den Spielern viel abverlange. Denn bei aller Sehnsucht nach mehr Schutz und weniger Spielen: Jeder Fußballer profitiert auch von mehr Spieltagen, wenngleich natürlich nicht gesundheitlich. Sondern auf dem Konto.

Auf Kritik an der Spielplan-Gestaltung hallt aus der Verbandswelt das ewige Echo zurück, dass mehr und mehr Spiele eben der Weg seien, um den Kuchen laufend zu vergrößern, an dem sich alle so gerne satt essen. Das tun vor allem Spieler (und ihre Berater), die seit Jahren Rekordgehälter einfordern können, absurde Handgelder erhalten und kaum zum Verzicht bereit sind - eine Lehre aus der Pandemie-Zeit. Besonders lautstark wurde Verzicht damals übrigens in England eingefordert, wo auch heute der Vorschlag, dass der Boxing Day zum Schutz der Spieler abgesagt wird und dies im Umkehrschluss ihre Dezembergehälter verringere, wohl Entrüstung auslösen würde.

Klopp hat vollkommen recht: Es wäre für alle Beteiligten gesünder, wenn der Fußballkalender sich entspannen statt weiter anspannen würde. Dazu braucht es allerdings nicht nur bei den Verbänden, sondern sowohl bei ihm als auch bei seinen Spielern die Einsicht, dass sich das Fußballgeschäft nicht von den marktwirtschaftlichen Prinzipien lösen kann: Wer schon so viel verdient wie nie zuvor und will, dass es jedes Jahr mehr wird, kann nicht einfach erwarten, dafür weniger leisten zu müssen.

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