Champions League im Handball:Der springende Holländer

Lesezeit: 3 min

In Köln könnte sich für Kay Smits der Kreis schließen: Beim Pokal-Final-Four vergab er einen Siebenmeter, aber auch in der Champions League wird er die Magdeburger Strafwürfe übernehmen. (Foto: Marco Wolf/dpa)

Kay Smits hat sich vom Ersatzmann zu einem der besten Spieler in der Handball-Bundesliga entwickelt. Nun soll der wurfgewaltige Linkshänder den SC Magdeburg beim Final4 der Königsklasse in Köln anführen.

Von Ralf Tögel, Magdeburg/München

Arjen Robben, Ruud van Nistelrooy, Rafael van der Vaart, Roy Makaay, Mark van Bommel, Wout Weghorst, Mathjis de Light oder Donyell Malen - und erst gar nicht zu reden von Louis van Gaal, dem Tulpengeneral: Die Liste niederländischer Profis (und Trainer) ist lang, die in der Bundesliga Spuren hinterlassen haben oder die noch dabei sind, es zu tun. Aber natürlich: im Fußball, dem liebsten Sport sowohl der Deutschen als auch der Holländer. Der Vergleich mit dem Handball hat sich verboten - bisher.

Doch seit die Niederländerinnen mit dem Gewinn des Weltmeistertitels Oranje auch auf die internationale Handball-Landkarte gehievt haben, eifern die Männer ihnen nach. Mit einigem Erfolg: Bei der WM in Polen im Januar setzten die Niederländer einige Ausrufezeichen, erreichten die Hauptrunde und waren nicht weit vom Viertelfinale entfernt. Es war erst ihre zweite Teilnahme an einem Weltturnier. 1961 etwa hatte es gegen Deutschland noch ein 7:33 gesetzt - im Januar in Kattowitz war Oranje den Deutschen beim 26:33 schon fast ebenbürtig. Und das liegt nicht zuletzt an der Handball-Bundesliga.

Zwar lassen sich die Niederländer in der weltbesten Liga noch an zwei Händen abzählen, es gibt aber bereits zwei prägende Figuren: Dani Baijens vom Hamburger SV - und Kay Smits vom SC Magdeburg. Smits halten viele sogar für den besten Spieler der gerade beendeten Bundesligasaison, und an diesem Wochenende ist der 26-jährige Linkshänder auch Magdeburgs großer Hoffnungsträger im Finalturnier der Champions League. In Köln könnte der entthronte deutsche Meister die lange Saison nach zwei knapp verpassten Anläufen in Meisterschaft und Pokal doch noch mit einem Titelgewinn beenden.

SZ PlusMeinungHandball-Nationalmannschaft
:Dialog statt Gegenangriff

Nach den bedenklichen Leistungen im Euro Cup gibt es erstmals öffentlich Kritik an Bundestrainer Alfred Gislason. DHB-Präsident Michelmann springt seinem Angestellte mit markigen Worten zur Seite - das Problem löst er damit nicht.

Kommentar von Ralf Tögel

Allerdings könnte die Aufgabe in der Königsklasse kaum anspruchsvoller sein, schon im Halbfinale (Samstag, 15.15 Uhr) ist der FC Barcelona der Gegner - das Maß aller Dinge im internationalen Vereinshandball. Chancenlos sieht Trainer Bennet Wiegert den SC Magdeburg aber nicht, auch wenn Barcelona mit einer furchterregenden Serie in die Lanxess Arena reist: Mit 60:0 Punkten haben die Katalanen neben sämtlichen spanischen Pokalwettbewerben auch erdrückend dominant den 13. Meistertitel in Serie geholt, in der gesamten Champions-League-Saison gaben sie nur in Kiel einen Punkt ab - und in Köln wollen sie zum dritten Mal hintereinander triumphieren. Der THW Kiel war im Viertelfinale an Paris Saint-Germain gescheitert, das am Samstag gegen den polnischen Meister Kielce das zweite Halbfinale bestreitet.

Wegen der Verletzung eines Teamkollegen stand Smits plötzlich in der ersten Reihe

Verloren hat Barcelona in der gesamten Saison ein einziges Mal: im Finale der Klub-Weltmeisterschaft im vergangenen Oktober - gegen Magdeburg. Bei diesem mit 400 000 Dollar dotierten Turniersieg in Saudi-Arabien war Omar Ingi Magnusson bester SCM-Torschütze. Der Isländer war zuvor zum besten Spieler der Bundesliga gewählt worden und besetzte beim SCM die rechte Rückraumposition vor Smits. Doch dann kehrte Magnusson mit einer Fersenverletzung von der WM im Januar zurück, seine Saison war vorzeitig beendet. Und plötzlich stand Smits in der ersten Reihe.

Als hätte er darauf nur gewartet, steigerte sich der Niederländer mit wachsender Verantwortung und Einsatzzeit zum bestimmenden Spieler im Meisterteam, auch als wichtigster Torschütze nahm er scheinbar problemlos die Rolle von Magnusson ein. Der 26-Jährige ist mit 190 Treffern in der Liga und 78 in der Königsklasse Magdeburgs mit Abstand erfolgreichster Werfer.

Torgefahr, Abwehrarbeit, Tempo, Athletik und das Auge für den Nebenmann - ein kompletter Handballprofi

Smits Torgefährlichkeit (Trefferquote 71,9 Prozent) ist aber nicht dessen einzige Qualität: Der Holländer ist ein erstklassiger Abwehrspieler, wegen seines Tempos und seiner Athletik in Eins-gegen-eins-Duellen schwer zu halten, und er hat ein Auge für den Nebenmann. Trotz seiner für einen Rückraumwerfer eher überschaubaren Größe von 1,86 Metern ist er dank seiner Athletik und Sprungkraft auch aus der Distanz sehr erfolgreich, was ihn schwer berechenbar macht.

Und Smits übernimmt bei Strafwürfen Verantwortung, auch bei diesem Nervenspiel zeichnet ihn eine ausgezeichnete Trefferquote (85,6 Prozent) aus. Smits ist also das, was man einen kompletten Handballprofi nennt. Und woher kommt dieser ungeheure Leistungssprung in dieser Saison? "Je mehr Einsatzzeit ich bekommen habe, umso besser wurde es", sagt Smits, "auch das Vertrauen des Trainers hat mir geholfen." Dieses war zwar den Umständen geschuldet, wie SCM-Coach Wiegert in seiner pragmatischen Art zugibt, "aber Kay ist für uns enorm wichtig geworden". Dass er vom Pech des Kollegen profitiert hat, tue ihm für Magnusson leid, sagt Smits, letztlich sei im Profisport aber wenig Platz für Sentimentalität: "So konnte ich meine Chance nutzen."

Handball
:Eine beispiellose Dominanz im deutschen Sport

55. Bundesliga-Siege in Serie, zwei Jahre ohne Niederlage: Die Bietigheimer Handballerinnen sind wieder deutscher Meister, verlieren aber Trainer Markus Gaugisch. Bleibt noch ein großes Ziel: der Gewinn der Champions League.

Von Ulrich Hartmann

Magnusson muss auch nicht befürchten, seinen Stammplatz an Smits verloren zu haben, denn der wird sich zur kommenden Saison der SG Flensburg-Handewitt anschließen. Smits Entscheidung war noch vor Magnussons Malheur gefallen. Ein Fehler? Weder Wiegert noch Smits wollen daran einen Gedanken verschwenden, die ungeteilte Aufmerksamkeit gelte nun dem Finalturnier am Wochenende: "Danach werde ich mich mit Flensburg beschäftigen", sagt Smits.

Trotz der klaren Favoritenposition von Barcelona hält es Smits für durchaus denkbar, mit der Krone der Königsklasse in den hohen Norden zu wechseln. Außerdem schließt sich für den Holländer in Köln ein Kreis. Im Pokal-Final-Four Ende April hatte Smits im Finale gegen die Rhein-Neckar Löwen sechs Sekunden vor dem regulären Ende einen Matchball verworfen, die Löwen gewannen schließlich im Siebenmeterwerfen den Titel. Schon damals hatte Smits gesagt, dass er dennoch auch beim nächsten Mal "wieder zum entscheidenden Siebenmeter antreten wird". Er könnte sehr bald die Gelegenheit dazu bekommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kiel wird deutscher Handball-Meister
:Alles wie immer? Mitnichten

Der THW Kiel gewinnt seine 23. Meisterschaft. Das klingt nach Routine, doch die abgelaufene Liga-Saison war eine der spannendsten der jüngeren Geschichte. Nun verliert der neue Meister seine besten Spieler - was der Dramatik nicht schadet.

Von Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: