Bundesliga-Absteiger Hertha BSC zieht die erwarteten Konsequenzen aus der Prügel-Affäre um seinen Torwart Marius Gersbeck. Der Klub bestätigte am Montag, dass Gersbeck suspendiert wurde und aus dem Trainingslager im österreichischen Zell am See abgereist sei. Die sportliche Leitung und die Geschäftsführung hatten zuvor "unter Berücksichtigung der laufenden Ermittlungen" die Lage intern ausgewertet. Zunächst hatten sich die Klubführung in diesem Fall bedeckt gehalten.
Gersbeck, 28, wird beschuldigt, in der Nacht zum Sonntag einen 22-jährigen Österreicher ins Krankenhaus geprügelt zu haben. Der Bild-Zeitung zufolge hat der Österreicher ein gebrochenes Nasenbein und einen ausgeschlagenen Zahn zu beklagen. Offenbar war zuvor ein Gasthof-Streit in Zell am See in der Nacht eskaliert. Bis zum Montag sei der Österreicher wegen der Verletzungen nicht einmal vernehmungsfähig gewesen. Gersbeck hat sich bislang nicht öffentlich geäußert, er hat aber der örtlichen Polizei Rede und Antwort stehen müssen, die ihn zur Vernehmung aus dem Mannschaftshotel in die örtliche Dienststelle brachte. Was ihm genau vorgeworfen wird, war am Montag noch offen. Aus Polizeikreisen klang aber durch, im Lichte der bisherigen Ermittlungserkenntnisse müsse Gersbeck damit rechnen, sich strafrechtlich verantworten zu müssen.
Bundesliga-Absteiger:Bei Hertha kracht's bei Tag und auch bei Nacht
Am Rande des Trainingslagers im österreichischen Zell am See wird Hertha-Torwart Gersbeck von der Polizei verhört. Und auf der Geschäftsstelle des Bundesliga-Absteigers gibt es Ärger um die Gründung eines Betriebsrats. Sonst noch was?
Hertha steht nun in vielerlei Hinsicht vor Problemen. Gersbeck war zum Zeitpunkt der Geschehnisse wegen einer Verletzung zwar nicht spielfähig. Eine Erlaubnis, bis tief in die Nacht hinein das gastronomische Angebot in Zell am See auszukundschaften, lag dem Vernehmen nach aber nicht vor. Gersbeck soll in einer örtlichen Kneipe alte Bekannte aus der Hertha-Ultra-Szene getroffen haben, er selbst hatte einst in der Ostkurve gestanden, wo sich die radikalsten Hertha-Anhänger tummeln. Gersbecks Rückkehr zu seinem Stammklub war gerade unter den Ultras gefeiert worden. Ihnen gehörte vor langer Zeit auch Präsident Kay Bernstein an, sein Verhältnis zu Gersbeck wird als nachgerade freundschaftlich beschrieben. Gersbeck zur Rechenschaft zu ziehen, ist innenpolitisch also mindestens in doppelter Hinsicht heikel.
Wenn es für Hertha BSC schlecht läuft, könnten Zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe fällig werden
Abgesehen davon hofft Hertha BSC weiterhin darauf, den bisherigen Stammtorwart Oliver Christensen abzugeben, um Transfereinnahmen zu erzielen. Allerdings will der Däne in Berlin bleiben, vor allem aus familiären Gründen. Sollte er gehen, wäre Gersbeck "Nummer 1" gewesen.
Im Hintergrund hatten bei der Entscheidungsfindung aber auch diverse Rechtsstreitigkeiten eine Rolle gespielt - vor allem jene, die den früheren Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic betreffen. Dem Vernehmen nach war dessen fristlose Entlassung im Februar vor allem mit einem Zwischenfall gerechtfertigt worden, der sich zu Jahresbeginn am Rande des Derbys zwischen Hertha und Union abgespielt hatte. Nach der Niederlage und insistierenden Fragen eines RBB-Reporters um die Zukunft des damaligen Trainers Sandro Schwarz hatte sich Bobic im Weggehen zu einer unbedachten Äußerung hinreißen lassen: "Wenn du nochmal fragst, scheuer' ich dir eine." Die Drohung blieb hohl, Bobic entschuldigte sich umgehend. Entlassen wurde er trotzdem, dagegen hat er geklagt. Zuvor war auch schon ein Torwart fristlos entlassen worden, der Norweger Rune Jarstein. Er soll den Torwarttrainer massiv beleidigt haben.
All dies hatte Hertha BSC wohl auch in Zugzwang gegenüber Gersbeck gesetzt. Denn wie sollte mit ihm verfahren werden, wenn vergleichsweise harmlose Zwischenfälle in den Augen des Vereins fristlose Kündigungen rechtfertigen? Zudem - wäre Gersbeck weiterbeschäftigt worden, so wären Herthas Chancen, die bereits terminierten Prozesse gegen Jarstein und Bobic zu gewinnen, eher gesunken. Sollten diese Fälle nun dennoch auf ganzer Linie verloren gehen, würden Entschädigungszahlungen in zweistelliger Millionenhöhe fällig, die sich der heruntergewirtschaftete Klub kaum leisten wollen wird.