Bayern-Trainer Niko Kovac:"Ich sehe das alles sehr entspannt"

FC Bayern: Trainer Niko Kovac beim Spiel gegen Hertha BSC

Macht sich noch keine Sorgen um seine Mannschaft: Bayern-Trainer Niko Kovac.

(Foto: dpa)

Von Benedikt Warmbrunn, Berlin

Als noch zwölf Minuten blieben, um die erste Niederlage zu verhindern, löste Niko Kovac die ineinander verschränkten Arme, ganz gemächlich, als ob er neben all seinen ohnehin beachtlichen Fähigkeiten auch noch über die Fähigkeit verfüge, die Zeit langsamer vergehen zu lassen. Kovac breitete seine Arme aus, die Hände leicht nach vorne gebeugt, er stand da nun wie ein Dirigent vor seinem Orchester, kurz vor dem ersten Takt eines furiosen, teuflischen Abends. Wenige Sekunden blieb er so stehen. Dann ließ Kovac die Arme sinken, er schlang sie sich wieder um die Brust. Es wurde nicht furios, nicht teuflisch, und auch die Zeit verging in ihrem ganz gewöhnlichen Tempo.

Gerade bei einer ersten Niederlage bleiben anschließend die Bilder besonders hängen, die erste Niederlage verrät ja mehr über den Charakter eines Trainers als all die ersten Siege zusammen. Er kann fluchen. Er kann schimpfen. Er kann die Schuld mit großer, dramatischer Büßergeste bei sich selbst suchen. Er kann andere Schuldige ausmachen, einzelne Spieler, den Schiedsrichter, vielleicht sogar die ganze eigene, unfähige Mannschaft. Niko Kovac entschied sich am Freitagabend dafür, in den letzten Minuten dieses 0:2 bei Hertha BSC und auch in der Stunde danach ganz bei sich selbst zu bleiben. Er beschloss also, weiterhin der geschmeidige Pragmatiker der ersten Wochen als Trainer des FC Bayern zu bleiben.

Dass Kovac mit seinen Dirigentenarmen nicht eine diabolische Schlussoffensive einleitete, lag auch daran, dass er dann sein eigenes Wesen und Wirken betrogen hätte. Er war ja der Meinung, dass eigentlich alles so lief, wie es laufen musste, was hätte seine Mannschaft schon ändern sollen? Eine Minute später, in der 79., schoss dann ja auch erst Franck Ribéry am Tor vorbei, und Robert Lewandowski traf mit seinem Kopfball auch noch Herthas aufmerksamen Torwart, den früheren Münchner Thomas Kraft.

"Ich werde nach dieser Niederlage nicht anfangen, alles schwarz zu sehen", sagte Kovac. Es sei "natürlich klar", dass jetzt alle nur die vergangenen beiden Partien sehen würden, das 1:1 am vergangenen Dienstag gegen Augsburg und dieses 0:2 in Berlin und den damit verbundenen Verlust der Tabellenführung an Dortmund, aber diese Sichtweise wollte der Trainer nicht einfach so übernehmen. Er sagte also: "Ich sehe die neun Spiele, die wir gespielt haben." Und mit diesem Blick traute er sich sogar zu sagen: "Ich sehe das alles sehr entspannt."

"Wir müssen noch häufiger aufs Tor schießen"

Kovac präsentierte sich nach seiner ersten Niederlage weiter als der Analytiker, der jedes Detail überprüft und erst dadurch den Blick für das Gesamte erhält. Kovac lobte zunächst seine Mannschaft, er lobte, dass sie das "ordentlich" gemacht habe, dass sie weiterhin genug Chancen gehabt habe. "Wenn wir keine Chancen hätten, würde ich mir große Gedanken machen, auch negative Gedanken", versicherte Kovac. Erst als er genug gelobt hatte, verpackte er in seiner Analyse Kritikpunkte. "Du musst das Quäntchen mehr an Konzentration haben, du musst den Mitspieler besser anspielen, damit er es leichter hat, das zu verwerten." Und: "Wir müssen noch häufiger aufs Tor schießen und nicht noch mal zum Nebenmann, noch mal zum Nebenmann und versuchen, alle auszufummeln."

Mit dieser ersten Niederlage beginnt dennoch auch die erste ernstere Phase für Kovac als Trainer des FC Bayern. In den ersten sieben Partien hatte er gezeigt, dass er die Mannschaft führen kann, durch einfache Maßnahmen wie jene, dass Renato Sanches ausgerechnet in seiner alten Heimat Lissabon erstmals spielen darf. Überhaupt war ihm die Rotation gut gelungen, selbst nicht gerade kleinmütige Spieler wie Arjen Robben oder Mats Hummels murrten nicht, wenn sie auf der Bank saßen.

Noch hat Kovac nicht alles ausprobiert

In Berlin funktionierte diese Rotation jedoch, wie schon gegen Augsburg, nicht. Im zentralen Mittelfeld war Sanches gegen die in der Mitte alles versperrenden Berliner überfordert. Beide Flügelspieler, Robben und Franck Ribéry, wirkten schläfrig; Ribéry fummelte zumindest ein paar Gegenspieler aus. Und keiner der eingewechselten Spieler konnte der Partie neue Töne verleihen. Wo zuvor Robben nicht durchgekommen war, kam auch Serge Gnabry nicht durch. Thomas Müller fand in den wenigen Minuten nicht seinen berühmten Sinn für die Schleichwege einer Partie. Und Sandro Wagner als zusätzlicher Stürmer war nur ein weiterer Mann, der das Zentrum zustellte.

Kovac gesteht sich selbst aber zu, dass im Moment nicht alles aufgeht. Noch hat er nicht alles ausprobiert, noch fehlen ihm Details für einen kompletten Überblick. Das 0:2 in Berlin akzeptierte er daher als wichtigen Teil eines übergeordneten Testlaufs. "Irgendwann wird es sich drehen", sagte er noch, "und dann sieht es anders aus." Am besten, das weiß der Trainer, dreht es sich bereits am Dienstag (21 Uhr), beim Heimspiel in der Champions League gegen Ajax Amsterdam.

Für Kovac war der Ausflug nach Berlin auch einer in seine Geburtsstadt, für die Hertha hat er acht Jahre lang gespielt. Spät am Abend kamen daher im Stadion noch Bekannte auf ihn zu, Erinnerungsfotos wurden geschossen, und ja, sagte Kovac, natürlich werde es später in der Hotellobby weitergehen, so war es doch geplant, oder? Kovac lächelte, doch es war kein gequältes Lächeln. Es war das Lächeln eines Mannes, der sich seiner Sache auch weiterhin sicher ist.

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