Freiburg-Sieg im Pokal-Halbfinale:Nach 15 Minuten ist der Spaß vorbei

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Freiburgs Ermedin Demirovic ist schneller als sein Gegner - so lief es oft in Hamburg. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Die Freude des HSV, um den Finaleinzug im DFB-Pokal spielen zu können, weicht bald der Furcht vor einer Blamage. Beim 1:3 gegen den SC Freiburg spielt sich besonders die erste Halbzeit ab, als wäre sie von einem Sadisten erdacht worden.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Hansi Flick hat es natürlich vorher schon gewusst. Ein "tolles Halbfinale" hatte der Bundestrainer prophezeit, nachdem es ihm in einem Kurzzeitjob im Öffentlich-Rechtlichen gelungen war, den Hamburger SV und den SC Freiburg für eine Pokalpartie zusammenzuführen. Natürlich war ihm in seiner Funktion als Losfee nicht gestattet, etwas anderes zu behaupten, aber das Schöne an seiner Prognose war: Flick konnte ja nur richtig liegen.

Denn für eine Mannschaft ist ein Pokal-Halbfinale immer im Wortsinn "toll", nämlich für jene, die dieses Halbfinale siegreich bestreitet und zum Finale nach Berlin fahren darf. Dieses Ticket lösten am Dienstagabend die Freiburger, deren 3:1-Sieg im Hamburger Volkspark sogar einen Eintrag im vereinseigenen Geschichtsbuch bedeutete. Und dort steht jetzt geschrieben, in badischem Dialekt und vermutlich auch in knallbunten Lettern: Erschdes Endspiel der Klubgeschichte - und das habbe wir vor allem unserem Chrischdian zu verdangge!

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Drei frühe Tore treffen einen engagiert auftretenden HSV hart - danach hat Christian Streichs Elf keine Probleme mehr mit dem Zweitligisten. Der Sportclub fährt nach Berlin.

Solche Elogen lägen dem SC-Trainer Christian Streich freilich fern, er würde wahrscheinlich sogar mit vollem Eifer gegen sie argumentieren und währenddessen seine "Jungs", wie er seine Spieler nennt, im Geschichtsbuch unterschreiben lassen. Aber klar, sein Wirken lässt sich nicht leugnen, und sein fast staatsmännischer Sportsgeist auch nicht. Nach dem Schlusspfiff ließ sich Streich nur etwas widerwillig knuddeln, er wollte ja gleich weiter und der gesamten HSV-Delegation die Hände schütteln und Gratulationen zu einem fairen Spiel hinterlegen.

Freiburg kennt in dieser Saison keine großen Gegner mehr - nur noch große Chancen auf Großes

Das Spiel selbst schrieb eine Geschichte weiter, an der die Freiburger schon die gesamte Saison über arbeiten. Es ist eine Geschichte, in der sich der natürliche Underdog anschickt, mit den ganz Großen mitzuhalten und dabei keine Rücksicht nimmt auf große Namen, wie ihn der Zweitligist HSV als früherer Meister und Europapokalsieger immer noch hat. Und nichts repräsentierte das besser als die Art und Weise, wie die Freiburger sich ihren Gegner zurechtlegten, es war ein Zurechtlegen eines Beinahe-Spitzenteams.

Die Streich-Elf schaute sich das gerne an, wenn der vom Hamburger Trainer Tim Walter auf Ballbesitzfußball gepolte HSV einen Pass nach dem anderen spielte, denn die Pässe fanden meist nicht den Weg in die gefährlichen Zonen und waren im Plan mit einkalkuliert. Aus dem Erstliga-Alltag wissen die Freiburger, dass es gar nicht schlimm ist, wenn der Gegner die Initiative übernimmt, solange man selbst über die eigentlichen Wundermittel im Fußball verfügt: Diese heißen Abgebrühtheit und Effizienz.

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Es sollte die große Sause im Norden werden, der HSV mit der Chance aufs Pokalfinale - doch der Sportclub macht ernst und erzielt drei schnelle Tore. Hamburg erwacht zu spät.

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Gewohnt unbarmherzig vom Punkt: Vincenzo Grifo verwandelt den Elfmeter zum 3:0. (Foto: Martin Meissner/AP)

Es dauerte nicht lange, bis der SC die Hamburger über den Besitz dieser Wundermittel unterrichtet hatte. Denn während sich der Zweitligist in einer Scheindominanz einrichtete, lauerten die Freiburger bereits auf Standardsituationen, eine Disziplin, in der sie bundesweit führend sind. Einen Freiburger Eckball konnte die Defensive der Heimelf nur unzureichend klären, der Ball blieb scharf, eine Flanke des SC-Mittfeldmanns Nicolas Höfler wurde HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes wieder nur unzureichend geklärt - und dann lag der Ball im Netz, weil der Stürmer Nils Petersen ihn freistehend aus sechs Metern hineinköpfen durfte (11. Minute).

Die Hamburger waren engagiert, in ihr Engagement mischte sich halt nur eine Portion Naivität

Die Gästemannschaft war keineswegs beschwingt von der Führung, sie blieb bei sich und bei ihrer Strategie und wartete ab, bis sich die nächste Möglichkeit für deren Umsetzung ergeben würde. Das dauerte dann auch nicht lang, denn es war wieder HSV-Torwart Fernandes, der nicht gut aussah und einen Pass in die Füße von Roland Sallai spielte. Sallai verlor den Ball, der Ball landete irgendwie bei Höfler, und dessen 18-Meter-Schuss fand über den Umweg eines HSV-Schienbeins den Weg ins Tor (17.). Das gehörte schon auch zur Wahrheit: Die Hamburger waren engagiert, in ihr Engagement mischte sich halt nur eine Portion Naivität. Und das nötige Spielglück hatten sie auch nicht.

Das zeigte sich unter anderem, als der Stürmer Robert Glatzel in der Anfangsphase einen Kopfball neben das Tor setzte, als der HSV-Mittelfeldmann Anssi Suhonen Mitte der ersten Hälfte eine gute Chance ausließ, oder als ein möglicher Anschlusstreffer des jungen Finnen einer Videoüberprüfung wegen einer Abseitsstellung nicht standhielt. Es wäre das 1:3 aus HSV-Sicht gewesen, ein zumindest sanftes Heranpirschen, nachdem der SC-Spielmacher Vincenzo Grifo kurz vorher einen Foulelfmeter verwandelt hatte (35.).

Es sollte nicht sein für die Heimelf. Kurz vor Schluss kam der HSV zwar noch einmal heran, durch einen Treffer des Stürmers Glatzel (88.). Doch bis dahin hatten die Freiburger die gesamte zweite Halbzeit so souverän heruntergespielt, als stünden sie in der Liga gerade auf einem Europapokalplatz. Moment mal: Da stehen sie ja. Und im DFB-Pokalfinale stehen sie jetzt auch.

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