Bundesliga-Absteiger in Not:Geld her - oder Geld weg!

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Einst gemeinsam im Dienst für Hertha BSC, inzwischen getrennt - und womöglich bald Gegner vor Gericht: Hertha-Präsident Kay Bernstein (v. li.), der frühere Sportchef Fredi Bobic und Geschäftsführer Thomas Herrich. (Foto: MIS/Imago)

Hertha BSC will die Tilgung seiner 40 Millionen Euro schweren Anleihe auf 2025 verschieben - und entwirft ein Horrorszenario für die Anleger, sollten sie nicht zustimmen: Verlust der Zweitliga-Lizenz und Insolvenz.

Von Javier Cáceres, Berlin

Im Kampf um eine Zweitliga-Lizenz hat der finanziell schwer angeschlagene Bundesliga-Absteiger Hertha BSC einen Teil seiner Gläubiger quasi ultimativ aufgefordert, der verzögerten Tilgung einer 40-Millionen-Euro-Anleihe zuzustimmen. Sollte das im kommenden November anstehende Datum für die Rückzahlung nicht um zwei Jahre verschoben werden, seien die Gefahr einer Lizenzverweigerung durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der damit einhergehende Sturz des Hauptstadtklubs ins Amateurlager "wahrscheinlich", hieß es in einer Vereinsmitteilung vom Montagabend. Eine solche Lage würde die Gefahr einer Insolvenz heraufbeschwören, warnt Hertha: "In diesem Fall könnten die Anleihegläubiger ihr eingesetztes Kapital ganz oder teilweise verlieren." Denn: Die Anleihe ist "unbesichert".

Die Anleger müssen der vom Klub erhofften "Änderung der Anleihebedingungen" in einem schriftlichen Verfahren zustimmen. Dafür wäre die Zustimmung von Anleihegläubigern nötig, "die mindestens zwei Drittel des Nennbetrags vertreten", sprich: 26,66 der 40 Millionen Euro. Das Verfahren beginnt Ende Mai und soll am 19. Juni enden. Sollte das Ziel der Anleiheverlängerung verfehlt werden, müsse Hertha dem DFL-Lizenzierungsausschuss bis zum 21. Juni "eine alternative Finanzierung oder Garantien/Bürgschaften in gleicher Höhe wie der Nominalbetrag der Anleihe nachweisen", heißt es in den Erläuterungen des "Bond Investoren Update".

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Man arbeite daran, derartige Garantien zu beschaffen - bislang jedoch ohne Erfolg, teilt Hertha warnend mit. Zugleich benötige der Noch-Bundesligist weitere Finanzierungszusagen oder Erlöse - zum Beispiel aus Spielertransfers -, um nachzuweisen, dass der Klub "die finanziellen Verpflichtungen in der nächsten Saison erfüllen kann". Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Datum 21. Juni. Zuletzt hatte Hertha öffentlich erklärt, dass die Frist der DFL für Einreichung der Lizenzunterlagen am 7. Juni ablaufe. Eine Bestätigung der Fristverlängerung war am Dienstag bei der DFL nicht einzuholen.

Ist der neue Investor 777 verpflichtet, bei einer Ablehnung der Anleiheverlängerung auszuhelfen?

Erkenntnisse darüber, wie die Anleger auf Herthas Anliegen reagieren, gab es auch noch nicht. Als positiv gewertet wurde, dass sich der Kurs der Anleihe an der Frankfurter Börse am Dienstag erholte, nachdem er am Montag - direkt nach dem sportlichen Abstieg - gefallen war. Allerdings wurde das als Druckmittel gegenüber den Anlegern entworfene Horrorszenario aus Lizenzverweigerung und Regionalliga-Absturz am Dienstag verwässert: Bild berichtete, Herthas neuer US-Investor 777 Partners solle "verpflichtet" sein, bei einer Ablehnung der Anleiheverlängerung finanziell einzuspringen.

Die Firma 777 Partners hatte im März den deutschen Investor Lars Windhorst als Hauptgesellschafter der Hertha-Profiabteilung abgelöst. 777 hatte 100 Millionen Euro Eigenkapital zugesagt, eine erste Tranche davon ist bereits geflossen. Dem Vernehmen nach hat 777 an Windhorst rund 120 Millionen Euro für dessen Hertha-Anteile bezahlt. Heißt: Der Investor hat tatsächlich gute Gründe im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich, um alles für Herthas Lizenzerhalt zu tun, 777 kann kein Interesse an einem Lizenzverlust haben. Hertha erklärte dazu, man vertraue darauf, dass "die Anleger von unserem Weg der Konsolidierung und Sanierung überzeugt sind".

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Der Klub versucht, die Anleger mit einer Erhöhung der Zinssätze von bislang 6,5 auf 8,5 Prozent von der Verlängerung zu überzeugen. Mit 777 Partners habe man einen "Turnaround-Plan" entworfen, der bis zur Saison 2024/25 die Rückkehr in die Gewinnzone verspreche, schreibt Hertha - "basierend auf einer konservativen Finanzplanung und der Annahme eines Wiederaufstiegs in die 1. Bundesliga nach einer Saison in der 2. Bundesliga".

Unter anderem sollen die Personalkosten für die Profimannschaft von derzeit mehr als 80 Millionen Euro "um rund 60 Prozent" gesenkt werden - auf etwa 26 Millionen Euro. Mit diesem Betrag wäre Hertha bei den Personalkosten in der Saison 2022/23 immerhin unter den Top drei der zweiten Liga gewesen - hinter dem Hamburger SV und Fortuna Düsseldorf.

Die Reduktion klingt drastisch, einen Gutteil der Kostensenkung hat Hertha aber allein durch den Abstieg erzielt. Die Verträge der aktuellen Berliner Spieler sind für die zweite Liga gültig, ihre Gehälter verringern sich im Unterhaus dem Vernehmen nach erheblich - um bis zu 40 Prozent.

An anderer Front hingegen steuert Hertha BSC offenbar sehenden Auges auf einen Arbeitsprozess zu, der millionenschwer wiegen könnte. In der TV-Reportage "Wilde Jahre in Westend" des RBB wurde Klubpräsident Kay Bernstein unter anderem zum Rechtsstreit mit Fredi Bobic befragt. Der frühere Sport-Geschäftsführer war im Februar fristlos entlassen worden und hat dagegen eine Kündigungsschutzklage erhoben, die noch nicht verhandelt worden ist. "Da kann ich inhaltlich gar nicht so viel sagen, weil wir natürlich den Prozess noch abwarten müssen, um dann inhaltlich ehrlich mehr Aufklärung leisten zu können", sagte Bernstein. Aufwand und Nutzen hätten aber in keinem Verhältnis gestanden, betonte Bernstein.

Die Äußerung war insofern überraschend, als Hertha zuletzt immer wieder erklärt hatte, eine "einvernehmliche Lösung" mit Bobic anzustreben. Auf Anfrage hieß es, diese sei "immer noch möglich", Hertha sei "weiterhin gesprächsbereit". Nach SZ-Informationen hat es seitens des Vereins aber bislang kein einziges Gesprächsangebot an Bobic gegeben. Ihm soll seinerzeit vor allem aus zwei Gründen gekündigt worden sein: angebliche Indiskretionen - und eine unbedachte Äußerung gegenüber einem RBB-Reporter, die ihm als vereinsschädigend ausgelegt worden sein soll. Dieser hatte Bobic nach der Niederlage im Berliner Derby gegen Union mit Fragen nach dem damaligen Trainer Sandro Schwarz zur Weißglut getrieben. Bobic entschuldigte sich für seinen emotionalen Ausbruch gegenüber dem Reporter ("Wenn du noch mal fragst, scheuer ich dir eine") später öffentlich.

Der Ex-Manager wiederum hat einen sogenannten Urkundenprozess gegen Hertha angestrengt - eine Vorstufe für die Erlangung eines Vollstreckungstitels gegen Hertha. Damit dürfte Bobic die sofortige Auszahlung der im Februar eingestellten monatlichen Gehaltszahlungen erwirken können. Sein Jahresgehalt soll sich jenseits der Drei-Millionen-Euro-Grenze bewegen. Dem Vernehmen nach kann Bobic seinen Vertrag, sollte dessen Gültigkeit zum kommenden 30. Juni bestätigt werden, sogar per einseitiger Option um zwei Jahre bis 2026 vorzeitig verlängern. Hertha teilte dazu mit, dass man sich "zu Vertragsinhalten nicht öffentlich äußern" wolle.

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