Karim Benzema in der Champions League:Im Stile einer Marienerscheinung

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Der Real-Held der magischen Nacht: Mittelstürmer Karim Benzema, 34. (Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Mit einem Hattrick gegen Paris Saint-Germain trägt sich Karim Benzema in goldenen Lettern in die Geschichtsbücher von Real Madrid ein - und festigt den Ruf des Bernabéu-Stadions als Bühne für Fußballwunder.

Von Javier Cáceres, Madrid

Der Auftritt von Karim Benzema, 34, hatte geradezu biblischen Charakter. Denn wer sich beim Rückspiel gegen Paris Saint-Germain für die Vitalfunktionen von Real Madrid interessierte, als eine Stunde Spielzeit vorüber war, der hätte nicht mal mit sensibelsten Geräten noch irgendetwas gefunden. Tot, mausetot war Real. Doch dann kam Benzema, fabrizierte binnen einer guten Viertelstunde einen Hattrick, der Real zum Leben erweckte - und PSG aus der Champions League jagte.

Nach einem 0:1-Rückstand drehte der französische Mittelstürmer Benzema das Spiel und - nach einer 0:1-Niederlage im Hinspiel - das gesamte Achtelfinale gleich mit. "Legende Benzema", schmachtete das Sportblatt Marca am Donnerstag, und dem konnte man etwas Wahres abgewinnen. Denn in den Geschichtsbüchern von Real ist Benzema nun endgültig in goldenen Lettern eingetragen.

"Benzema ist zusammen mit Robert Lewandowski der beste Neuner überhaupt", sagt Reals Torwart Courtois

Auf 309 Pflichtspieltore für den spanischen Rekordmeister kommt Benzema seit Mittwochabend - das ist nun ein Treffer mehr, als die 2014 verstorbene Klublegende Alfredo Di Stéfano erzielt hatte. Nur Cristiano Ronaldo (451 Tore) und Raúl González Blanco (333) stehen in Reals Rekordbilanz vor Benzema, hinter ihm sind große Namen wie Santillana (290), Puskas (242), Hugo Sánchez (208), Butragueño (182) und Gento (172) zu finden. Benzema hat zudem nun 67 Champions-League-Tore aufzuweisen - eins mehr als der im Herbst seiner Karriere nach Schalke gewechselte Raúl. Und er ist nun der älteste Fußballer, der je in der Königsklasse einen Hattrick erzielt hat (34 Jahre, 80 Tage). "Ich bin sehr stolz, das geschafft zu haben", sagte Benzema nach dem 3:1. Und lächelte.

Über einen langen Zeitraum war der 2009 aus Lyon nach Madrid gekommene Franzose im Bernabéu-Stadion kritisch beäugt worden. Vor gut einem Jahrzehnt ergoss sich der damalige Trainer José Mourinho gar in bösem Spott: "Wenn du keinen Hund hast, um auf die Jagd zu gehen, nimmst du halt eine Katze ...", hatte der Portugiese über Benzema geätzt. Der packte den Portugiesen daraufhin zumindest im übertragenen Sinne am Revers.

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Handgemenge, Drohungen, wütende Spieler: Nach Abpfiff war in den Katakomben des Bernabéu-Stadions fast mehr los als auf dem Rasen. Und das will was heißen nach dem spektakulären 3:1 von Madrid über Paris Saint-Germain.

Von Javier Cáceres

"Ich respektiere dich als Trainer, respektiere mich als Fußballer!", rief Benzema Mourinho ins Gesicht. Wobei der Coach beileibe nicht der Einzige war, der sich an der introvertierten, selbstlosen, schleichenden Wesensart des Franzosen stieß, der von Beginn an auf dem Feld gut kombinierte, aber nie zuzubeißen schien. "Ich spiele für die, die Ahnung haben vom Fußball", sagte Benzema einmal. Kraft seiner Tore verstehen ihn nun sogar jene, die sich nur für nackte Resultate interessieren.

Benzema hat in dieser Saison bereits 30 Mal getroffen, er ist damit nur noch zwei Treffer von seiner Saisonbestmarke 2011/12 entfernt. Aber einen Auftritt wie nun gegen Paris, bei dem er nicht nur seinen brillanten PSG-Landsmann Kylian Mbappé in den Schatten stellte, sondern zur "Marienerscheinung" wurde, wie die Zeitung El País schrieb, hatte Benzema bis dato nicht geliefert. Zumindest nicht in dieser Form.

"Benzema ist einer der großartigsten Stürmer der Welt, zusammen mit Robert Lewandowski der beste Neuner überhaupt. Er hat gezeigt, dass er den Ballon d´Or verdient hat", sagte Real-Torwart Thibaut Courtois in Anspielung auf die Weltfußballer-Trophäe. "Ich weiß nicht, was die Eintrittskarten heute gekostet haben", ergänzte die Klublegende Butragueño in seiner Rolle als Außenminister des Präsidiums: "Aber nach allem, was heute passiert ist, waren sie günstig."

Was passiert war, war so spektakulär, dass auch der frühere FC-Bayern-Verteidiger David Alaba wie von Sinnen war. Der Österreicher griff sich beim Torjubel einen der Plastikklappstühle für die Sicherheitsstewards und reckte die Sitzgelegenheit in die Höhe wie eine Trophäe.

"Benzema glich aus, und die Magie des Bernabéu schien auf", erklärt Trainer Carlo Ancelotti

Benzemas schönste Aktion war in der ersten Halbzeit ein Schlenzer, den PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma mit einer sagenhaften Parade zur Ecke lenkte. Doch nach dem Spiel sprach alle Welt nur noch über die Schlüsselszene zum Ausgleich (61.). Donnarumma hatte einen Rückpass im Strafraum am Fuß unter Kontrolle, zögerte aber mit einem Abspiel. Benzema bedrängte ihn, bis Donnarumma einen fatalen Fehlpass auf Vinícius spielte, der wiederum Benzema bediente - und der staubte dankend ab. "Das war kein Fehler des Torwarts, sondern Resultat meines Pressings", lobte Benzema Benzema.

Im Lager von PSG sah man das selbstverständlich anders: Donnarumma war zu Boden gegangen, er klagte beim Schiedsrichter über ein angebliches Foul, das auch sein Trainer Mauricio Pochettino gesehen haben wollte: "Eine Schande, dass der Videoschiedsrichter nicht eingriff", wetterte Pochettino, "das hat das Spiel gedreht." In der Tat: "Benzema glich aus, und die Magie des Bernabéu schien auf", erklärte Real-Coach Carlo Ancelotti.

"Magie" bedeutete, dass PSG unter dem Druck des Bernabéu-Publikums zusammenbrach. Treffer zwei war vor allem ein Werk eines anderen Real-Altmeisters: Luka Modric, 36, der neben Benzema gegen Paris herausragte, überquerte im Konter den ganzen Platz, bis er am Ende der von ihm eingeleiteten Aktion einen "versaillesquen Pass" auf Benzema in den Strafraum spielte, wie El País fand. Benzema vollendete.

Keine 120 Sekunden später - und ganze zehn Sekunden nach Wiederanstoß - bekam der Stürmer dann den Ball von PSG-Verteidiger Marquinhos unfreiwillig in den Fuß gespielt, Benzema nahm das Geschenk an, kunstvoll per Direktabnahme mit dem Außenrist. Das hieß: 3:1 im Bernabéu, wo "Wunder als Routine" angesehen werden, wie die Zeitung ABC schrieb.

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