Nationalspieler Karim Adeyemi:Aus Haching in die Welt

Lesezeit: 3 min

Schwer aufzuhalten: Karim Adeyemi im Hinspiel, beobachtet von Lucas Hernandez und Marcel Sabitzer. (Foto: Imago Images/ActionPictures)

Karim Adeyemi gehört zu den besten und umworbenen Fußballern des Bayern-Gegners Salzburg. Begonnen hat sein Weg in Unterhaching unter Förderer Manni Schwabl - der auch mal in der Schule vorstellig werden musste.

Von Felix Haselsteiner und Christoph Leischwitz, München

Im Sommer 2016 hatte Manfred Schwabl einen Termin in der Schule. "Eisig" sei das Gespräch mit der Rektorin gewesen, so erinnert er sich. Denn die Lehrerschaft hatte das Gefühl, dass einer der Schüler nichts außer Fußball im Kopf hatte. Wenn im Schulsport Turnen statt Kicken anstand, hatte der damals 14-Jährige Karim Adeyemi auf einmal den Turnbeutel vergessen. Es waren kleine Auffälligkeiten, die dazu führten, dass Schwabl, damals wie heute Präsident der SpVgg Unterhaching, vorstellig werden sollte.

Im Anschluss habe er Adeyemi eine klare Ansage gemacht: Wenn dieser sich in der Schule nicht zusammenreiße, gäbe es weder Training noch Spiele. "Es war so, wie wenn man einem Kind kurz sein Lieblingsspielzeug wegnimmt. Damit bewirkt man vielleicht was", sagt Schwabl.

Sein erzieherischer Trick ging allerdings nur zum Teil auf: Ein weiteres Gespräch mit der Rektorin war zwar nicht nötig. Nur hat sich Karim Adeyemi wohl weiterhin die meiste Zeit mit Fußball beschäftigt. Anders wäre er sechs Jahre später nicht einer der begehrtesten jungen Profis in Europa, deutscher Nationalspieler - und die Hoffnung des FC Red Bull Salzburg im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League beim FC Bayern an diesem Dienstag.

Okafor und Adeyemi sind aktuell diejenigen, um die sich das Salzburger Offensivspiel dreht

Für Adeyemi ist die Reise zum Rückspiel auch eine Rückkehr in die Stadt, in der er aufgewachsen ist. In München lernte der Sohn eines Nigerianers und einer Rumänin das Fußballspielen. Vom TSV Forstenried wechselte er für kurze Zeit als Kind zum FC Bayern, 2012 kam er nach Unterhaching. Jugendtrainer Marc Unterberger hatte ihn damals bei einem Turnier gesehen und Adeyemis Vater seine Nummer gegeben. Die Eltern meldeten sich nach ein paar Wochen.

Auch schon damals schwer aufzuhalten: Adeyemi bei einem Spiel gegen die B-Junioren der Bayern (Foto: Claus Schunk)

Forstenried, Bayern, Haching - es waren Stationen, wie sie im Münchner Jugendfußball viele Talente abklappern, nur steht üblicherweise der FC Bayern am Ende der Liste und nicht zwischendrin. Adeyemis Verbindungen jedoch reichen eher nach Unterhaching als an die Säbener Straße. Und spätestens seit Adeyemis Länderspieldebüt samt Tor gegen Armenien ist Schwabl, 55, auch als Förderer des Stürmers bekannt.

"Ich denke auf jeden Fall, dass wir hier in Haching etwas zu seiner persönlichen Entwicklung beigetragen haben", sagt Schwabl, der weiterhin ein enges Verhältnis zu Adeyemi und seiner Familie hat; beim Länderspiel damals in Stuttgart saßen sie gemeinsam auf der Tribüne. Bei Spielern mit einem so offensichtlich großen Talent bestünde nämlich für die Karriere eigentlich nur eine einzige Gefahr, sagt Schwabl: dass die persönliche Entwicklung nicht Schritt halte mit der sportlichen.

Bei Adeyemi sei bald "des Zehnerl gefallen", weiß Schwabl heute: "Er denkt sich einfach nichts dabei, wenn er dreimal danebenschießt, dann schießt er halt vier-, fünf-, sechsmal." Dass talentierte Stürmer von Selbstzweifel zerfressen wurden, habe er auch in seiner eigenen Karriere als Profi beim FC Bayern, dem 1. FC Nürnberg und 1860 München oft miterlebt, sagt Schwabl. Adeyemi sei da anders.

Um ihr herausragendes Talent kümmerten sich die Hachinger damals schon besonders. Und für Schwabl ist Adeyemi heute noch ein Hachinger. Sein Zimmer im Münchner Vorort hat er auch nach seinem Umzug nach Salzburg 2019 behalten, aktuell wohnen dort drei Hachinger Jugendspieler, verwaltet wird das Gästehaus von Adeyemis Eltern.

Demnächst zu Borussia Dortmund? Die Premier League, meint Schwabl, komme jedenfalls zu früh

Der Schritt nach Salzburg war geografisch gesehen zwar kein Eintritt in eine neue Welt, fußballerisch allerdings schon. Mit 16 trainierte Adeyemi in Liefering bei der Salzburger Jugendabteilung bereits in der U19. Sein Talent war in Europa verbrieft. Als Salzburg den Transfer verkündete, war das ein Indiz dafür, dass viele der besten jungen Talente sich nun wirklich in Österreich sammeln.

Das Wissen, dass er bereits als Nachfolger bereitstand, erleichterte auch den Abschied von Erling Haaland in Salzburg: Adeyemi erreichte zwar nie die Torquote des Norwegers, nahm aber den Platz als schneller, flexibler Stürmer ein. Im System des Trainers Matthias Jaissle bekommt der 20-Jährige viele Freiheiten, nicht alles ist jedoch auf ihn zugeschnitten: Salzburg verlagert das Toreschießen mittlerweile auf mehrere Schultern, weshalb der drohende Ausfall des ebenfalls in Europa umworbenen Noah Okafor am Dienstagabend durchaus die Ambitionen auf eine Überraschung in München einschränken würde.

Okafor und Adeyemi sind aktuell diejenigen, um die sich das Salzburger Offensivspiel dreht - und das Transfergerede. Adeyemi könnte in Dortmund erneut auf Haaland folgen, auch wenn dem Vernehmen nach derzeit noch Debatten über die Ablösesumme das Geschäft aufhalten. Dass Adeyemi nächstes Jahr noch in Salzburg spielen wird, erscheint jedenfalls unwahrscheinlich. Zumindest in Haching hätte man nichts gegen einen Umzug einzuwenden: rund 20 Prozent der Ablösesumme für Salzburg würden an die SpVgg weiter transferiert.

Der Mentor will den weiteren Werdegang seines einstigen Lausbuben übrigens ungern kommentieren: Manfred Schwabl findet zwar, dass Adeyemi aufgrund seiner Spielanlage "prädestiniert für die Insel" sei, also für die Premier League. Dieser Schritt käme nach seinem Geschmack aber noch ein bisschen zu früh.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Niklas Süle beim FC Bayern
:Noch drei Monate Chef

Seit der Ankündigung seines Abschieds zu Borussia Dortmund ist Niklas Süle der stabilste Verteidiger der immer mal wieder wackligen Bayern-Abwehr. Dayot Upamecano zeigt eher das Gegenteil.

Von Sebastian Fischer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: