Hertha BSC:Herr Dardai badet und mäht den Rasen

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Nur keine Panik auf der Hertha-Titanic: Trainer Pal Dardai gab sich in der Pressekonferenz demonstrativ entspannt. (Foto: Sebastian Räppold/Matthias Koch/Imago)

Beim Tabellenletzten Hertha BSC trägt der Trainer vor dem Letzte-Chance-Spiel gegen Stuttgart demonstrative Unbekümmertheit zur Schau - und hofft auf vier Siege aus den letzten vier Partien.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Klaviatur des Abstiegskampfs weiß Pal Dardai bestens zu bedienen, er kennt als Trainer kaum etwas anderes. Denn wann immer Hertha BSC in Not gerät, wird Dardai hervorgeholt wie eine "Tiefkühlpizza". So wird er in einem - übrigens sehr launigen - Podcast namens "HaHoHä" genannt, dessen Titel eine Verballhornung des berühmten Schlachtrufs "Ha, ho, he" darstellt.

Dardai, 47, rettete die Hertha schon zwei Mal vor dem Untergang, 2015 und 2021, und er folgte dabei Mustern, die jetzt wieder zu beobachten sind: Der defätistischen Beschwörung der Düsternis ("schwer wie noch nie") folgt mindestens eine plakative, disziplinierende Maßnahme des Trainers, diesmal erwischte es den kroatischen Mittelfeldspieler Ivan Sunjic ("Verpiss dich!"). Und am Ende wird, quasi als Klimax, Lockerheit und Optimismus zur Schau gestellt. Wäre Hertha die Titanic und diese Saison der Eisberg, so wäre Dardai das Ein-Mann-Orchester, das den Berlinern auf ihrem Weg zu den Beibooten die Panik zu nehmen versucht.

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An diesem Samstag gastiert beim Schlusslicht Hertha BSC der Tabellen-15. VfB Stuttgart, der ein Pokalhalbfinale gegen Frankfurt in den Knochen hat. Wer dachte, Dardai hätte dieses Mittwochspiel sicher zur intensiven Gegnerbeobachtung genutzt, der sah sich getäuscht. Warum hätte er sich "hektisch" vor den Fernseher setzen sollen, fragte Dardai am Tag nach Stuttgarts 2:3, es gebe doch genug technische Hilfsmittel. Zudem habe er auch andere wichtige Dinge zu tun.

Das Pokalspiel des Samstags-Gegners sieht Dardai eine Halbzeit lang - dann geht er schlafen

"Ich habe gestern noch vertikutiert, denn endlich war mal ein Tag, an dem man den Rasen sauber machen konnte", berichtete Dardai: "Danach war ich richtig kaputt, habe meine Weinschorle getrunken, meine Zigarre geraucht und gebadet." Danach habe er sich vors TV-Gerät begeben und - immerhin - die erste Hälfte des VfB-Pokalspiels geschaut. Und dann? "Halbzeitpause: Pal geht schlafen. Wie immer." Ohne Panik.

Das alles heißt nicht, dass sich der Hertha-Coach der Ausgangslage nicht bewusst wäre. Im Gegenteil: "Vier Spiele, vier Siege", lautet Dardais Motto für den Saisonendspurt. In der Pressekonferenz trug er das so oft vor, dass er dabei am Ende sogar einen imaginären Kapellmeister-Stock schwang - als gestische Aufforderung ans Publikum, seinen Refrain mitzusprechen. Tatsächlich bleibt Hertha auch nichts anderes übrig, als in den letzten Spielen (gegen Stuttgart und Bochum, in Köln und in Wolfsburg) das Maximum anzustreben. Nur: Vier Spiele, vier Siege?

Das rettende Ufer ist vor dem Anpfiff gegen Stuttgart sechs Punkte entfernt, weil Hertha in 30 Spielen nur fünf Siege geholt hat - und niemals zwei Siege hintereinander. Beim Stadtnachbarn Union ist der Wunsch zu hören, Hertha möge in der Liga bleiben, denn das Derby ist den Köpenickern ans Herz gewachsen. Und auch beim Samstagsgegner VfB drückt Trainer Sebastian Hoeneß, einst Jugendspieler der Hertha, ein bisschen die Daumen: "Wenn es eine Konstellation gibt, dass wir das Spiel gewinnen und sie trotzdem drinbleiben, würde ich das wahrscheinlich begrüßen", sagte er. Aber sehr wahrscheinlich ist das so nicht möglich.

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