Golfer Yannik Paul:Er kann sich alles vorstellen

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Yannik Paul in Eichenried. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Drei Monate vor dem Ryder Cup hat der derzeit beste deutsche Golfer Yannik Paul, 29, gute Chancen, für das prestigeträchtigste Golfturnier der Welt nominiert zu werden. Über einen Spieler, den vor Kurzem nur Experten kannten.

Von Felix Haselsteiner

Dass Yannik Paul im Fokus steht, überrascht alle - außer Yannik Paul. Immer wieder sei er zuletzt gefragt worden, "ob das alles überraschend kam", der Aufstieg auf die höchste europäische Tour, der schnelle Sieg dort im vergangenen Oktober auf Mallorca, die zahlreichen guten Platzierungen, Top 100 in der Weltrangliste, die Teilnahmen an Major-Turnieren, Rang zwölf in der europäischen Saisonrangliste und insbesondere Rang drei auf der Qualifikationsliste für den Ryder Cup im September.

Seine Antwort: nein. Nicht überraschend. "Ich habe immer gesehen, dass ich das erreichen kann", sagt Paul - auch zu einem Zeitpunkt, als die deutsche Golf-Öffentlichkeit ihn noch nicht auf dem Schirm hatte, die ihn nun schmerzlich vermissen wird, beim Heimturnier: Am Donnerstagmorgen musste Paul seinen Start bei den BMW International Open wegen Rückenproblemen absagen.

Mit der Selbstsicherheit ist es im Golf eine schwierige Sache. Seiner eigenen Stärke sollte man sich besser bewusst sein in einem Sport, der im Wesentlichen daraus besteht, sich Woche für Woche nicht mit den Gegnern, sondern rein mit sich selbst zu beschäftigen. Im Golf kann man sich nicht auf die Schwächen der anderen verlassen: Wer zweifelt, wird keinen Erfolg haben. Aber wer zu selbstbewusst auftritt, gilt schnell als arrogant.

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Fragt man Paul etwa nach dem Ryder Cup, antwortet er nonchalant: "Natürlich wäre ich da gerne dabei." Im ersten Moment klingt das, als ginge es nicht um das prestigeträchtigste Event des Golfsports, sondern um eine Einladung zum Oktoberfest, aber in gewisser Weise beschreibt die kurze Antwort den Charakter des aktuell besten deutschen Golfspielers schon recht treffend: Paul weiß, wie man sich im Grenzbereich zwischen Selbstbewusstsein und Arroganz bewegt.

"Man sollte hohe Ziele haben im Leben", sagt Paul im Gespräch mit der SZ vor dem Start der BMW International Open in Eichenried: "Ich glaube wirklich dran, dass man die dann erreichen kann." Visualisieren nennt Paul das, eine im Golf wichtige Eigenschaft: Jeden einzelnen Schlag muss sich ein Spieler auf dem Platz auf den Zentimeter genau vorstellen können, die Flugkurve, den Wind, der den Ball einen halben Meter zur Seite bewegen wird, die Landezone, wo er aufkommt und zum Loch rollen soll - perfekte Schläge werden immer erst im Kopf geboren, bevor man sie umsetzen kann.

Paul überträgt dieses Konzept vom Platz auf seine gesamte Karriere. "Ich visualisiere, wie es sich anfühlen könnte, inmitten der Atmosphäre beim Ryder Cup zu sein, in der letzten Gruppe zu spielen", sagt er: "Man kann sich viel Nervosität nehmen, wenn man sich schon einmal vorgestellt hat, wie es sich abspielen könnte." Paul sagt, er wisse, dass sich diese Visualisierung von Erfolg für Außenstehende "manchmal ein bisschen crazy" anhören kann - aber sie scheint zu funktionieren.

Vier Sekunden einatmen, vier Sekunden Luft anhalten, sieben Sekunden ausatmen. Und dann: Ruhe

Der 29-Jährige ist schon immer seinen eigenen Weg gegangen, wenn auch nicht allein: Auf dem College in den USA in Colorado, wo er von 2013 bis 2018 studierte, war er mit seinem Zwillingsbruder Jeremy. Beide entschieden sich für eine Profikarriere, Jeremy spielt inzwischen auf der zweithöchsten Tour in den USA, wo beide auch leben: Yannik hat sich mit seiner Freundin Kaela und seinem Hund in Scottsdale, Arizona, niedergelassen, wo die Winter mild sind und die Golfplätze zu den besten im Land zählen.

Kaela, die "Health and Exercise Science" studiert hat, habe großen Einfluss auf ihn, sagt Paul: "Wir meditieren zusammen, ich mache viele Übungen für den Mentalbereich." Eine soll ihm helfen, in Situationen, in denen er sich auf dem Platz ärgert, wieder zur Ruhe zu finden: "Vier Sekunden tief einatmen, vier Sekunden Luft anhalten, sieben Sekunden ausatmen", das sei eine der Regeln, die auf dem höchsten Niveau den Unterschied machen sollen. Golf spielen könnten unter den Besten der Welt alle: "Es geht nur darum, sich wohlzufühlen und den Glauben an sich selbst zu haben."

Mit seinen Leistungen hat Paul unter seinen Mitspielern Eindruck hinterlassen. Und auch bei den Personen, die über seine sportliche Zukunft mitentscheiden. "Er ist ein beeindruckender junger Spieler", sagte Ryder-Cup-Kapitän Luke Donald am Mittwoch in Eichenried: "Er spielt viele Turniere und ist fast immer vorne dabei. Beständigkeit ist ein wichtiges Talent im Golfsport." Daran dürfte auch eine Woche nichts ändern, in der Paul von einer Verletzung gestoppt wurde.

Nach seinem Sieg in Mallorca im vergangenen Jahr habe er erstmals mit Donald Kontakt gehabt, sagt Paul. Seitdem spielten sie mehrere Runden gemeinsam, unter anderem bei der PGA Championship im Mai. "Sehr nett" sei der Engländer laut Paul: "Aber ich frage jetzt nicht: Wie sieht es aus mit dem Ryder Cup?" Er müsse "einfach nur gut Golf spielen" in den kommenden Monaten, um im September in Rom an den Start zu gehen. Sich nur die Teilnahme vorzustellen, reicht ihm allerdings nicht aus: "Ich glaube fest daran, dass ich jeden schlagen kann, wenn ich dort mitspiele."

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