Hertha BSC Berlin:Dardai schwelgt in Superlativen

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Trainer Pal Dardai (links) und Ondrej Duda. (Foto: dpa)
  • Hertha-Trainer Dardai weiß, wie ein Sieg gegen den FC Bayern gefeiert werden muss - schließlich stand er beim letzten Triumph der Berliner über den Rekordmeister 2009 selbst auf dem Platz.
  • Die Hertha spielt groß auf, wie auch ihr Schlüsselspieler Ondrej Duda. Dabei war Duda seit seiner Ankunft im Verein eigentlich ein Sorgenkind.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Morgen nach dem Triumph war Auslaufen angesagt. Auch für den Trainer. Pal Dardai, Coach bei Hertha BSC, machte einen kleinen Verbrennungslauf rund um das Olympiastadion, und wer weiß, ob es Nachbarn waren, die ihn grüßen, oder eben doch Wildfremde, die ihm gratulieren wollten, und denen der trabende Dardai zurückwinkte; strahlend wie der unbefleckt blaue - herthablaue - Himmel über ihm. Beides waren denkbare Optionen. Dardai wohnt in Laufweite des Stadions; andererseits haben sie in Berlin durchaus Notiz davon genommen, was seine Hertha am Freitagabend im Olympiastadion angestellt hatte.

Hertha holte den ersten Sieg gegen den FC Bayern seit 2009 - als Dardai selbst noch, damals als alternder Fußballprofi, auf dem Rasen stand. "Damals gab es eine Party, mit Trainer!", erzählt Dardai, diesmal gönnte er sich eine Flasche Wein und seinen Profis eine karibische Arbeitswoche. Er gab ihnen zwei Tage frei, bis zur nächsten Blutanalyse am Donnerstag werden sie ausgeschwitzt haben, was laut B. Z. auf den Deckel eines der alternden Profis von heute ging: Salomon Kalou, 33, lud die Mannschaft in eine Sky-Lounge-Bar im Westen Berlins ein.

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Überraschung im Freitagsspiel: Die vielen Wechsel von Trainer Kovac führen zu großen defensiven Schwächen bei den Münchnern - beim 0:2 gegen Hertha BSC läuft vieles schief.

Die Hertha hatte schon in den vergangenen Jahren gut gegen den FC Bayern ausgesehen, in den drei Begegnungen, die dem Freitag vorangingen, hatte Dardais Team keine Niederlage hinnehmen müssen. Nun haben sie die Bayern wirklich geknackt, und das war unbestritten verdient. Sie hatte in der ersten Halbzeit spielerisch dominiert und ein 2:0 herausgearbeitet, danach den Vorsprung "kämpferisch" verteidigt, wie Dardai sagte.

Ondrej Duda spielt endlich zweifelsfrei

Und es war beileibe nicht auszumachen, worüber er sich mehr freute. Sein Team hat 13 Punkte gesammelt - so viele wie die Bayern, und hat in Ondrej Duda und Vedad Ibisevic zwei Spieler aufzuweisen, die in der Torschützenliste mit fünf beziehungsweise vier Saisontreffern vor jedem Bayern-Profi stehen. Auch vor Robert Lewandowski. Und die Berliner haben gerötete Augen, vom vielen Reiben.

"Wir spielen mehr Fußball als im vergangenen Jahr", sagt Duda, der gegen die Bayern das 2:0 erzielte. Duda, das heißt im Spanischen Zweifel, und ebensolche hatten ihn begleitet, seit er vor zwei Jahren zur Hertha kam. Massive Zweifel. Er war im ersten Jahr verletzt, konnte sich auch im zweiten nicht durchsetzen, obwohl Dardai ihm immer wieder fantastische Trainingsleistungen attestierte. "Er ist ein Künstler", sagte Dardai am Samstag, und das bedeutet: Er hat eine sensible Seele. Dardai ließ Geduld walten, band ihn ein, redete mit ihm, schätzte, dass er sich nie hängen ließ: "Ihm brauchst du nicht in den Arsch zu treten". Zuletzt hat er ihn nicht ein einziges Mal ausgewechselt. Nicht mal in Testspielen. Nun zahlt Duda zurück. Die Zweifel sind beseitigt, und Duda ist da.

Er hat einen großen Anteil daran, dass Berlin sich wandelt. Haben sie dort lange beim Blick über die Landesgrenzen hinweg stets eine Schönere, Jüngere, Attraktivere gesehen, registrieren sie nun mit einigem Erstaunen, dass ihre Alte Dame sich aufgehübscht hat, Esprit und Intellekt verströmt, auf dem Rasen Umsicht walten lässt, und es selbst gegen den FC Bayern wagt, die eigenen Talente zu entfalten.

"Wir müssen die Spieler nicht gut reden. Die sind gut", sagt Dardai. Am Freitag rühmte er einen fast perfekten Auftritt, allenfalls kleine Korrekturen musste er zur Halbzeit dekretieren: "Ab und zu haben wir dann vielleicht zu tief verteidigt. Normalerweise steht unsere letzte Abwehrreihe 26, 28 Meter vor dem eigenen Tor, aber wir haben uns reindrücken lassen. Das ist so. Aber hey: Das war Bayern München!"

Im Sommer hat der Ungar mit seinem Assistenten Rainer Widmayer das Team verstärkt das Positionsspiel üben lassen. "Es hat sich gelohnt, sich im Sommer damit zu beschäftigten", sagt Dardai. "Wir haben unsere Spielweise verändert, spielen jetzt offensiver und attraktiver. Das war auch nötig nach der letzten Saison", erklärt Manager Michael Preetz. Die Saat geht nun auch deshalb auf, weil Dardais Hertha so direkt wie nur irgend möglich spielt, mit ein, zwei Ballkontakten wie bei Dudas 2:0, dem ein tödlicher Rückpass des als Rechtsverteidiger zunehmend großartigen Valentino Lazaro voranging.

Als Dardai am Samstag über seine Spieler sprach, lieferte er eine Kaskade an Superlativen. Kalou? "So frisch und so gut wie lange nicht mehr." Niklas Stark? "Fehlerfrei!" Maxi Mittelstädt? "Sehr zufrieden, kopfballstark, passsicher, ruhig." Lazaro? "Der beste Mann auf dem Platz." Per Skjelbred? "Hat einen richtig guten Job gemacht." Torwart Thomas Kraft? "Ein Supertorwart."

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Dardai hätte in dieser Tour ewig weitermachen können, aber irgendwann beließ er es dabei, das große Ganze zu sehen: "Das war für Hertha Superwerbung. Die ganze Welt setzt sich hin, um Bayern zu gucken, nicht Hertha. Aber wenn jemand dieses Spiel geguckt hat und diese junge, bissige Mannschaft sieht, mit Vedad und Kalou - dann haben wir vielleicht einige Fans dazugewonnen." Auch Manager Preetz rühmte die Veteranen: "Wir reden immer wieder darüber, dass wir eine so wahnsinnig junge Mannschaft haben. Aber gegen die Bayern waren es die Alten, die ein großartiges Spiel gemacht haben." Und die ganz nebenbei dazu beigetragen haben, dass der Monotonie im Fußball-Land Einhalt geboten wurde: "Die Liga muss nicht mehr drauf warten, dass die Bayern verlieren."

In der kommenden Woche wartet auf die Hertha freilich Mainz 05, ein Gegner, bei dem es nicht so einfach werden wird, am emotionalen Limit zu spielen wie gegen den FC Bayern. "Das wird ein anderes Spiel", warnt Dardai; nur punkten will er wie gegen den Abonnement-Meister der vergangenen und wohl kommenden Jahre. Dem Mantra der "kleinen, fleißigen Mannschaft" will Dardai noch lange nicht abschwören; er hält es für die unabdingbare Vorbedingung, um das mittelfristige Ziel zu erreichen: "Zufrieden sind wir, wenn wir an Weihnachten oben stehen."

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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