Krise im Fußball:Gedankenspiel Planinsolvenz

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Bei einer Planinsolvenz könnten auch Gelder einer Fananleihe verloren sein. (Foto: imago images/Jan Huebner)
  • Für zwei Klubs hat sich durch die Notfallregeln der DFL und des DFB eine unerwartete Chance aufgetan.
  • Kaiserslautern und Karlsruhe könnten sich insolvent erklären, ohne mit einem Neun-Punkte-Abzug zu rechnen, der für beide wohl den Abstieg bedeuten würde.
  • Doch die Verbindlichkeiten haben beide Vereine schon vor der Pandemie angehäuft.

Von Christoph Ruf

Soeren Oliver Voigt will öffentlich nichts sagen, wenn er nach den neuerdings so rosigen Zukunftsaussichten des 1. FC Kaiserslautern gefragt wird. Nur ein dürres Statement gibt es von der Pressestelle. Der Mann, der seit einigen Monaten Geschäftsführer des krisengeschüttelten Drittligisten ist, lässt sich darin mit dem Satz zitieren, er habe schon bei Amtsantritt um die "brisante wirtschaftliche Situation des FCK" gewusst. Man prüfe "selbstverständlich alle Optionen, die sich aus der Situation ergeben."

Dabei darf man davon ausgehen, dass sich vor kurzem in den Büroräumen des FCK, den 20 Millionen an Verbindlichkeiten drücken, ein überraschendes Gefühl der Erleichterung breitgemacht haben könnte. Ähnliche dürfte es in Karlsruhe gewesen sein - und bei gut einem Dutzend anderer Vereine alleine aus der ersten und zweiten Liga, die laut Kicker akut von der Insolvenz bedroht sind.

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Am Dienstag fassten die 36 in der Deutschen Fußball Liga (DFL) organisierten Erst- und Zweitligisten einstimmig den Beschluss, wonach die Klausel, die Klubs, die ein Insolvenzverfahren einleiten, mit einem Abzug von neun Punkten bestraft, aus den Lizenzierungsbestimmungen gestrichen wird. Am Freitag zog der DFB nach, der für die Dritte Liga die Regelung übernahm.

Nun könnte also auch der hochverschuldete FCK ohne jede Sanktion eine "Insolvenz in Eigenverwaltung" antreten, bei der die Gläubiger zumindest auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Bei einer sogenannten "Planinsolvenz" muss das Heft des Handelns nicht an einen externen Insolvenzverwalter abgeben werden, wie das bei regulären Insolvenzen der Fall wäre. Der Geschäftsbetrieb läuft normal weiter, Geschäftsführung und die Vereinsgremien bleiben im Amt. Nur während des eigentlichen Verfahrens muss die Abwicklung von einem "Sachwalter" überwacht werden.

Bei einem Abzug von neun Punkten stünde der derzeitige 14. der Tabelle abgeschlagen auf einem Abstiegsplatz. Und in der vierten Liga hätte der Deutsche Meister von 1998 kaum eine Überlebenschance. Dieses Szenario würde abgewendet. Allerdings könnten bei einer Planinsolvenz auch drei Millionen Euro aus einer Fananleihe flöten gehen - das muss man dem eigenen Anhang auch erstmal erklären.

Ob die Schulden schon vor der Pandemie angehäuft wurden, scheint die DFL nicht zu kümmern

Die öffentliche Hand musste in Kaiserslautern in den vergangenen Jahren immer wieder auf Rückzahlungen verzichten, die Stadt kürzte die vereinbarte Miete für das überdimensionierte Fritz-Walter-Stadion. Bis Ende Juni wird sich dennoch eine Liquiditätslücke von 12 Millionen Euro aufgetan haben. Durch den Schutzschirm, den sich der deutsche Fußball gerade selbst verordnet hat, gibt es für den FCK nun nicht nur unverhofft Licht am Ende des Tunnels: Plötzlich ist der ganze Tunnel hell.

Allerdings hat der FCK - genau wie Zweitligist Karlsruher SC - den Großteil seiner Verbindlichkeiten schon vor Ausbruch der Pandemie angehäuft. Als deren Folge kann man allenfalls verbuchen, dass man ohne Corona einige tausend Tages-Eintrittskarten mehr verkauft hätte. Da beide Vereine etwa drei Viertel ihres Zuschauerschnitts aus Dauerkarten-Käufen rekrutieren, dürfte es sich allerdings um niedrige sechsstellige Beträge handeln. Selbst FCK-Geschäftsführer Voigt beziffert die Corona-Schäden auf maximal eine Million Euro. Dass von der DFL nicht geprüft wird, ob die Defizite tatsächlich erst durch die Pandemie entstanden sind, verwundert daher durchaus.

In Karlsruhe fürchten die Verantwortlichen einen Imageschaden

Auch für den badischen Erzrivalen des FCK ist die DFL-Entscheidung eine folgenschwere Nachricht. Mit 24 Zählern belegt der KSC, den Verbindlichkeiten von etwa 17 Millionen Euro plagen, den vorletzten Tabellenplatz. Nach der bisherigen Regelung hätten sie also nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens nur noch 15 Punkte - und wären damit so gut wie sicher der erste Absteiger. "Wir tragen einen Rucksack aus der Vergangenheit mit uns herum", sagt Geschäftsführer Michael Becker. "Corona sorgt jetzt dafür, dass sich Investoren, die wir ansonsten erfolgreich hätten ansprechen können, erst mal zurückhalten." Während die Mehrheit in den Gremien der ausgegliederten Kommanditgesellschaft auf Aktien (KgaA) die Idee der Planinsolvenz charmant zu finden scheint, gibt es auch Stimmen, die einen weiteren Imageschaden fürchten.

Derzeit lässt sich der Verein von der Kommune ein 34 000 Zuschauer fassendes neues Stadion vorfinanzieren, das er über 32 Jahre abstottern soll. Nach den jüngst nach oben korrigierten Berechnungen fallen Kosten von 140 Millionen Euro an - die erst einmal die Steuerzahler aufbringen. Weitere Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Vereins kommen da ungelegen. KSC-Präsident Ingo Wellenreuther, der im September erneut als CDU-Bundestagskandidat nominiert werden will, hat intern erst einmal durchgesetzt, dass Ende April eine Mitgliederversammlung über die Planinsolvenz abstimmt. Kritiker fürchten, dass dadurch wertvolle Zeit verlorengeht.

So oder so: Die unverhoffte Chance, ohne Punktabzug einen großen Teil ihrer Verbindlichkeiten streichen zu können, dürfte nicht nur für die beiden Traditionsvereine im Südwesten zu attraktiv sein, um sie verstreichen zu lassen. In den kommenden Tagen dürften sich vor allem aus der zweiten und der dritten Liga noch weitere Vereine aus der Deckung wagen.

© SZ vom 05.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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