Kampf um die Europa League:Wer gewinnt einen Platz im Verlierer-Cup?

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Fünf Spieltage fehlen dieser Bundesliga-Saison noch und selten war der Kampf um die Europa-League-Plätze so spannend wie in diesem Jahr. Fünf Teams kämpfen um drei Plätze, drei Punkte trennen den fünftplatzierten VfB Stuttgart vom VfL Wolfsburg auf Rang neun. Wie ist die Stimmung bei den Kontrahenten? Wie sieht das Restprogramm aus? Ein Überblick.

Frieder Pfeiffer

Natürlich ist alles eine Frage der Perspektive. Schaut man aus dem erfolgsverwöhnten München hinunter ins imaginäre Tal der monetär vernachlässigten Europa League, erspäht der Champions-League-Stammgast allenfalls einen Notausgang. Franz Beckenbauer nannte ihn "Verlierer-Cup".

Elf des Bundesliga-Spieltags
:Mittelstürmer und Facebook-Freunde

Die Spieler des FC Bayern und der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp bereiten sich eigenwillig auf das Spiel am Mittwoch vor. Facebook-Fans debattieren über einen Schiedsrichter. Dieter Hecking und Mario Gomez duellieren sich in punkto Schnelligkeit - und Christian Lell liefert nach seinem Foul an Marco Reus die ehrlichsten Worte des Spieltags ab.

Doch es genügt ein Ortswechsel für eine spektakuläre Umdeutung. In Hannover will Klubchef Martin Kind unbedingt wieder dorthin, wo er eben erst rausgeflogen war. Nach dem Aus im Viertelfinale gegen Atletico Madrid hörte man ihn schwärmen: "Jetzt ist es unser Ziel, auch nächstes Jahr wieder international dabei zu sein." Und Trainer Mirko Slomka ergänzte: "Uns allen bleiben tolle Erlebnisse."

Auch wenn die Konkurrenz in München und auch Dortmund einen Ausflug in die Europa League inzwischen wohl nicht unbedingt als "tolles Erlebnis" einordnen würde - zumindest fünf Teams haben in dieser sich dem Ende neigenden Saison noch große Hoffnungen auf den Wettbewerb Europa League.

Trotz des sperrigen Namens ist es immer noch Europapokal, das zieht. In Stuttgart, Bremen, Hannover, Leverkusen und Wolfsburg erhofft man sich internationales Ansehen. Das Beispiel Hannover zeigt, dass das durchaus möglich ist. "Jetzt kennt man Hannover 96 auch international", freute sich 96-Verteidiger Emanuel Pogatetz.

So eng wie in diesem Jahr war der Kampf um Europa noch selten. Drei Plätze werden über die Bundesliga-Tabelle an deutsche Vereine vergeben. Die Positionen fünf bis sieben sind das Ziel. Vor dem 30. Spieltag, der an diesem Dienstag und Mittwoch bestritten wird, hat der fünftplatzierte VfB Stuttgart gerade einmal drei Punkte Vorsprung auf den neuntplatzierten VfL Wolfsburg.

15 Punkte sind in fünf Spielen noch zu vergeben. Wie ist die Stimmung bei den Kontrahenten? Wie sieht das Restprogramm aus? Ein Überblick.

In Stuttgart wurden zuletzt sieben Spiele nicht verloren, in Dortmund war das Team mitbeteiligt am wohl besten Spiel der Saison (4:4), nur der dortige Meister schoss in diesem Jahr mehr Tore als der VfB (31:29). Kein Wunder also, dass es eher euphorisch zugeht. "Sensationell" findet Bruno Labbadia seine Mannschaft derzeit, "wahnsinnig" sei ihre Bereitschaft gewesen, und dass sie jetzt schon wieder vier Tore geschossen haben, also das sei "unglaublich".

Grund für die Torquote, die an das magische Dreieck und Trainer Joachim Löw erinnert, ist wohl Winterzugang Vedad Ibisevic, der in zehn Spielen für den VfB inzwischen sieben Mal traf und darüber hinaus eine derartige Wichtigkeit für das gesamte Spiel besitzt, dass man in Stuttgart nicht zu unrecht meint, endlich den Nachfolger von Mario Gomez gefunden zu haben. "So ein Spieler hat uns gefehlt", sagte Manager Fredi Bobic.

Doch selbst nach dem überzeugenden 4:1 gegen Mainz am Wochenende mahnte Labbadia in Bezug auf die Europa League: "Wir dürfen nicht anfangen zu spinnen. Unsere ganze Konzentration gilt Augsburg." Auch wenn er damit das Einmaleins der Trainermathematik befolgt - die Vorsicht ist berechtigt. Seit acht Spielen ist der Aufsteiger zuhause unbesiegt, auch das weitere Restprogramm ist anspruchsvoll.

Trotz aller Mahnungen schieben einige Akteure alle Vorsicht bezüglich langfristiger Gedankenspiele beiseite. Die Europa League ist ein großes Thema in Stuttgart. "Die müssen wir als Ziel ausgeben", sagt Kapitän Serdar Tasci. Julian Schieber wird noch deutlicher: "Wir sind dicker oben dabei, als wir vor Wochen gedacht haben. Das wollen wir nicht mehr hergeben."

Restprogramm:

FC Augsburg (A) Werder Bremen (H) 1. FC Köln (A) Bayern München (A) VfL Wolfsburg (H)

Es hatte gar nicht gut ausgesehen. Fünf Pflichtspiel-Niederlagen hatten aus dem Champions-League-Aspiranten Leverkusen einen möglichen Europa-League-Verpasser gemacht. Trainer Robin Dutt musste gehen, es kam ein Duo mit Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski.

Dieses konnte im ersten Spiel in Hamburg (1:1) zumindest das Abrutschen Richtung Bedeutungslosigkeit im Tabellen-Mittelfeld vorübergehend stoppen. Nach Platz zwei in der Vorsaison ist man in Leverkusen nun etwas genügsamer: "Wir sind aus einer schlimmen Niederlagenserie gekommen, da ist ein Punkt beim HSV ein gutes Ergebnis."

In Leverkusen geht es schon lange nicht mehr ums Schönspielen, selbst der lang verletzte Michael Ballack, der zur neuen Saison seine Karriere in den USA ausklingen lässt, wird in diesen Zeiten zum Hoffnungsträger. Eine der talentiertesten Mittelfeldreihen der Bundesliga muss nun erst einmal auf Abstiegskampf machen, um im Wettbewerb um die Europa-League-Plätze den nötigen Ernst zu entwickeln. Denn Dutts spielerischer Ansatz war erfolglos, auch aufgrund persönlicher Zwistigkeiten mit einzelnen Spielern.

"Das Team hat zwar nicht den Fußball gezeigt, den wir uns vorstellen, aber von der Power war das in Ordnung", stellte Lewandowski nach dem 1:1 gegen den HSV fest. Und der erfahrene Ballack weiß, dass die Floskel "über den Kampf ins Spiel kommen" in diesem Fall durchaus ihre Berechtigung hat. Denn: "Wir haben hervorragende Fußballer in unseren Reihen, das müssen wir wieder auf den Platz kriegen." Das eher leichte Restprogramm ist da durchaus als Hilfe anzusehen.

Restprogramm:

1. FC Kaiserslautern (H) Hertha BSC (H) 1899 Hoffenheim (A) Hannover 96 (H) 1. FC Nürnberg (A)

In der kommenden Saison wird Tim Wiese nicht mehr bei Werder Bremen spielen. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht viele Gedanken um den Verein macht, für den er in den vergangenen Jahren wie wohl kein anderer stand. "Wenn man schon mit gesenktem Kopf anfängt", schimpfte Wiese nach dem 1:1 beim 1. FC Köln an diesem Wochenende. "Es fehlt uns an Körpersprache, die ist extrem wichtig."

An diesem Donnerstag kommt Borussia Mönchengladbach, es könnte einfacher sein. Doch Wiese beweist, dass er nicht nur aufs eigene Team schaut: "Die spielen auch nicht mehr ihren Hurra-Fußball." Doch so weit entfernt von alten Glanz-Zeiten wie Werder sind sie nicht.

Zu den spielerischen Problemen kommt die Planung für die neue Saison. Regelmäßig war man in den vergangenen Jahren Gast der Champions League gewesen, nun muss der Neuanfang her, damit eine Rückkehr überhaupt zur Option wird. Neben Wiese wird auch Naldo gehen, doch in erster Linie beschäftigt die Verantwortlichen der Kampf um Claudio Pizarro, der ein wichtiges Mitglied des neuen Teams werden soll.

Es geht ums Geld, geschätzte vier Millionen Euro bekommt Pizarro momentan. Doch auch die sportliche Perspektive spielt eine Rolle. Die Europa League könnte helfen. Doch weder Form noch Restprogramm sprechen für Bremen. Eine sichere Planung wird es wohl erst nach der Saison geben.

Restprogramm:

Bor. Mönchengladbach (H) VfB Stuttgart (A) Bayern München (H) VfL Wolfsburg (A) FC Schalke 04 (H)

Theoretisch müsste Hannover 96 über die größten Motivationspotentiale der fünf Bewerber verfügen. Das Team weiß aus sehr frischer Erinnerung, um was es geht. Und es weiß, dass es unbedingt wieder da hin will. Doch der umfangreiche Ausflug in die Europa League hat auch Kraft gekostet. Die Saison ist lang, das 0:3 gegen Schalke am Sonntag war ein erster Hinweis auf mögliche Schwierigkeiten im Endspurt. Momentan wäre Hannover als Achter nicht für die Europa League qualifiziert.

"Wir müssen schnell den Kopf frei kriegen. Wir holen die Big Points nicht in Madrid oder Schalke, sondern zu Hause. Da sind wir ungeschlagen und es stehen noch drei Heimspiele an, die machbar sind", sagte Jan Schlaudraff. Am Mittwoch geht es gleich um sehr viel, Felix Magath kommt mit dem VfL Wolfsburg.

"Der Kampf um die Europacup-Plätze ist ein enges Rennen. Darum ist es wichtig, gegen einen direkten Konkurrenten wie Wolfsburg zu punkten", fordert Mirko Slomka. Wolfsburg ist eines der auswärtsschwächsten Teams der Liga. Es ist nicht Madrid und nicht Schalke. Es geht, so würde es Schlaudraff sagen, um "Big Points".

Restprogramm:

VfL Wolfsburg (H) Hamburger SV (A) SC Freiburg (H) Bayer Leverkusen (A) 1. FC Kaiserslautern (H)

Die wichtigste Meldung pünktlich zum Bundesliga-Endspurt aus Wolfsburg kommt natürlich von Felix Magath. Der will seinen Vertrag über das Saisonende hinaus verlängern. "Ich werde auch noch 2014 VfL-Trainer sein und auch länger für den VfL arbeiten", sagte Magath der Sport Bild.

Er will den Verein zur Spitzenmannschaft formen, 2009 war er schon einmal nah dran, verschwand dann aber zum FC Schalke. Auf dem Weg nach oben wäre die internationale Ausrichtung nicht ungeschickt, von allen fünf Kontrahenten hat Wolfsburg nach dem 1:3 gegen Dortmund jedoch die ungünstigste Ausgangslage.

Finanziell braucht der VfL Wolfsburg den Europapokal sicherlich nicht. Doch um Spieler wie Mario Mandzukic und Patrick Helmes zu halten und andere mögliche Angestellte, wie den ausgeliehenen Diego, zu überzeugen, ist der VfL schon ein wenig auf die Europa League angewiesen.

Nur dann kann Magaths Mission, "eine Mannschaft zu entwickeln, die in den nächsten Jahren zu den besten in Deutschland zählt und im internationalen Geschäft zu Hause ist", wahr werden. In den fünf verbleibenden Spielen tritt Wolfsburg dreimal gegen Mitbewerber an, am letzten Spieltag geht es nach Stuttgart.

Im Fußballersprech heißt das: "Wir haben es in der eigenen Hand." Ob sich in der Folge dann eine Spitzenmannschaft formen lässt, hängt jedoch von mehreren Faktoren ab.

Restprogramm:

Hannover 96 (A) FC Augsburg (H) FSV Mainz 05 (A) Werder Bremen (H) VfB Stuttgart (A)

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