Dopingfall Simona Halep:Grand-Slam-Siegerin in Beweisnot

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"Ich werde bis zum Ende kämpfen, um zu beweisen, dass ich nie wissentlich eine verbotene Substanz genommen habe": Simona Halep. (Foto: Javier Rojas/Zuma/Imago)

Der Positivbefund der früheren Wimbledon-Siegerin Simona Halep erschüttert die Tenniswelt. Die Rumänin sieht sich als Opfer und will nun "für die Wahrheit" kämpfen. Doch das dürfte kompliziert werden.

Von Gerald Kleffmann

Eine relativ kurze Mail erschütterte am Freitagnachmittag den Tennissport. Um 15.34 Uhr schrieb die International Tennis Integrity Agency (ITIA) in einer Mitteilung an Medien, für die Spielerin Simona Halep sei eine "vorläufige Suspendierung gemäß dem Tennis-Anti-Doping-Programm" verfügt worden: Während ihrer Teilnahme bei den US Open Ende August, dem letzten Grand-Slam-Turnier dieser Saison, sei bei der Rumänin ein positiver Befund ermittelt worden. Sowohl in der A-Probe als auch in der B-Probe wurde das Mittel Roxadustat nachgewiesen, das Patienten mit chronischer Nierenschwäche, die insbesondere an Blutarmut leiden, helfen soll.

Da es die Bildung roter Blutkörperchen stimuliert und den Transport von Sauerstoff im Körper erhöht, ist der Wirkstoff bereits seit einigen Jahren als mögliches Dopingmittel bekannt und kann auch nachgewiesen werden. Anders als das vor allem im Radsport verwendete illegale Epo wird Roxadustat nicht gespritzt, sondern kann als Tablette eingenommen werden. Der erste des Roxadustat-Missbrauchs überführte Doper war 2015 der Geher Bertrand Moulinet, der die Einnahme einräumte und für vier Jahre gesperrt wurde. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London hatte der Franzose über die 20-Kilometer-Distanz den achten Platz erreicht.

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Nur wenige Minuten nachdem die ITIA die Maßnahme publik gemacht hatte, meldete sich Halep in den sozialen Medien. "Heute beginnt das härteste Match meines Lebens: ein Kampf für die Wahrheit", verkündete sie. "Ich wurde darüber informiert, dass ich positiv auf eine Substanz namens Roxadustat in einer extrem geringen Menge getestet wurde, was der größte Schock meines Lebens war. In meiner ganzen Karriere kam mir nicht ein einziges Mal die Idee zu betrügen in den Sinn, weil das komplett gegen alle Werte verstößt, mit denen ich erzogen wurde."

Halep hat zwei Grand-Slam-Titel gewonnen, in Paris und Wimbledon

Ihr Positivbefund hat deshalb eine große Fallhöhe, da Halep nicht irgendein Profi ist. Die nun 31-Jährige aus Constanta am Schwarzen Meer war 64 Wochen lang die Nummer eins der Weltrangliste. Sie gewann zwei der größten Turniere, die der Tennissport zu bieten hat: die French Open 2018 und in Wimbledon 2019. Halep ist zudem sehr beliebt unter Spielern und hat unzählige Fans weltweit - allein 1,7 Millionen Menschen folgen Nachrichten und Bildern, die sie auf ihrem Account bei Instagram regelmäßig veröffentlicht. Nach ihrem Triumph im All England Club wurde Halep im Fußballstadion in Bukarest von 30 000 Landsleuten gefeiert. Sie ist ein Star in der Heimat, in der sonst wie in vielen Ländern Fußball der mit Abstand populärste Sport ist.

Von der Dimension her ähnelt der Fall jenem von Maria Scharapowa, auch wenn diese eine noch schillerndere Persönlichkeit des Tennissports war und jahrelang mit Werbung gar zweistellige Millionenbeträge verdiente. Die Russin, die fünf Grand-Slam-Siege errang, war 2016 aufgrund der Einnahme des Herz-Kreislaufmittels Meldonium zunächst für zwei Jahre gesperrt worden. Nach einem Einspruch vor dem internationalen Sportgerichtshof (Cas) wurde die Strafe auf 15 Monate verkürzt.

Die Einnahme von Meldonium, das die Ausdauer und Durchblutung fördert, war seit Januar 2016 nicht mehr für Profisportler erlaubt. Ob Halep wie die inzwischen nicht mehr aktive Scharapowa gegen das Urteil der ITIA vorgeht, die im Tennis die maßgebliche Organisation für solche Fälle ist, ließ sie vorerst offen. Deutlich machte sie aber bereits, dass sie sich als Opfer sieht.

Nur wenige Kolleginnen äußern sich öffentlich zu dem Fall

In ihrem Statement schrieb sie, auch etwas kryptisch: "In dieser unfairen Situation fühle ich mich betrogen und bin irritiert zugleich. Ich werde bis zum Ende kämpfen, um zu beweisen, dass ich nie wissentlich eine verbotene Substanz genommen habe." Von wem oder was sie sich betrogen fühlte, präzisierte sie nicht. Sie schloss ihr Schreiben mit pathetischen Worten: Es gehe ihr nun "nicht um Titel oder Geld. Es geht um Ehre und die Liebe zum Tennissport, die ich in den vergangenen 25 Jahren entwickelt habe." Ihre Haltung überraschte nicht. Sie wird oft von Athleten im Spitzensport eingenommen, die des Dopings überführt wurden.

Die Reaktionen in der Tennisbranche fielen sehr zurückhaltend und abwartend aus. Patrick Mouratoglou, ihr Trainer, der in Nizza eine renommierte Akademie aufgebaut hat, schrieb im Internet nur knapp, er unterstütze Halep "zu 100 Prozent in diesem Kampf". Nur ein paar Spielerinnen übermittelten ihren Glauben an ein gutes Ende für Halep, etwa die Französin Alizé Cornet und die Rumänin Sorana Cirstea. Halep selbst hatte am 7. Oktober, wie die ITIA schrieb, von der positiven Probe erfahren. Zu dem Zeitpunkt hatte sie bereits ihre Saison beendet, die mehr Tiefen als Höhen für sie beinhaltete. Sie gewann zwei Turniere (Melbourne, Toronto) und erreichte in Wimbledon das Halbfinale. Bei den French Open in Paris erlitt sie eine Panikattacke während eines Matches. Privat scheiterte ihre Ehe nur ein Jahr nach der Hochzeit.

Am 15. September, nach den US Open, gab Halep bekannt, sich einer längst notwendigen Nasenoperation zu unterziehen, um ihre Atmung zu verbessern, und 2022 nicht mehr auf die WTA-Tour zurückzukehren. Den Eingriff überstand sie gut, doch es ist nun unklarer denn je, wann sie wieder als Tennisspielerin zu sehen sein wird. Es liegt nun an Halep, die eigene Unschuld zu beweisen, das dürfte schwierig sein. Das letzte Match der aktuellen Nummer neun der Weltrangliste bleibt vorerst die damals überraschende Erstrundenniederlage in New York gegen die Ukrainerin Darija Snihur.

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