Niklas Süle beim FC Bayern:Noch drei Monate Chef

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Umarmungen für den Torschützen: Niklas Süle (Mitte) nach seinem Treffer gegen Leverkusen zusammen mit Jamal Musiala und Kingsley Coman (rechts). (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Seit der Ankündigung seines Abschieds zu Borussia Dortmund ist Niklas Süle der stabilste Verteidiger der immer mal wieder wackligen Bayern-Abwehr. Dayot Upamecano zeigt eher das Gegenteil.

Von Sebastian Fischer, München

Dafür, dass sie über die Leinwand des eigenen Stadions liefen, zeigten die Bilder zwei der wichtigsten Menschen in der Geschichte des FC Bayern in einem durchaus heiklen Moment. In der 18. Minute beim 1:1 gegen Leverkusen hatte Niklas Süle gerade das Führungstor geschossen und ließ sich von seinen Kollegen und den meisten der 25 000 Menschen in der Arena feiern, da waren Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auf der Haupttribüne zu sehen.

Würden sie nun so euphorisch jubeln wie die Fans? Das hätte zumindest Rummenigge, dem ehemaligen Vorstandschef, negativ ausgelegt werden können: als eine Art Eingeständnis, dass der Verteidiger Süle vielleicht doch etwas mehr ist als ein "brauchbarer" Fußballer, so hatte ihn Rummenigge vor Kurzem genannt. Aber sich deshalb nicht freuen? Das gehört sich ja auch nicht.

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Auf der Leinwand waren schon nach wenigen Sekunden wieder andere Bilder zu sehen, entsprechende Schlüsse verbaten sich also. Aber das Thema, wie die Abwehr des Rekordmeisters in naher und langfristiger Zukunft zu den Ansprüchen angemessener Souveränität finden kann, und was das mit den Entscheidungen der Vergangenheit sowie mit Süle zu tun hat, dieses Thema beschäftigt den Verein trotzdem weiterhin.

Niklas Süle sagt, er gebe "alles dafür, dass Dortmund dieses Jahr Zweiter wird"

Der Nationalspieler, 26, hat nach dem Spiel sein erstes Interview gegeben, seit Anfang Februar sein ablösefreier Wechsel zu Borussia Dortmund bekanntgegeben wurde. Er gebe "alles dafür, dass Dortmund dieses Jahr Zweiter wird", sagte er am Sky-Mikrofon, wobei wohl selbst in Dortmund niemand mehr erwartet, noch Erster zu werden. Er sei dem FC Bayern jedenfalls dankbar, sagte Süle dann noch, was schon deshalb erwähnenswert war, weil der Grad der Dankbarkeit für ihn auf der Führungsebene des FC Bayern seit Langem umstritten ist.

Gerade nicht wirklich stabil unterwegs: Dayot Upamecano (rechts) gegen den Leverkusener Charles Aranguiz. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Süle ist aber gerade nicht nur wegen seiner Wortwahl ein prägender Protagonist des Klubs. Neben seinem Tor aus dem Getümmel nach einem Eckball bot er einmal mehr eine fehlerarme Leistung. Nicht zum ersten Mal war er damit eher die Ausnahme in der Bayern-Innenverteidigung, auch wenn Münchens Defensive weiterhin die beste der Liga ist. Doch nicht zum ersten Mal sah Süles souveräner Auftritt wie das Gegenteil des Spiels von Dayot Upamecano aus, dem im vergangenen Sommer für 42 Millionen Euro verpflichteten vermeintlichen Nachfolger für David Alaba.

Der Fokus in der Analyse von Julian Nagelsmann lag auf zehn Minuten vor der Halbzeitpause, die den Trainer an prägende Momente dieser Saison erinnerten. Ähnlich wie beim 0:5 im Pokal in Mönchengladbach und beim 2:4 in Bochum spielten die Bayern durch "einfache Fehler" bei Rückpässen oder Querpässen "dem Gegner total in die Karten".

Nach dem Ausgleich durch Thomas Müllers erstes Eigentor im 407. Bundesliga-Spiel dessen Karriere, als die Absprache mit Torwart Sven Ulreich misslang und Müller eine harmlose Leverkusener Flanke ins eigene Netz grätschte, wirkten die Münchner hinten bis zum Pausenpfiff geradezu panisch. Als würden sie wieder an Gladbach und Bochum denken, wie Nagelsmann vermutete. Im Minutentakt vergab Leverkusen Großchancen.

Vermutlich auch nicht die richtige Alternative als Verteidiger: Thomas Müller (rechts) unterläuft das erste Eigentor seiner Profi-Karriere. (Foto: Straubmeier/Nordphoto/imago)

Es gehe darum, auch mal einfache Lösungen im Aufbau zu wählen, sich von dem Gedanken "ich zaubere jetzt da hinten raus" zu lösen, erklärte der Trainer. Gemeint war damit wohl vor allem Upamecano. Er spielte einen misslungenen Rückpass, den Leverkusens Amine Adli erlief, der dann anschließend um Ulreich dribbelte und mit dem Ball den Pfosten traf. "Seine größte Qualität ist das Verteidigen", sagte Nagelsmann über den 23-jährigen Franzosen, den er schon aus zwei Jahren bei RB Leipzig kennt. Darin sei er eine "Maschine". Und "darauf darf er sich immer besinnen". Er habe nichts dagegen, wenn Upamecano mal "ein Ding in den dritten Rang hochschießt". Das sehe dann zwar nicht "supersmart aus". Aber supersmart seien Fehlpässe auch nicht.

Die Bayern wirkten nicht zum ersten Mal erst nach einer Umstellung in der Pause stabiler. Angesichts der Gelbsperre von Lucas Hernández hatte Nagelsmann eine Viererkette aufgestellt, mit Omar Richards, Upamecano, Süle und Benjamin Pavard von links nach rechts. Nach der Pause verteidigten Upamecano, Süle und Pavard zu dritt. Süle spielte in der Mitte.

Vorstandschef Oliver Kahn lobt Süles "absolute Professionalität"

Die Situation erinnert inzwischen verdächtig an jene vor einem Jahr. Damals war erwähnter Alaba der unangefochtene Abwehrchef. Der Österreicher rief für sein Gehalt angeblich Mondpreise auf, die sich angeblich auch an jenen des für 80 Millionen Euro Ablöse verpflichteten Hernández ausrichteten. Eine Einigung scheiterte bekanntlich, er ging zu Real Madrid. Der Unterschied diesmal lässt den Verein fast noch etwas unglücklicher aussehen: Süle spielt ausgerechnet seit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe einer fehlgeschlagenen Einigung über einen neuen Vertrag wie der Stabilisator der Abwehr.

Oliver Kahn, Rummenigges Nachfolger als Vorstandschef, lobte im Sky-Interview vor dem Spiel Süles "absolute Professionalität". Doch von der profitieren die Münchner nur noch knapp drei Monate. Spätestens danach müssen Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic wohl im zweiten Jahr hintereinander auf dem Transfermarkt einen neuen Abwehrchef finden.

Für den Rest der Saison hat sich Süle vorgenommen, alles für möglichst zwei Titel mit den Bayern zu geben, also auch die Champions League neben der Meisterschaft zu gewinnen. Im Achtelfinal-Rückspiel gegen Salzburg an diesem Dienstag könnte er schon wieder einer der wichtigsten Spieler sein.

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