Transfermarkt:Die englische Versuchung

Transfermarkt: Unmoralisches Angebot: Torwart Kevin Trapp war eigentlich glücklich mit seinem zweifellos hinreichend honorierten Job in Frankfurt.

Unmoralisches Angebot: Torwart Kevin Trapp war eigentlich glücklich mit seinem zweifellos hinreichend honorierten Job in Frankfurt.

(Foto: Heiko Becker/HMB-Media/Imago)

Über die schreckliche Anziehungskraft des Geldes wird im Fußball seit Anbeginn geredet. Dieser Sommer hat dennoch neue Zustände beschert - die Premier League ist eine Macht von imperialistischem Ausmaß.

Kommentar von Philipp Selldorf

Als jetzt die Kunde kam, dass Manchester United beabsichtige, Kevin Trapp unter Vertrag zu nehmen, haben sich hierzulande vermutlich nicht bloß die Freunde und Förderer von Eintracht Frankfurt geärgert. Man könnte das Unbehagen neudeutsch folgendermaßen ausdrücken: Es fühlt sich falsch an. Weil der Torwart Trapp, Held der Europa-Cup-Tage, zur Eintracht-Familie gehört wie der Adler Attila, vor allem aber, weil Manchester United zurzeit durch eine besonders plumpe Form des Scheine-Wedelns seine sportlichen Probleme löst. Schon der Kauf von Real Madrids Mittelfeld-Abräumer Casemiro, 30, trug obszöne Züge. Nicht wegen der hohen Summen, die dabei ausgetauscht werden, sondern weil der Seitenwechsel allein auf diesen hohen Summen beruht.

ManUnited war vor ein paar Jahren ein großer Klub, der vom einzigartigen Alex Ferguson - später Sir Alex - ebenso rau wie würdevoll geführt wurde. Nun kommt einem United wie ein anonym gelenkter Geschäftsbetrieb vor. Auf dem Transfermarkt benimmt sich der Verein wie ein Freier, der sich nur durch maßlose Zahlungsbereitschaft interessant zu machen weiß. So wie jetzt bei Trapp, 32: Der Torwart war glücklich mit seinem zweifellos hinreichend honorierten Job in Frankfurt, dann kam auf einmal United und bot das Dreifache, und womöglich verschwendet Trapp nun seine Ambitionen - WM hin, WM her - jahrelang auf der Ersatzbank der Engländer.

Aufsteiger Nottingham Forest etwa hat 150 bis 170 Millionen Euro investiert

Wenn schon von käuflicher Liebe die Rede ist: Über die schreckliche Anziehungskraft des Geldes wird im Fußball seit Anbeginn geredet. Dieser Sommer hat dennoch neue Zustände beschert. Die englische Premier League ist durch ihre überlegene finanzielle Ausstattung auf dem europäischen Fußballmarkt eine Macht von imperialistischem Ausmaß. Der eine oder andere Ligafunktionär in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien mag sich insgeheim die Expansion des Brexit samt Insel-Isolation auch im Fußball wünschen, andererseits nimmt man das Geld aus England viel zu gern.

Aufsteiger Nottingham Forest etwa hat 150 bis 170 Millionen Euro investiert und dabei zum Beispiel Union Berlin beim Verkauf des Angreifers Awoniyi einen schönen Profit beschert. Die Wolverhampton Wanderers sind mit ihrem speziellen Geschäftsmodell - Import und Export von portugiesischen Spielern - eine Art Hauptsponsor der portugiesischen Liga. Der FC Chelsea erhielt nach dem Verkauf ein Einkaufsbudget von 250 Millionen Euro und muss sich jetzt wirklich beeilen, das Geld loszuwerden, bevor das Transferfenster schließt. Newcastle United, im Besitz des saudischen Staatsfonds, fällt hingegen durch unerwartete Zurückhaltung auf. Aber die letzten Meter vor dem Schluss des Wechselfensters sind oft die teuersten. Vor dem englischen Geld und dessen Versuchungen wird in den nächsten Tagen niemand sicher sein.

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