WM-2006-Prozess:Hoeneß liefert Zündstoff

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Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern, (Foto: Ulrich Gamel/dpa)

Fast 90 Minuten sagt der Patron des FC Bayern im Prozess um die dubiosen Sommermärchen-Millionen als Zeuge aus. Auf die Kernfrage nach dem damaligen Verwendungszweck hat er keine Antwort - trotzdem sind seine Einlassungen aus vielen Gründen bemerkenswert.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Zwischendurch wird es launig im Landgericht Frankfurt. Zum Beispiel, als Uli Hoeneß vorträgt, warum sein FC Bayern vor der Vergabe der Fußball-WM 2006 für ein Honorar von ein paar Hunderttausend Mark Freundschaftsspiele in fernen Ländern bestritt und warum sich die wirtschaftliche Lage des Klubs so verbessert habe, dass man das für die Beträge von damals heutzutage nicht mehr machen würde.

Da läge einem die Bemerkung auf der Zunge, dass die Einnahmen dieses Jahr vielleicht niedriger sind, sagt die Vorsitzende Richterin Eva-Marie Distler am Tag nach der Titelentscheidung zugunsten von Bayer Leverkusen. Da müsse er sie enttäuschen, gibt der Bayern-Patron zurück, man habe ein Super-Jahr, auch wenn Leverkusen völlig zu Recht Meister geworden sei. Aber er habe gehört, dass die Richterin Fan von Eintracht Frankfurt sei - da habe sie gerade auch schwere Zeiten.

In der Tat ist Distler nicht nur Fan, sondern sogar Mitglied im Verwaltungsrat der Eintracht. Aber abseits solcher launigen Einschübe ist es ein sehr ernstes Gespräch, das am Montagnachmittag im Frankfurter Justizzentrum stattfindet. Fast 90 Minuten lang sagt Hoeneß im Steuerprozess zu den ungeklärten Millionen-Schiebereien rund um die WM 2006 und den damaligen WM-Chef Franz Beckenbauer aus. Seine Kernbotschaft: Den Verwendungszweck der mysteriösen zehn Millionen Franken, die im Jahr 2002 beim katarischen Skandalfunktionär Mohammed bin Hammam landeten und für die Beckenbauer einen Kredit vom Unternehmer Robert Louis-Dreyfus erhielt, den kenne er nicht. Aber die These, damit seien Stimmen für den Zuschlag bei der WM-Vergabe gekauft worden, die sei "absurd".

Für den Prozess liefert Hoeneß' Auftritt durchaus Zündstoff

Hoeneß sitzt im Zeugenstand, weil er vor einigen Jahren öffentlich erklärt hat, er wisse "ziemlich genau, was damals los war". Nun hält ihm die Richterin vor, das sei aber nicht "ziemlich genau", was er da vortrage, sondern eher ungefähr bis gar nichts. Und dennoch liefert Hoeneß' Auftritt für den Prozess in mancherlei Hinsicht Zündstoff.

So schilderte der Bayern-Patron zum Beispiel, warum er überhaupt in einer TV-Sendung und in einem Podcast davon geraunt habe, dass er über die Sache so gut Bescheid wisse. Hoeneß war viele Jahre mit Louis-Dreyfus gut befreundet, und bei einem der vielen Treffen sei en passant auch mal über das Zehn-Millionen-Thema gesprochen worden - und zwar irgendwann zwischen 2005 und dem Tod des Unternehmers im Sommer 2009. Louis-Dreyfus habe sich darüber mokiert, "dass man im DFB nicht Manns genug gewesen sei", im Zusammenhang mit der WM-2006-Organisation für eine Forderung in Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken "selber geradezustehen". Der DFB habe ihm zugesagt, dass er eine entsprechende Zahlung zurückbekommen würde - und zwar in Person seines Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Auch habe Louis-Dreyfus dann noch ein paar Bemerkungen über die Schwäche des DFB gemacht.

Daran ist zum einen bemerkenswert, dass im deutschen Fußball offenbar schon sehr früh mehr Leute von der ominösen Millionen-Transaktion wussten als bisher bekannt; und das just in einer Zeit, in der Louis-Dreyfus über seine neu gegründete Fernsehrechte-Firma Infront mit dem Deutschen Fußball-Bund fleißig zusammenarbeitete. Ebenso bemerkenswert ist, dass Hoeneß nun wiederholt die Person Mayer-Vorfelder - und damit den DFB als Verband - ins Zentrum der damaligen Abläufe rückt. Denn mit den bisher bekannten Details deckt sich das nicht.

Theo Zwanziger (links), Horst R. Schmidt (Mitte) und Wolfgang Niersbach (sitzend) sind im WM-2006-Prozess angeklagt. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Erst Stunden vor Hoeneß' Auftritt hat das Gericht die Aussagen verlesen, die der im Januar verstorbene Franz Beckenbauer in Ermittlungsverfahren in Frankfurt und in Bern gemacht hatte. Und bei dessen Vorträgen habe Mayer-Vorfelder gar keine Rolle gespielt, hält Distler nun dem Zeugen bevor. Er könne sich das nicht vorstellen, sagt Hoeneß, dass ein Präsident nichts weiß, wenn es um so elementare Dinge geht. "Das ist grad so, wie wenn der FC Bayern einen Spieler für 50 Millionen Euro kauft und ich weiß nichts davon."

Dass ein Präsident so etwas nicht weiß? Kann Hoeneß sich nicht vorstellen.

Noch zu einer zweiten Person sind Hoeneß' Ausführungen interessant: zu Robert Schwan, Beckenbauers langjährigem Manager. Denn Hoeneß betont, dass es sich bei der Zehn-Millionen-Frage um "eine Forderung von Robert Schwan" gehandelt habe - und dass Louis-Dreyfus' Gesprächspartner für den Kredit Schwan gewesen sei. Das Merkwürdige an dieser Version ist nur: Als Louis-Dreyfus als Kreditgeber einsprang, lebte Schwan schon nicht mehr.

Die Geschichte dieses ebenso seltsamen wie komplizierten Millionen-Karussells hatte im Mai 2002 eingesetzt. Damals flossen die ersten sechs Millionen von einem Beckenbauer-Konto über eine Zwischenstation in der Schweiz zu bin Hammam nach Katar; als offizieller Zahlgrund wurde der Erwerb von TV-Rechten an den Asienspielen beziehungsweise Asian Games. Im Juli starb Schwan, und erst im August thematisierte Louis-Dreyfus' Bank, dass ihr Kunde frisches Geld benötigte: als Kreditgeber für die bereits gezahlten sechs sowie weitere noch ausstehende vier Millionen, die ebenfalls nach Katar flossen.

Danach musste Louis-Dreyfus zweieinhalb Jahre auf die Rückzahlung warten, bis aus der Kasse des WM-Organisationskomitees über den Weltverband Fifa 6,7 Millionen Euro zur Tilgung des Kredites an ihn wanderten. Und nun sitzen die drei früheren DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger auf der Anklagebank, weil sie dafür verantwortlich sein sollen, dass diese 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung zu Unrecht als Betriebsausgabe angesetzt wurden.

So ganz kann es die Richterin nicht nachvollziehen, dass Hoeneß angeblich nichts über den Verwendungszweck weiß. Ob er denn überhaupt kein neugieriger Mensch sei und sich in seinem Gespräch mit Louis-Dreyfus nicht erkundigt habe, fragt sie. Keine Spur, gibt Hoeneß zurück - und zudem habe er über die ganze Angelegenheit auch nie mit Beckenbauer gesprochen. "Es war ein Tabu-Thema", sagt er. Aber das hält ihn nicht davon ab, manche Verwendungszwecke mit Bestimmtheit auszuschließen. Nicht nur die Stimmkauf-Variante, was Hoeneß unter anderem mit dem Argument tut, dass er Louis-Dreyfus genau gekannt habe und dieser für so etwas niemals einen Kredit gewährt habe. Sondern vor allem auch die heißeste Spur in dieser komplizierten Affäre: dass die Zahlung im Kontext eines Fernsehrechte-Geschäftes zu sehen sein.

Darauf deutet ja, wie vieles andere, der Vermerk "Asian Games" im Überweisungsträger hin. Aber nein, davon will Hoeneß gar nichts hören. "Da kann man viel reinschreiben, um die Leute, die das hinterher untersuchen, möglicherweise in die Irre zu führen", sagt er zur Richterin: Statt Asian Games hätte es auch Alaska Games heißen können. Schwan sei ein bodenständiger bayerischer Mensch gewesen und kein polyglotter Typ, der auf der ganzen Welt Fernsehrechte gekauft habe. "All diese Märchen können Sie vergessen".

Aber manchmal, gibt die Richterin Distler zurück, "haben Märchen ein Korn Wahrheit".

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