HSV-Krise im Aufstiegskampf:Geht das schon wieder los?

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Mal wieder im Frühjahrstief: Noah Katterbach (links) und der HSV müssen um den Aufstieg bangen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der HSV offenbart bei der 0:2-Niederlage in Kaiserslautern Schwächen, die im gesamten Kalenderjahr zu besichtigen waren. Die Hamburger laufen Gefahr, den Aufstieg einmal mehr zu verspielen.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Soll keiner behaupten, dass es in der zweiten Liga nicht auch ausgesprochen nett sein kann. In der zweiten Liga, da gibt es immerhin den traditionsreichen Betzenberg, in dem der traditionsreiche 1. FC Kaiserslautern seine Heimspiele austrägt. Der "Betze" gilt auch unter vorwärtsgewandten Fußballfans als dringende, weil ziemlich einmalige Reiseempfehlung.

Für vorwärtsgewandt hält sich auch der ebenfalls sehr traditionsreiche Hamburger SV, zumindest, was das offiziell formulierte Saisonziel anbelangt. Zweite Liga? Klar, ist schon nett da, aber eigentlich soll in dieser Saison ja endlich die langersehnte Rückkehr in die Erstklassigkeit gelingen. Und das unbenommen der Tatsache, dass dem HSV - wie am Samstag auf dem "Betze" - bei seinen Reisen durchs Unterhaus fast überall ein Empfang bereitet wird, der den schnöden Ligaalltag aufwertet.

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Im Doping-Fall des Hamburger Profis liegen nach dem Urteil des DFB-Sportgerichts nun drei Berufungen beim Bundesgericht vor. Die Anwälte des für zwei Jahre gesperrten Kroaten haben zudem Einspruch beim internationalen Schiedsgericht eingelegt.

Der Spieltag wurde von den Lauterer Fans kurzerhand zum "Traditionstag" erklärt und mit einer imposanten Choreographie gewürdigt. So sieht echte Wertschätzung aus. Und auch die Heimelf tat alles, damit nicht schon bald rautenförmige Vermisstenanzeigen in den Zweitliga-Stadien aushängen: Aufsteiger Kaiserslautern gewann 2:0. Der HSV hat somit nur zwei der vergangenen sieben Spiele gewonnen und fällt zurück auf den Relegationsplatz drei - hinter Darmstadt 98 und den 1. FC Heidenheim, die bei ihrem Auswärtsfahrten wie ganz herkömmliche Fußballklubs begrüßt werden.

Die Gegner wissen, was sie mit dem Tim-Walter-Fußball erwartet

"Es war von allem etwas zu wenig", kritisierte der HSV-Stürmer Robert Glatzel. "Wir haben zu langsam gespielt, waren nicht kompakt genug." Das klang dann doch nach einem arg bescheidenen Arbeitsnachweis für ein Team, das mit dem mit Abstand höchsten aller Zweitliga-Etats konstruiert wurde, um das exakte Gegenteil davon zu zeigen. Unter dem Trainer Tim Walter soll der HSV energiegeladen nach vorne spielen und seine Defensivsicherheit dadurch generieren, dass er fast immer den Ball hat. Nun, den Ball hat der HSV in der Tat sehr häufig, in Kaiserslautern lag der Besitzanteil mal wieder bei stattlichen 66 Prozent. Resultiert sind daraus zwei Torchancen, die seriöse Statistiker jeweils eher als Halbchancen verbuchen würden: Anssi Suhonen, ein wuseliges Eigengewächs im Mittelfeld, schoss nach einem Dribbling übers Tor. Miro Muheim, ein für 1,5 Millionen Euro verpflichtetes Sicherheitsrisiko in der Abwehr, traf per Distanzschuss die Latte.

Das Spiel in Kaiserslautern hat auf recht erbarmungslose Weise offengelegt, woran der HSV bereits das gesamte Kalenderjahr 2023 erlahmt. Die Gegner wissen, dass von der Walter-Elf keine strategische Ambiguität ausgeht, der Fußball aus den vorbereitenden Videoanalysen ist exakt der, dem man am Wochenende dann auch auf dem Platz begegnet. Bekämpft wird Walters auf Totaldominanz ausgelegter Stil mit simplen Hausmitteln: Hohe Bälle, zweite Bälle, Raumverengung am eigenen Strafraum, unangenehme Zweikämpfe - und das wird dann so konsequent durchgezogen, bis den Hamburgern hinten individuelle Patzer unterlaufen.

Der HSV bekommt seine Abwehr auch im Verbund nicht organisiert

"Wir schießen uns die Tore selbst rein", sagte Walter am Samstag, und das ist im Grundsatz auch nicht ganz falsch. Ohne den wegen Doping-Verdachts gesperrten Mario Vuskovic fehlt Walter sein bester Innenverteidiger, der mit seinen Stärken (Aggressivität, Geschwindigkeit) auch deshalb so wichtig war, weil er die Schwächen des HSV-Kapitäns Sebastian Schonlau kompensiert. Statt Vuskovic wackeln nun abwechselnd Jonas David oder Winter-Zugang Javi Montero, der als Spielertyp unpassenderweise ein sehr präziser Schonlau-Klon ist. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch, dass Walter seine Defensive aktuell auch in einem vier- bis fünfköpfigen Gesamtverbund nicht organisiert bekommt.

Die ominöse Kabine hat er nicht verloren, dafür erscheint das Vertrauen der Kabine in den Coach viel zu groß - das Problem ist vielmehr, dass die Spieler auch dann noch geradezu verbissen Walters Idealen folgen, wenn eine kurzzeitige Abkehr die sicherere Variante wäre. So wie vor dem ersten Gegentor in Kaiserslautern: Da passte der HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes flach von hinten raus, obwohl der Pressingdruck immens war, und der dadurch unter Druck gesetzte Mittelfeldmotor Ludovit Reis hielt den Ball im Spiel, obwohl er ihn auch ins Seitenaus hätte rollen lassen können. Konter Lautern, Treffer Terrence Boyd (72. Minute). Ein Fehler von Reis, normalerweise einer der zuverlässigsten HSV-Akteure, verursachte auch das 0:2 durch Aaron Opoku (85.).

"Wir haben es in der eigenen Hand", sagte Walter noch mit Blick auf die Hamburger Aufstiegsambitionen. Sechs Spiele ist die Saison noch lang. Immerhin: In der Vorsaison haben Walter und der HSV die letzten sechs Spiele allesamt gewonnen.

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