Freiburg im DFB Pokal:Von wegen lustige Pfadfindertruppe

Freiburg im DFB Pokal: Auf nach Berlin? Freiburg-Trainer Christian Streich herzt nach dem gewonnenen Pokal-Viertelfinale im März seine Spieler Nicolas Höfler (links) und Maximilian Eggestein.

Auf nach Berlin? Freiburg-Trainer Christian Streich herzt nach dem gewonnenen Pokal-Viertelfinale im März seine Spieler Nicolas Höfler (links) und Maximilian Eggestein.

(Foto: Norbert Schmidt/Imago)

Der SC Freiburg, das ist längst mehr als der kauzige Trainer Streich, der mit dem "Chicco", dem "Demi" und dem "Kübi" hin und wieder einen Gegner überrascht. Der Klub will ins Pokalfinale - und sogar in die Champions League.

Von Ron Ulrich

Nach bedeutenden Siegen nehmen Fußballer gerne mal ihre Familien mit auf den Rasen, um mit ihnen den Erfolg zu feiern. Beim SC Freiburg geht es ohnehin sehr familiär zu, und hier fühlt sich die ganze Saison schon wie ein Titelgewinn an. Also jubelten die Spieler nach dem 3:0-Sieg gegen den VfL Bochum mitsamt so vielen Kindern auf dem Rasen, dass der TV-Reporter Ulli Potofski dem Mittelfeldspieler Nicolas Höfler die Frage stellte, ob er denn alle Kinder zuordnen könne. Höflers fulminante Antwort: "Ja, die meisten waren meine."

Nun müssen sich die Familienväter unter seinen Mannschaftskameraden nicht gleich ernsthafte Sorgen machen. Denn Höfler hatte statistisch womöglich recht: Mit fünf Kindern (vier auf dem Rasen) bewegt er sich auf den Spuren von Ursula von der Leyen (sieben).

Gleichzeitig steht genau dieser Nicolas Höfler auch in anderer Hinsicht für die hervorragende Nachwuchsarbeit beim SC. Der 32-Jährige wurde in Freiburg ausgebildet, kickt nach einem Umweg über Aue seit 2013 wieder im Breisgau und ist damit der dienstälteste Spieler. "Chicco", wie sie ihn nennen, lief häufig unter dem Radar, aber sein Wert fürs Team ließ sich just am Samstag wieder beobachten. Mit einem Toni-Kroos-Traumpass leitete er das 1:0 ein, vor dem zweiten Tor ergrätschte er den Ball. Die letzten sieben Ligaspiele, in denen er fehlte, konnten die Freiburger jeweils nicht gewinnen. Aber derzeit ist er ja dabei.

Doch Nicolas Höfler ist nur einer von vielen Akteuren, die den aktuellen Höhenflug des Teams symbolisieren. Freiburg steht in der Liga auf Rang fünf, mit nur einem Punkt Rückstand auf die Champions-League-Plätze, und spielt am Dienstag im Pokalhalbfinale beim Zweitligisten Hamburger SV. "Wir wollen unbedingt nach Berlin, bis auf Nils (Petersen) hat noch keiner bei uns diese Erfahrung gemacht", sagte Höfler im Sender Sky.

Freiburg wird gern unterschätzt, ist aber ein Team mit mehreren Nationalspielern

Landläufig entsteht zwar manchmal der Eindruck, der SC-Trainer Christian Streich habe da - bloß kraft seiner Kauzigkeit - eine Pfadfindertruppe um den "Chicco", den "Demi" oder den "Kübi" in Richtung Gipfel geführt. Doch Freiburg beschäftigt mittlerweile in Mark Flekken einen niederländischen Nationaltorhüter, in Nico Schlotterbeck einen deutschen Nationalspieler, und in Person von Christian Günter und Vincenzo Grifo zwei weitere Aspiranten auf ihre Auswahlteams.

In der Innenverteidigung blüht überdies Philipp Lienhart auf, ein österreichischer Nationalspieler, der zwei Jahre lang bei Real Madrid unter einem gewissen Trainer Zinedine Zidane lernte. Lienhart spielt zwar nicht so spektakuläre Diagonalbälle wie sein Partner Schlotterbeck, steht ihm aber in der kompromisslosen Zweikampfführung in nichts nach. So ist die Freiburger Defensive (trotz zweier Niederlagen gegen Dortmund und die Bayern) weiter die drittbeste der Liga - sie beginnt beim SC aber schon ganz vorne.

Lucas Höler ist der Spieler mit den meisten gewonnenen Zweikämpfen in dieser Saison - als Stürmer

Die Angreifer liefen trotz der 2:0-Führung auch gegen Bochum hoch an, verteidigten in vorderster Linie. Stürmer Lucas Höler ist in dieser Saison gar der Spieler mit den meisten gewonnenen Zweikämpfen der Bundesliga - mit anderen Worten: keine falsche Neun, sondern eine "falsche Vier". Trainer Streich lehrt seine Spieler die "kreative Arbeit gegen den Ball", in der die Stürmer früh attackieren und umschalten. "Der Deckungsschatten" mag wie ein Krimi von James Ellroy klingen, ist aber Teil von Streichs Credo, die Passwege des Gegners schon in dessen Aufbau gekonnt abzuschneiden.

Bei all der fleißigen Arbeit vorne verpassen es die Freiburger Angreifer aber bisweilen, selbst Tore zu schießen. Der so zweikampfstarke Höler hat bisher nur fünf Treffer erzielt, gegen tiefstehende Gegner lahmt Freiburgs Angriff mitunter. Am Samstag gegen Bochum schnürte immerhin der ungarische Nationalspieler Roland Sallai einen Doppelpack.

Seine Ligabilanz von gerade einmal drei Toren mag nicht für Fanfaren taugen, aber Sallais Selbstvertrauen scheint ausgeprägt zu sein. Er sprach im ZDF offen vom Einzug in die Champions League und ins Pokalfinale. Das waren nicht einmal allzu markige Worte des Angreifers, denn mit diesem Lauf sind beide Ziele für den SC Freiburg tatsächlich realistisch. Und dies allein ist schon eine Sensation dieser Saison.

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