VfL Wolfsburg:Mit Sachlichkeit, Glück und einem klaren Plan

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Zurück in der Bundesliga als Wolfsburger Coach - mit dem Sohn als Co-Trainer: Ralph (rechts) und Patrick Hasenhüttl feiern das gelungene Comeback. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Beim 2:0 in Bremen gibt Ralph Hasenhüttl ein gelungenes Debüt als Wolfsburger Trainer. Der erste VfL-Sieg dieses Jahr ist geprägt vom konsequenten Vorgehen des Österreichers, von einer entscheidenden Botschaft - und jener Zutat, die zuletzt verloren zu sein schien.

Von Thomas Hürner, Bremen

Teile der Öffentlichkeit haben es noch nicht mitbekommen, aber beim VfL Wolfsburg haben sie die Rückennummer 9 an den Schweden Amin Sarr vergeben. Die 9 haben beim VfL bereits ein paar prominente Stürmer getragen, darunter der riesengroße Edin Dzeko, der ebenfalls beachtliche Ivan Perisic oder der stets verlässliche Andrzej Juskowiak. In dieser Saison hat man die Nummer allerdings nur selten gesehen, weil sie unter einer Trainings- oder Winterjacke verpackt auf der Bank saß. Sarr, vor der Saison in einem laut Medienberichten "teuren Gesamtpaket" aus Lyon ausgeliehen, spielte so selten, dass man ihn für ein Phantom im Wolfsburger Kader halten konnte. Und wenn er doch kurz ran durfte, blieb der Eindruck derselbe: Zu sehen war Sarr, 23, ja doch wieder nicht.

Am Samstag wurde der Stürmer dann nicht nur leibhaftig im Bremer Weserstadion gesichtet, die Nummer Neun stand sogar erstmals in der Startaufstellung. Aus Sicht des kriselnden VfL wäre allein das schon eine Erfolgsmeldung gewesen, wenn es bei dieser Auswärtsreise nicht so viele davon gegeben hätte, dass man glatt den Überblick verlieren konnte: Durch das 2:0 gegen den SV Werder haben die Wolfsburger ihr erstes Spiel im Kalenderjahr 2024 gewinnen können; und weil dieser Sieg passenderweise mit dem ersten Spiel des neuen Trainers Ralph Hasenhüttl zusammenfiel, war auch diese Premiere den eigenen Vorstellungen entsprechend verlaufen.

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Der bislang so unglückliche Sarr hat dabei einen soliden Eindruck hinterlassen, aber entscheidend war die Botschaft, die von seiner Berufung ausging: sobald ein neuer Coach übernimmt, werden Hierarchien neu geordnet, eine neue Unvoreingenommenheit breitet sich in der Kabine aus, bislang ignorierte Spieler tauchen aus der Versenkung auf.

Mitunter nutzen Trainer diese beliebte Kehraus-Strategie, um einen "neuen Impuls" zu setzen, wie das gerne heißt. Hasenhüttl dagegen ist ohne Kabinenpopulismus vorgegangen, sondern mit seiner - schon aus seiner Zeit in Leipzig berüchtigten - Sachlichkeit. "Ich bin nicht ins Risiko gegangen", sagte der Österreicher und erklärte auch gleich, warum: Aufgestellt habe er vor allem jene Spieler, die in den vergangenen zwei Wochen nicht mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren, sondern das tägliche Mannschaftstraining beim VfL absolviert hatten.

Durch den Sieg hat Wolfsburg sich ein wenig Luft verschafft

Das war Hasenhüttl wichtig, weil die Weltreisenden infolge ihrer Weltreisen nun mal Wissenslücken aufweisen. Und da war er konsequent: Außer Sarr durften in Stürmer Kevin Behrens oder Verteidiger Sebastiaan Bornauw weitere zuletzt nur sporadisch eingesetzte Akteure ran; etablierte Kräfte wie Spielmacher Lovro Majer oder Stürmer Jonas Wind blieben erst mal draußen. Die Detailarbeit im Training jedenfalls hatte sich gelohnt, die Maßnahme erreichte den intendierten Effekt.

Die taktischen Wandlungsprozesse auf dem Rasen funktionierten einigermaßen zuverlässig, im Spielaufbau formierten sich die Wolfsburger mit vier Abwehrmännern und einer Doppelsechs, in Defensivphasen dann mit einer Dreier- oder Fünferkette. Dieser "Plan gegen den Ball" sei gut gewesen, berichteten die Wolfsburger Spieler unisono; Kapitän Maximilian Arnold bemerkte sogar, dass der Abwehrplan detaillierter ausgearbeitet gewesen sei als noch zuletzt. Wer wollte, konnte darin eine kleine Gemeinheit gegen Hasenhüttls Vorgänger Niko Kovac heraushören. Wobei dieses Spiel für Kovac eh schon reich an Gemeinheiten war.

Erst das 1:0 erzielt, dann mit Rot vom Platz geflogen: Wolfsburgs Maxence Lacroix (li.) erlebte einen abwechslungsreichen Arbeitstag in Bremen. (Foto: Cathrin Mueller/Getty Images)

Während seiner quälend langen Abschiedsphase hatte Kovac immer wieder fehlendes Glück bedauert; am Samstag feierte diese mystische Kraft bei den Wolfsburgern ein eindrucksvolles Comeback: Erst vergab der Bremer Stürmer Nick Woltemade die Chance zur Führung, dann sah der Bremer Verteidiger Anthony Jung wegen einer vermeintlichen Notbremse die rote Karte (42. Minute), obwohl ein mitgeeilter Teamkollege womöglich noch hätte eingreifen können. Im letzten Spiel von Kovac war eine ähnliche Szene noch zum Nachteil der Werkself genau andersrum entschieden worden. So wäre das womöglich auch beim Wolfsburger 1:0 durch Maxence Lacroix gewesen, der nach einem Eckball auch deshalb freie Schussbahn hatte, weil der Bremer Torwart Michael Zetterer zuvor von einem VfL-Spieler bedrängt worden war. Und als jener Lacroix später selbst wegen einer Notbremse vom Platz flog, habe sich Mittelfeldmann Arnold zwar gedacht: "Oje, jetzt geht das schon wieder los." Die Sorge vor dem zuletzt obligatorischen Wolfsburger Einbruch erwies sich aber als unbegründet.

Auch Hasenhüttls Sohn Patrick feierte sein Debüt - als Co-Trainer des Vaters

Stattdessen traf der eingewechselte Lovro Majer nach einem Konter zum 2:0-Endstand, indem er den Ball über Torwart Zetterer lupfte - ein herrlicher Treffer war das, der auch exemplarisch für Hasenhüttls Kalkulation stand: Wer so eine Bank habe, erklärte der Coach, der habe zugleich ein "Riesenpfund" in so einem engen Duell; außerdem sei es wegen der komplizierten Begleitumstände ohnehin nicht darum gegangen, die "Schönheit vom Himmel zu spielen". Den Wolfsburgern ging es lediglich um die drei Punkte - durch die sie sich nun ein wenig Luft verschaffen konnten von der zuletzt gefährlich nah herangerückten Abstiegszone.

Mitunter sei das Dargebotene noch "weit entfernt" von dem gewesen, was er im Idealfall sehen wolle, sagte Hasenhüttl noch mit leicht brüchiger Stimme. Sein Tonfall lag aber weniger am Gesamteindruck seines Wolfsburger Premierenspiels, sondern an der für ihn aufreibenden Zeit in England beim FC Southampton. Dort habe er seine Stimmbänder ramponiert, erklärte Hasenhüttl, er müsse deshalb nun etwas vorsichtiger sein.

Sein impulsiver Auftritt an der Seitenlinie allerdings hatte wenig von einer ärztlich verordneten Selbstschutzmaßnahme. Zur Not kann er das Schimpfen und Gestikulieren nun aber guten Gewissens weiter delegieren: Das Spiel in Bremen war auch das Debüt für den neuen Co-Trainer Patrick Hasenhüttl, der seine Spielerkarriere vor Kurzem beim Halleschen FC beendet hat. Der Sohnemann, so viel lässt sich bereits sagen, hat sich da einiges von Papa Hasenhüttl abgeschaut.

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