WM-Qualifikation:Gabelstaplerfahrer waren mal

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Wurfstark und flexibel: Der Leipziger Luca Witzke darf seine Stärken in der WM-Qualifikation unter Beweis stellen. (Foto: Franz Waelischmiller/Sven Simon/Imago)

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist gegen die Auswahl der Färöer klarer Favorit. Trainer Alfred Gislason warnt trotzdem vor der großen Entwicklung des Gegners.

Von Ralf Tögel, München

Wer an die Färöer denkt, dem dürfte zunächst die atemraubende Landschaft der Inselgruppe im Nordatlantik zwischen Norwegen und Island in den Sinn kommen. Die Fischgründe sind reich, es lässt sich wunderbar wandern oder die üppige Vogelwelt beobachten. Geht es um Sport auf dem Archipel, kommt vielen dieser kauzige Fußballtorwart mit der weißen Bommelmütze ins Gedächtnis, dessen Paraden einst die österreichische Nationalmannschaft zur Lachnummer Europas machten. Seither sind zwar 32 Jahre vergangen, einen Scherz über die epische Blamage sollte man sich in einem Wiener Caféhaus aber besser heute noch sparen. Nach der Niederlage gegen die Amateurtruppe aus dem hohen Norden trat Österreichs Teamchef Josef Hickersberger zurück. Jener Färinger Torhüter hieß Jens Martin Knudsen, neben seinem Beruf als Gabelstaplerfahrer war er auch Landesmeister im Turnen und Torhüter der Handball-Nationalmannschaft.

Seither hat sich nicht nur im Fußball der Färöer einiges getan. Wenn die deutsche Handball-Nationalmannschaft in einer Woche (13. April, 18.15 Uhr, Sport1) in Kiel zum ersten der beiden WM-Qualifikationsspiele auf die Auswahl der Färöer trifft (Rückspiel am 16. April in Torshavn), kann Bundestrainer Alfred Gislason sicher sein, dass ein Spezialist im gegnerischen Tor stehen wird: Nicholas Satchwell, 30, spielt für den ehemaligen isländischen Meister KA Akureyri, der dem Bundestrainer bestens bekannt sein sollte, denn Gislason begann dort seine aktive Handball-Karriere. Das Gros der Färinger Spieler verdient sein Geld im skandinavischen Ausland in Schweden, Norwegen und Island. Aki Egilsnes wurde vom Zweitligisten EHV Aue berufen.

Auffälligster Akteur im Team ist der erst 19-jährige Spielgestalter Elias Ellefsen á Skipagøtu, der aktuell bester Torschütze des schwedischen Meisters Sävehof IK in der European League ist und der "von halb Europa gejagt wird", wie Gislason weiß. Auch der Trainer des Außenseiters steht für Qualität, Peter Bredsdorff-Larsen war Co-Trainer der dänischen Nationalmannschaft und Coach des früheren dänischen Meisters BSV Bjerringbro/Silkeborg. "Der Handball dort ist sehr, sehr viel besser geworden", sagt Gislason respektvoll, "es wird extrem wichtig sein, dass wir konzentriert in diese Spiele gehen."

Hat viele Wurfvarianten: Elias Ellefsen á Skipagøtu (re.) im Trikot von Sävehof IK. (Foto: Mathilda Ahlberg/Bildbyran/Imago)

Gleichwohl kann der Bundestrainer die Favoritenrolle seiner Auswahl schwer kleinreden, zumal die Färöer nur durch den Bann der belarussischen Mannschaft in diese finalen Qualifikationsspiele eingezogen sind. Axel Kromer, Sportvorstand des Deutschen Handballbunds (DHB), wird deutlicher: "Natürlich müssen wir das gewinnen und zur WM fahren", sagt er; die WM 2023 findet im Januar in Polen und Schweden statt. Allerdings habe auch Kromer beim Videostudium des Gegners erkannt, dass "das schon nach Spitzenhandball aussieht".

Auch die Kunde vom langfristigen Ausfall des Melsunger Rechtsaußen Timo Kastening, der sich sein Kreuzband gerissen hat, ändert nichts an der Vorgabe, für ihn wird Klubkollege Tobias Reichmann nachrücken. Ansonsten setzt Gislason mit seinem Kader den bei der Chaos-EM in Bratislava eingeleiteten Verjüngungsprozess fort. Der Isländer verzichtet dabei etwas überraschend auf Philipp Weber vom Bundesliga-Spitzenreiter Magdeburg und setzt auf das junge Spielmacher-Duo Juri Knorr, 21, (Rhein-Neckar Löwen) und Luca Witzke, 23 (Leipzig). "Sie haben einen kleinen Vorsprung", erklärt der Trainer, denn beide seien bessere Abwehrspieler; außerdem hätten sie im März "Gutes in den Testspielen gegen Ungarn gezeigt". Er präferiere ohnehin Akteure, die flexibler einzusetzen seien. Und Weber, erläutert Gislason, spiele derzeit in Magdeburg fast nur auf der linken Rückraumposition.

Neben der Qualifikation für die Weltmeisterschaft sind diese Spiele auch wichtig für die Entwicklung der Mannschaft, sagt Gislason, denn in den Tests gegen Ungarn (31:31 sowie 30:29) habe er genügend Schwächen identifiziert. Womit er vor allem den Innenblock in der Abwehr ansprach, die wohl größte Umbaumaßnahme für die Zukunft. Er muss Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek, seine Defensivstützen, ersetzen, Wiencek wird in Kiel offiziell nach dem Spiel aus der Nationalmannschaft verabschiedet. Pekeler nicht, der befinde sich ja nur im Pausenmodus, sagt Gislason: "Für Peke ist die Tür immer offen."

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