Handballklub Füchse Berlin:Eine einmalige Konstellation

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Der weltbeste Spieler gegen die weltbeste Mannschaft: Hier setzt sich Berlins dänischer Weltmeister Mathias Gidsel im Hinspiel gegen die Magdeburger Abwehr durch. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Handball-Tabellenführer Füchse Berlin trifft im Spitzenspiel auf den Zweiten Magdeburg - und will erstmals deutscher Meister werden. Auch mit anderen Teams läuft es im Verein gerade herausragend gut.

Von Ralf Tögel

Bob Hanning ist in Eile. Das ist sein Normalzustand, man erwischt ihn im Auto, das Training ist gerade vorbei. Aber er nimmt sich Zeit, der Blinker ist zu hören, er fährt rechts ran, jetzt kann er ungestört telefonieren. Hanning ist Trainer des Handball-Zweitligisten VfL Potsdam, seine junge Mannschaft, in der ein paar U21-Weltmeister spielen, mischt gerade die Liga auf und ist Tabellenführer, da hat er einiges mitzuteilen. Der 56-Jährige ist aber nicht nur Potsdamer Trainer, er ist auch Geschäftsführer des Erstligisten Füchse Berlin, und als solcher hat er noch etwas mehr mitzuteilen, wobei alles mit allem zusammenhängt.

Am kommenden Sonntag steigt das Gipfeltreffen in der Handball-Bundesliga, der Tabellenführer Berlin gastiert beim Zweiten SC Magdeburg, die Füchse haben in der gesamten Saison bisher erst einmal verloren und stehen mit 41:5 Punkten ganz oben. Bedrängt von Magdeburg, das einen Minuspunkt mehr und ein Spiel weniger auf dem Konto hat. Und das bei Konkurrenten wie dem THW Kiel oder der SG Flensburg-Handewitt.

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Die Füchse Berlin sind Tabellenführer der Handball-Bundesliga. Das überrascht, denn: Eigentlich fallen zwei ihrer besten Profis gerade aus. Und der Trainer lässt die jungen Talente ran.

Von Ralf Tögel

Kleine Hilfe zur Einordnung: Meister Kiel hat gerade den kroatischen Champion Zagreb mit 33:22 demontiert und ist als Gruppenerster ins Champions-League-Viertelfinale eingezogen. Die deutsche Bundesliga gilt als die beste des Planeten, entsprechend ordnet Hanning die Partie am Sonntag (16 Uhr, Dyn und MDR) ein: "Wir haben den besten Spieler der Welt, und Magdeburg ist die beste Mannschaft der Welt." Das ist keinesfalls übertrieben, Berlins Däne Mathias Gidsel war bei der EM im Januar bester Torschütze, obwohl sich der Linkshänder stets einer hingebungsvollen Betreuung durch die besten Abwehrspieler erfreuen darf. Und Magdeburg? Ist aktueller Champions-League-Sieger und hat wie die Kieler nach einem 30:28-Sieg beim starken ungarischen Rekordmeister Veszprem vorzeitig das Viertelfinale gebucht.

Berliner Dominanz: Die Bundesliga-A-Jugend, Zweitliga-Kooperationspartner Potsdam und die Füchse sind Tabellenführer

Einer der beiden Konkurrenten wird wohl Meister werden, denn elf Spieltage vor Saisonschluss folgt die kaum weniger hochkarätige Konkurrenz mit respektablem Abstand - Flensburg als Dritter hat sechs Zähler Rückstand auf Primus Berlin. "Es ist mein Traum", sagt Hanning. Berlin hat zwar den Pokal, den EHF-Cup sowie die Vereins-Weltmeisterschaft gewonnen, aber Meister waren die Füchse nie: "Das ist der bedeutendste Titel, den es gibt."

Für Magdeburg spricht am Sonntag der Heimvorteil, auch das isländische Rückraumduo kommt immer besser in Fahrt. Omar Ingi Magnusson und Gisli Kristjansson zählten mit ihrem Nationalteam bei der EM noch zu den großen Enttäuschungen, beim jüngsten Sieg gegen Barcelona in der Champions League waren sie die prägenden Akteure. "Magdeburg spielt noch mal in einer anderen Liga", sagt Hanning respektvoll, aber: "Wir sind Erster, und das wollen wir bleiben." Das Hinspiel haben die Füchse mit 31:26 deutlich gewonnen, aber das gilt jetzt nicht mehr, so Hanning: Er freue sich auf den Schlagabtausch auf exponiertem Niveau. Es werden fast ausschließlich Nationalspieler auf dem Parkett stehen am Sonntag, bei den Magdeburgern, aber auch bei den Berlinern.

Wobei die Füchse besonders auf den eigenen Nachwuchs setzen. Die Nationalspieler Paul Drux und Fabian Wiede waren jahrelang die Gesichter dieser erfolgreichen Arbeit; nun steht in den U21-Weltmeistern Niels Lichtlein, der bei der EM im Januar bereits erste Erfahrungen in der DHB-Auswahl sammelte, Matthes Langhoff und Tim Freihöfer die nächste Generation auf dem Spielfeld. Hinzu kommen in Torhüter Lasse Ludwig, Max Beneke und Moritz Sauter die U21-Titelträger des Kooperationspartners VfL Potsdam, die bereits regelmäßig per Zweitspielrecht im Bundesligateam mitmischen. Und bis auf Sauter, der zum HSV Hamburg wechselt, kommende Saison bei den Füchsen spielen.

Sollte Potsdam aufsteigen, will Bob Hanning ein Team Deutschland als Talente-Pool in der ersten Liga installieren

Es ist eine einmalige Konstellation, die Hanning da installiert hat: Die A-Junioren, die er ebenfalls jahrelang trainierte, sind deutscher Meister und als Tabellenführer - nach einem Auswärtssieg in Magdeburg - in ihrer Meisterrunde auf bestem Weg, den Titel zu verteidigen. Die zweite Füchse-Mannschaft mischt vorn in der dritten Liga mit und der Kooperationspartner Potsdam, den Hanning aktuell trainiert, ist mit vier Punkten Vorsprung Primus der zweiten Liga. Somit können die Talente je nach Leistungsstand auf hohem Niveau optimal eingesetzt werden. "Ich bin im Herzen immer Jugendtrainer geblieben", sagt Hanning, die Ausbildung der Talente stehe bei ihm immer im Zentrum. Schon zu seiner Zeit als der fürs Nationalteam zuständige DHB-Vizepräsident habe er den Nachwuchs stets besonders im Fokus gehabt. Und er schart auch ehemalige Nationalspieler um sich: Stefan Kretzschmar ist Sportvorstand der Füchse, Volker Zerbe Sportkoordinator. Und vor zwei Jahren holte Hanning Frank von Behren als Geschäftsführer nach Potsdam. Die ehemaligen Nationalspieler seien Fachleute, "die sich gut entwickeln und das System tragen. Und ich lebe meinen Traum".

Dieses "in Europa einmalige Konstrukt", wie Hanning sagt, funktioniert derzeit so gut, dass der Füchse-Boss demnächst "vor einem Unfall" stehen könnte: dem Aufstieg des VfL Potsdam. So weit will der 56-Jährige nach eigenen Worten zwar nicht nach vorn blicken, hat für den drohenden Interessenkonflikt aber bereits eine Lösung im Hinterkopf: ein Team Deutschland. Als solches soll Potsdam dann viele der deutschen Toptalente vereinen und in der besten Liga der Welt zu Nationalspielern formen. Hanning zieht sich auf den Posten des Sportdirektors zurück, der neue Trainer soll DHB-Stallgeruch haben, Gespräche mit dem Verband laufen längst.

Bis es so weit ist, sind noch ein paar Spiele zu gewinnen, sowohl für den Trainer Hanning, als auch für den Geschäftsführer Hanning.

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