Handball-Bundesliga:Der Abstieg? Kein Thema

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Christoph Steinert hat bei der EM (hier gegen den Isländer Ymir Gislason) überzeugt, jetzt soll er maßgeblich helfen, den HC Erlangen in der ersten Liga zu halten. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der HC Erlangen startet als Tabellen-14. mit dem Spiel gegen Lemgo am Donnerstag schlechter als erwartet in die zweite Saisonhälfte. Einige Justierungen am Kader und ein neuer Co-Trainer sollen schnell Abhilfe schaffen.

Von Ralf Tögel

Abstieg? "Das Wort habe ich nicht in den Mund genommen", stellt Hartmut Mayerhoffer klar, "ich habe Klassenerhalt gesagt." Dass sich der Trainer der Erlanger Handballer in der zweiten Saisonhälfte mit dem Abstiegskampf beschäftigen muss, auch wenn die zweite Liga für ihn kein Thema ist, "davor können wir natürlich nicht die Augen verschließen". Nach Weihnachten, als der Spielbetrieb in der Bundesliga wegen der Heim-EM ruhte, hatten sich die Verantwortlichen des HC Erlangen getroffen, um den bisherigen Saisonverlauf zu rekapitulieren.

Es war ein ruhiges, konstruktives Gespräch, erzählt Mayerhoffer. Die Mittelfranken werden von der Konkurrenz und diversen Experten zu Saisonbeginn fast schon traditionell als Geheimtipp eingestuft, so auch vor der laufenden Runde. Namhafte Zugänge wie Gedeon Guardiola, Abwehrchef der spanischen Nationalmannschaft, befeuern derlei Prognosen. Die Erlanger selbst verorten sich maximal im ambitionierten Mittelfeld, aus Erfahrung wissend, dass nicht jeder Zugang auf Anhieb im neuen Umfeld funktionieren muss. Außerdem galt und gilt es ja, einen neuen Trainer zu integrieren: Mayerhoffer muss mit einem Kader arbeiten, an dessen Zusammenstellung er nicht beteiligt war.

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Alfred Gislason hat mit einer sehr jungen Mannschaft bei der EM überzeugt - aber sein Vertrag läuft im Sommer aus. Trainer wie Spieler haben stets die Freude an der gemeinsamen Arbeit gelobt - und senden ein klares Signal an den DHB.

Kommentar von Ralf Tögel

Jedenfalls haben die Erlanger die hohen externen Erwartungen nicht erfüllt. Der aktuelle 14. Tabellenrang ist dem 17., dem ersten Abstiegsplatz, gefährlich nahe. Zumal dort Aufsteiger Eisenach auch noch gleich viele Punkte hat. Natürlich wird die Halbzeitbilanz auch den eigenen Ansprüchen nicht gerecht. "Wir sind nicht zufrieden", sagt Mayerhoffer, "uns fehlen vier, fünf Punkte."

Der Vertrag mit Torhüter Bertram Obling wird nicht verlängert, der Schwede hat bereits in Gummersbach unterschrieben

Das klingt erst mal wenig, würde Erlangen indes in dem extrem engen Tableau auf den achten Rang katapultieren. Doch zuletzt gab es ein unnötiges Remis zu Hause gegen Balingen, dann die schmerzhafte Niederlage in Eisenach - aus den vier avisierten Zählern gegen die beiden Aufsteiger wurde einer. Nebst der Diskussion, wie man sich aus diesem Dilemma möglichst schnell zu befreien gedenke.

Erste Gelegenheit ist die Partie am Donnerstagabend in der Nürnberger Arena (19 Uhr, Dyn) gegen den TBV Lemgo Lippe. Die Ostwestfalen sind zwei Plätze und zwei Punkte besser platziert als Erlangen. Vor allem die "Angriffseffizienz muss sich verbessern", sagt Mayerhoffer, sein Team erspiele sich zwar viele Chancen, scheitere aber allzu oft mit aussichtsreichen Würfen. Ferner war die Fehlerquote zu hoch: "Wir haben zu viele Ballverluste", moniert der Trainer. An beidem habe man in der Vorbereitung intensiv gearbeitet, zuletzt in einem Kurztrainingslager.

Da hatte Mayerhoffer den gesamten Kader zusammen, auch die EM-Fahrer Klemen Ferlin und Christoph Steinert. Der slowenische Torhüter zeigte starke Leistungen im EM-Turnier, auch Steinert überzeugte im deutschen Nationalteam. Diese Form will der Linkshänder nun im Ligaalltag zeigen: "Wir haben bisher zu wenig Qualität gezeigt, vor allem im Rückraum", sagt er selbstkritisch, "Spieler wie ich oder Simon Jeppsson müssen mehr leisten." Der Schwede, der zum erweiterten Nationalkader zählt, war in den vergangenen Jahren eine Art wurfgewaltige Punktegarantie, wovon in der bisherigen Saison wenig zu sehen war. Die Integration neuer Kräfte benötige einfach Zeit, sagt Steinert, besonders wenn der Trainer dazu zähle: Mayerhoffer mache "es nicht grundverschieden, aber doch anders" als Vorgänger Raúl Alonso, der sich auf den Sportdirektorenposten zurückgezogen hat: "Natürlich müssen wir uns erst aneinander gewöhnen." Wofür der Nationalspieler ein einfaches Rezept hat: "Das geht nur über Trainingsfleiß, über Abläufe und Automatismen, es geht nur über viel Arbeit."

Auch die Torhüter konnten bislang selten überzeugen, weshalb der Vertrag mit Bertram Obling nicht verlängert wurde - der Schwede hat bereits in Gummersbach unterschrieben. Veit Mävers, vor der Saison aus Hannover gekommen, muss wieder gehen, er wurde bereits aus dem Kader gestrichen.

Denn hier haben die Verantwortlichen die Wurzel des Übels ausgemacht: Es fehlte an Struktur im Kollektiv, findet Carsten Bissel, "wir müssen wieder ein Team aufs Feld bringen, in dem jedes Rädchen ins andere greift." Der Aufsichtsratschef war neben Alonso, Geschäftsführer René Selke und dem Trainerteam an dem Bilanzgespräch beteiligt. Zu Letzterem gehört nun auch Johannes Sellin, der noch nah an der Mannschaft ist und Mayerhoffer entlasten soll - auf dessen Wunsch, wie er sagt. In U21-Weltmeister Stefan Seitz und Tim Gömmel, Mitglied des DHB-Elitekaders, haben sich zwei Nachwuchskräfte ins Team gespielt. So verjüngt Mayerhoffer das Team, wovon er sich auch mehr Tempo erhofft: "Wir müssen aus einer stabilen Abwehr einfache Tore aus dem Tempospiel machen."

Basis sei die Defensive, die schon bisher gut funktioniert hat: Nur Tabellenführer Magdeburg hat weniger Tore kassiert als die Erlanger. Aber auch diese Zahl gehört zur Wahrheit: Kein Team hat weniger Tore geworfen als der HCE. Aktionismus wird im Übrigen einstimmig abgelehnt, auch das ist so etwas wie Tradition bei den Mittelfranken. "Es ist nicht toll", sagt Klubboss Bissel, "aber auch keine Totalkatastrophe." Und er erinnert an die enge Konstellation: "In der vergangenen Saison haben 14 Punkte für den Klassenerhalt gereicht." Erlangen hat deren 13, da würden schon noch ein paar hinzukommen. Und der Abstieg? "Damit müssen wir uns nicht beschäftigen."

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