Bundesliga-Absteiger:Bei Hertha kracht's bei Tag und auch bei Nacht

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Muss in Salzburg zum Prozess erscheinen: Torhüter Marius Gersbeck. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Am Rande des Trainingslagers im österreichischen Zell am See wird Hertha-Torwart Gersbeck von der Polizei verhört. Und auf der Geschäftsstelle des Bundesliga-Absteigers gibt es Ärger um die Gründung eines Betriebsrats. Sonst noch was?

Von Javier Cáceres, Berlin

Der krisengebeutelte Bundesliga-Absteiger Hertha BSC kommt nicht zur Ruhe. Es kracht bei Tag - und nun auch bei Nacht. Wie die Bild berichtet, wurde der unlängst vom Karlsruher SC verpflichtete Torwart Marius Gersbeck, 28, am Rande des Hertha-Trainingslagers im österreichischen Zell am See am Sonntag von der Dorfpolizei aus dem Mannschaftshotel zur Dienststelle der örtlichen Polizei eskortiert und dort verhört. Eine Hertha-Sprecherin bestätigte, dass "die Polizei gegen einen unserer Spieler ermittelt", hielt sich unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen jedoch mit näheren Details zurück. Die Landespolizeidirektion Salzburg wiederum berichtete von einem Zwischenfall in "den frühen Morgenstunden" des Sonntags, in dessen Folge ein 22-jähriger Österreicher durch einen 28-jährigen Deutschen verletzt worden sei. Über Art und Schwere der Verletzungen wurden keine genauen Angaben gemacht. Allerdings habe das Opfer das örtliche Spital aufsuchen müssen.

Die Motivlage war am Sonntag zunächst unklar. Der Bild zufolge muss die körperliche Auseinandersetzung wohl ihren Ursprung in einem Streit unter Alkoholeinfluss in einer Gaststätte gehabt haben, die auch von Gersbeck besucht worden sein soll. Er habe dort Freunde aus der Ultraszene Herthas getroffen. Gersbeck war schon in Jugendjahren Herthaner und stand bei Heimspielen gern unter den radikalsten Hertha-Anhängern - in der Ostkurve. Der physische Disput selbst trug sich nach Angaben der Polizei allerdings auf offener Straße zu.

Interessant wird die Aufklärung der Affäre auch vor dem Hintergrund einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung Herthas mit dem früheren Geschäftsführer Fredi Bobic. Ihm war auch wegen der bloßen Drohung von Handgreiflichkeiten ("Wenn du nochmal fragst, kriegst du eine gescheuert") fristlos gekündigt worden. Bobic wehrt sich dagegen vor Gericht. Hertha wertete Bobics flapsige Bemerkung - der keine Tat folgte - als vereinsschädigendes Verhalten. Gersbeck stand am Sonntag beim 0:1 im Testspiel gegen Royal Antwerpen nicht im Kader.

Mitarbeiter bangen um Arbeitsplätze

Der Bericht über das Torwart-Verhör stellte die Schlagzeilen der letzten Tage in den Schatten. Diese kreisten um die Wahrung der Arbeitnehmerinteressen der Hertha-Angestellten. Sie bangen angesichts der massiven Finanznot Herthas um ihre Arbeitsplätze. Hertha BSC wies in diesem Zusammenhang Berichte zurück, nach denen die Gründung eines Betriebsrats durch die Geschäftsführung torpediert worden sei. Es sei "das gute, verfassungsmäßige Grundrecht, dass sich Mitarbeitende im Rahmen ihrer Vereinigungsfreiheit mit der Bildung eines Betriebsrates befassen und ihre Optionen prüfen", teilte Geschäftsführer Thomas E. Herrich auf Anfrage mit.

Die Gründung von Betriebsräten in Profifußballbetrieben ist zwar nicht gerade Usus, aber in Krisenzeiten nicht ungewöhnlich. Derlei läuft selten reibungslos ab, sodass die Probleme in Berlin nichts allzu Besonderes sind. Im Gegenteil: In Gelsenkirchen erinnert man sich gut daran, dass vor etlichen Jahren die Gründung des Betriebsrats beim FC Schalke 04 erst im zweiten Anlauf gelungen war. Beim ersten Versuch hatte ein örtlicher Gewerkschaftsboss den Plan der Arbeiter an die Vereinsführung durchgesteckt - und damit durchkreuzt: Schalke 1 - Arbeitnehmerrechte 0.

Gerüchte über die Gründung eines Hertha-Betriebsrats kursierten schon länger, in Berlin berichtet die B.Z. nun, dass es rund um ein Einladungsschreiben der Gewerkschaft Verdi zu "Ärger" gekommen sei. "Mindestens ein Infoschreiben über die bevorstehende Betriebsversammlung" sei von den Wänden der Geschäftsstelle "verschwunden", unter Mitarbeitern habe deshalb "Irritation" geherrscht, schrieb das Blatt.

Hertha hat Ausgaben offenbar drastisch reduziert

Herrich erklärte dazu, dass Verdi-Mitarbeiter tatsächlich am vergangenen Montag "eigenmächtig und unabgestimmt mit der Gewerkschaft und Hertha BSC" ein Informationsschreiben in der Geschäftsstelle ausgehängt hatten. Verdi habe sich dafür per Mail entschuldigt. Unabhängig davon unterstütze man aber "die Meinungsbildung über die Notwendigkeit eines Betriebsrates in unserer Belegschaft", betonte Herrich. Daher sei man auch "selbstverständlich" der Bitte Verdis nachgekommen, auf die für Dienstag geplante Informations- und Abstimmungsveranstaltung im Intranet hinzuweisen. Die Mitarbeiter seien ergänzend via E-Mail informiert worden. Verdi war am Wochenende für die SZ nicht zu erreichen.

Herrich räumte neuerlich ein, dass Hertha "eine der größten Krisen in der Geschichte des Klubs" durchlebt, "tiefgreifende Einschnitte" seien "leider unvermeidlich". In den vergangenen Wochen seien aber bereits Ausgaben drastisch reduziert worden, die Darstellung, "es seien aktuell in unserem Hause noch umfangreiche Jobstreichungen geplant", nannte Herrich "unzutreffend". Detailliertere Angaben machte er nicht. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte Hertha vor allem eine Reihe von hochrangigen Mitarbeitern entlassen, darunter die früheren Bundesliga-Profis Pablo Thiam (Nachwuchsakademie-Leiter) und Bobic. Auch Thiam hat gegen seine Kündigungen geklagt.

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