Hertha BSC:Dardai staunt über die Chill-Oase

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Pal Dardai besitzt jetzt einen Maltipoo, eine Kreuzung zwischen Pudel und Malteser, mithin einen sogenannten Hybridhund. (Foto: Sebastian Räppold/Imago)

Bei seiner zweiten Rückkehr zur abstiegsgefährdeten Hertha will der neue Trainer Pal Dardai dem strauchelnden Team Energie, Positivität und Lockerheit verleihen. Arbeit findet er genug vor - die Lage war jedoch noch nie so schlimm wie diesmal.

Von Javier Cáceres

Nicht nur die Hertha ist auf den Hund gekommen; der neue Trainer Pal Dardai ist es auch. Die Hertha in jenem übertragenen Sinne, der seit den Zeiten der Gebrüder Grimm besagt, dass man dann auf den Hund kommt, wenn man "theils in verächtliche oder schlimme äuszere verhältnisse, theils mit der gesundheit herunter" kommt. Dardai, 47, weil er sich doch tatsächlich einen Hund zugelegt hat. Einen Maltipoo, wie er präzisierte. Er sei durch den Hund "ein komplett anderer Mensch" geworden, sagte Dardai; er habe mithin nichts mehr mit jenem Dardai aus den Rettungsaktionen der Jahre 2015 und 2021 gemein.

Allein, der Hund müsse nun leiden. Für Hertha, für den Klassenverbleib. "Ich habe jetzt keine Zeit mehr für ihn. Jetzt bin ich im Arbeitsmodus", sagte Dardai. Mit dem Segen der Gemahlin übrigens. "Jetzt darf Deutschland lachen: Ich habe zu Hause nicht die Hosen an!", versicherte Dardai, als er gefragt wurde, wie seine Ehefrau reagiert habe, als er die Rückkehrentscheidung traf. Von wegen! "Monika hat die Entscheidung getroffen!", sagte Dardai.

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Wie auch immer: Arbeit findet Dardai genug vor. Bei seinen Vorgänger-Missionen sah die Lage düster und schlecht aus, aber es war noch nie so schlimm wie diesmal. "Die Relegation (gegen den Dritten der zweiten Liga) wäre in unserer Situation vielleicht gut", sagte Dardai. Widerspruch wird er damit gewiss nicht ernten im Westend. Die Hertha ist seit dem Wochenende mit nur 22 Punkten Tabellenletzter der Fußball-Bundesliga und hat zwei Punkte Rückstand auf den Relegations- und gleich fünf Zähler Abstand zum Nichtabstiegsplatz 15. Dort steht der VfL Bochum nach einem 1:1 bei Herthas Stadtrivalen Union Berlin.

Er werde nichts versprechen, sagte Dardai. Wie sollte er auch? Am Samstag empfängt Hertha den taumelnden SV Werder. Sieben Tage drauf führt das erste Auswärtsspiel im dritten Regnum Dardais zum FC Bayern. Dort hat Hertha letztmals 1977 gewonnen. Bei allem Realismus ("Diesmal brauchen wir nicht nur harte Arbeit, sondern auch ein Quäntchen Glück") wollte Dardai dem strauchelnden Team vor allem Energie, Positivität und Lockerheit verleihen. Erste Amtshandlung am Montag: Fußballtennis. In den kommenden Tagen dürfte er dem Alphamännchen Kevin-Prince Boateng beibringen, dass er im Gegensatz zu den vergangenen Wochen nicht mehr gefragt sei. Er brauche nicht einen, sondern viele Führungsspieler. "Sonst können wir einpacken."

"Ich will dazu zurückkehren, dass die Jugendspieler die Herrenmannschaft sexy finden", sagt Dardai

Dass die Wahl auf Dardai fiel, hat eine Menge damit zu tun, dass er nicht nur den Verein aus dem Effeff, sondern auch sogar "jeden Grashalm kennt", wie Sportdirektor Benny Weber erklärte. Dardai schränkte das nur insofern ein, als in seiner anderthalbjährigen Abwesenheit im Kabinentrakt "eine Chill-Oase" entstanden sei, offenbar richtig gemütlich: "Bei mir war's puritanischer". Dardai sei aber vor allem deshalb geholt worden, weil "niemand so sehr für den Berliner Weg steht" wie der Rekordspieler und Parade-Feuerwehrmann. "Berliner Weg", das ist ein Schlagwort, das in den vergangenen Monaten geprägt wurde - parallel zum Einstieg des Private-Equity-Unternehmens "777 Partners" aus Miami, USA. Und es soll eine Rückbesinnung auf die eigenen Kräfte repräsentieren.

Dafür steht Dardai kurioserweise auch in anderer Hinsicht. Er berichtete am Montag, dass er Hertha dazu bewegen wolle, dass er im Sommer an die Nachwuchsakademie zurückkehren darf - sie wird zurzeit vom früheren Bundesliga-Profi Pablo Thiam geleitet, der wiederum vom vormaligen Manager Fredi Bobic eingestellt wurde. Und Bobic hatte Dardai im November 2021 vor die Tür gesetzt. Er habe sein halbes Leben der Nachwuchsförderung bei Hertha gewidmet, sagte Dardai, und klang, als würde er das gern wieder tun. Zuletzt hätten sich zu viele Talente anderen Klubs angeschlossen, das Ausbluten will er stoppen.

"Ich will dazu zurückkehren, dass die Jugendspieler die Herrenmannschaft sexy finden", sagte er. Nur: Wenn er auf einigermaßen wundersame Weise die Hertha in der ersten Liga halten sollte, dürfte es Debatten geben, ob er als Trainer nicht weitermachen solle. Wie er sich dann verhalten würde, ließ er offen: "Beim Fußball zählt immer der nächste Pass, was danach kommt, kann keiner sagen", sagte er, was ein bisschen danach klang, als würde er sein Revier markieren. In einer Hinsicht aber legte er sich fest: "Wenn die A-Mannschaft absteigt, dann ist basta."

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