US Open:Der Nebendarsteller gewinnt

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Überwältigt von seinen Emotionen: Wyndham Clark nach seinem Sieg bei den US Open. (Foto: Michael Madrid/Reuters)

Die US Open sollten zum Duell zwischen Rory McIlroy und Rickie Fowler werden - doch am Ende stiehlt Wyndham Clark den Posterboys die Show. Der Sieg ist der vorläufige Höhepunkt einer besonderen Geschichte.

Von Felix Haselsteiner, München/Los Angeles

Die Bühne war bereitet in Hollywood, Rory McIlroy und Rickie Fowler hatten sich extra schick gemacht. Hellblau und Orange waren die Polo-Shirts der beiden, so wie damals, 2012, als ein junger McIlroy und ein ebenso junger Fowler bei der Wells Fargo Championship ein bis heute vielzitiertes Playoff um den Sieg spielten. Fowler gewann und prägt seitdem eine eigene Kultur bei jungen Fans, die er mit seinem Boyband-Charme für sich gewann, die stolz die Farbe Orange tragen und ihm nachsehen, dass er nie ein Major-Turnier gewonnen hat. McIlroy verlor zwar 2012. Dafür gewann er in den Folgejahren mehr als jeder andere - seit 2014 allerdings kein Major mehr.

Dieser Sonntag im Los Angeles Country Club, er sollte daher der Showdown zweier Spieler werden, deren sportliche Rivalität vielversprechend begann und nicht immer alle Versprechen hielt. McIlroy und Fowler spielten in Hollywood drei von vier Tagen um den Titel, angetrieben von einer Hälfte Fowler-Fans und einer Hälfte McIlroy-Fans - bis den beiden ein Nebencharakter die Show stahl.

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US-Open-Sieger 2023 nämlich wurde Wyndham Clark, 29, was sich unweit des Epizentrums der Filmwelt ein wenig so anfühlte, als würde ein talentierter Indie-Schauspieler Brad Pitt und Leonardo DiCaprio den Oscar wegnehmen. Wäre da nicht diese einzigartige Geschichte, die Clark zu erzählen hat und die dramatisch genug ist, um zu bilanzieren, dass Hollywood doch den Sieger bekam, den es verdient hatte.

Als Fowler und McIlroy sich vor elf Jahren das Duell der jungen Wilden lieferten, hatte Clark sich gerade an der Universität in Oklahoma eingeschrieben. Fest davon überzeugt, dass er im Sport eine Chance haben würde, immerhin spielte er seit seinem dritten Lebensjahr Golf. Angespornt vom ehemaligen Tennisprofi Randall als Vater und seiner begeisterten Mutter Elion, die ihm als Kind immer kleine Zettel in die Golftasche steckte, mit Motivations-Botschaften. "Play big", sagte Clark, sei ihr Mantra gewesen. Frei übersetzt: "Geh auf's Ganze."

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Als Elion 2013 an Krebs verstarb, brach für Clark eine Welt zusammen. Aus dem talentierten Golfer wurde in der Trauer um seine Mutter ein verlorener junger Mann, der Runden plötzlich abbrach und schließlich entschied, eine Auszeit von der Uni zu nehmen, die genauso gut das Karriereende hätte bedeuten können. Über Umwege gelangte er 2017 nach Oregon, wo er doch noch seinen Uni-Abschluss schaffte.

Clark hatte keinen wundersamen Aufstieg hingelegt wie Fowler oder McIlroy, die als Jugendliche schon überall die Besten gewesen waren. Stattdessen arbeitete er sich durch seine frühe Karrierephase als Profigolfer. In dieser Phase hätte es Momente gegeben, so erzählte es Clark, in denen er fürchtete, dass es vielleicht nicht reichen könnte zum ganz großen Erfolg, in denen er seine Mutter vermisst habe und ein frustrierter Mensch gewesen sei: "Ich bin so froh, dass ich das durchgestanden habe."

Rory McIlroy ist nachweislich der konstanteste Golfer aus der Weltelite, und doch jagt er weiter den nächsten Major-Titel

Die Wende kam im Jahr 2023, als Clark im Mai ebenjene Wells Fargo Championship gewann, die einst Fowler den Weg geebnet hatte. "Das war unheimlich wichtig: Ich wusste nun, dass ich es schaffen kann", sagte Clark. Er habe gespürt, dass ihm in diesem Jahr noch gute Dinge bevorstünden: "Dass es eine US Open werden würde, konnte ich aber nicht ahnen."

Clark ist ein mutiger Golfspieler und jemand, der nach all den Rückschlägen des Lebens seine Ruhe gefunden hat - und in gewisser Weise verkörpert er trotz seiner schwierigen Geschichte genau das, was McIlroy und Fowler immer wieder in ihren Laufbahnen gefehlt hat. Während Clark die Schlussrunde mit dem Gefühl spielte, nichts verlieren zu können, kämpften seine beiden Hauptkonkurrenten gegen ihre eigenen Dämonen an. McIlroy gegen das Gefühl, zum ewigen Zweiten zu werden, weil er zwar nachweislich der konstanteste Golfer aus der Weltelite ist - mit sieben Top-10-Ergebnissen bei seinen vergangenen neun Major-Starts - aber eben nie der mit dem Pokal. "Ich weiß, dass es passieren wird", sagte McIlroy, einmal mehr.

Für Fowler sind die US Open trotzdem ein Erfolg, denn er war auf Platz 103 der Welt abgerutscht.

Fowler musste in den vergangenen Jahren einen Abstieg hinnehmen und wurde vom talentierten Posterboy zu einem Spieler, der in der Weltrangliste auf Platz 103 stand. Überhaupt wieder in die Nähe eines US-Open-Titels zu kommen, ist für ihn daher schon ein Erfolg. Der 34-Jährige, dessen Karriere eineinhalb Autostunden südlich von Los Angeles auf einer einfachen Golfrange begann, ist ein gereifter Charakter, über seine Schlussrunde in fünf Schlägen über Par sprach er teils mit einem Lächeln auf den Lippen.

Fowler hatte beim Spiel gegen seinen guten Freund Wyndham Clark erkannt, dass dieser Sonntag nicht seine eigene Geschichte in Orange erzählen würde, sondern eben die seines Mitspielers. Als er ihn nach dem finalen Putt auf dem Grün umarmte, sagte Fowler seinem Konkurrenten: "Deine Mutter wäre sehr stolz auf dich."

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